§ 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB: Alleinraser ohne Rasen

22. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Trotz erheblicher Sichtbehinderung durch dichten Nebel fährt T am 01.11.2017 auf eisglatter Fahrbahn außerorts mit einer Geschwindigkeit von 100 km/h mit seinem Pkw.

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Einordnung des Falls

§ 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB: Alleinraser ohne Rasen

Dieser Fall lief bereits im 1./2. Juristischen Staatsexamen in folgenden Kampagnen
Examenstreffer Berlin/Brandenburg 2023

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Das „Verbot von Kraftfahrzeugrennen“ (§ 315d StGB) war am Tattag bereits in Kraft getreten.

Ja!

Nach § 2 Abs. 1 StGB gilt, dass sich die Strafe und ihre Nebenfolgen nach dem Gesetz bestimmen, das zur Zeit der Tat gilt. Das Verbot von Kraftfahrzeugrennen (§ 315d StGB) wurde bereits am 13.10.2017 neu in das StGB eingeführt. Da diese Strafvorschrift am Tattag (01.11.2017) also schon in Kraft getreten war, ist sie anwendbar. Vorliegend kommt eine Strafbarkeit wegen grob verkehrswidriger und rücksichtsloser Geschwindigkeitsjagd (§ 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB) in Betracht.
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2. Der objektive Tatbestand des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB setzt ein grob verkehrswidriges Kraftfahrzeugrennen im Straßenverkehr voraus.

Nein, das ist nicht der Fall!

Mit § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB sollen diejenigen Fälle erfasst werden, in denen nur ein einziges Fahrzeug objektiv und subjektiv ein Kfz-Rennen nachstellt. Diese Norm zielt damit auf den „Alleinraser“, der ein Rennen sozusagen gegen sich selbst bestreitet. Die Handlung des Alleinrasers erfordert also gerade kein Kfz-Rennen. Vielmehr setzt der objektive Tatbestand die grob verkehrswidrige Fortbewegung als Kfz-Führer im Straßenverkehr mit nicht angepasster Geschwindigkeit voraus. Hier hat T sich jedenfalls als Kfz-Führer im Straßenverkehr fortbewegt.

3. T hat sich mit „nicht angepasster Geschwindigkeit grob verkehrswidrig fortbewegt“.

Ja, in der Tat!

Nicht angepasst ist eine Geschwindigkeit, die eine Geschwindigkeitsbegrenzung verletzt oder der konkreten Verkehrssituation zuwiderläuft. Die angepasste Geschwindigkeit richtet sich vor allem an den Straßen-, Sicht- und Wetterverhältnissen aus, während der Überschreitung der zulässigen Geschwindigkeit nur Indizfunktion zukommt. Indem T trotz erheblicher Sichtbehinderung durch dichten Nebel auf eisglatter Fahrbahn mit (dort eigentlich zulässigen) 100 km/h fuhr, bewegte er sich mit nicht angepasster Geschwindigkeit fort, denn die zulässigen Höchstgeschwindigkeiten gelten nur unter günstigsten Umständen (vgl. § 3 Abs. 3 StVO). Dies war auch grob verkehrswidrig.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Sambadi

Sambadi

18.4.2022, 15:30:13

Aber hat er das auch getan um die höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen? Ich weiß, dass man da nicht auf die mögliche Leistung des Fahrzeugs abstellt, sondern dieses Kriterium Nach äußeren Umständen prüfen muss, jedoch erscheint mir 100 kmH ein wenig zu wenig. (Um ihn jetzt gleich einem Rennteilnehmer zu bestrafen meine ich). Auf Landstraßen sind 100 km/h meistens sogar die zulässige Höchstgeschwindigkeit.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

20.4.2022, 20:26:10

Hallo Sambadi, in den systematischen Kursen gehen wir die jeweiligen Delikte Stück für Stück durch, d.h. in dieser Session haben wir zunächst nur den objektiven Tatbestand behandelt. Du hast aber völlig Recht, dass der §

315d

Abs. 1 Nr. 3 StGB im Hinblick auf den subjektiven Tatbestand eine sog.

überschießende Innentendenz

aufweist. Erforderlich ist hier also nicht nur

Vorsatz

bzgl. des objektiven Tatbestandes, sondern die Absicht des Erreichens der (relativ) höchstmöglichen Geschwindigkeit (ähnlich der

Bereicherungsabsicht

beim Diebstahl). Diese Absicht umfasst Vorstellungen zur fahrzeugspezifischen Beschleunigung, dem subjektiven Geschwindigkeitsempfinden, der Verkehrslage und den Witterungsbedingungen. Es genügt das Erreichen einer möglichst hohen Geschwindigkeit (vgl. MüKoStGB/Pegel, §

315d

Rn. 26). Da wir hier zur subjektiven Seite keine Anhaltspunkte im Sachverhalt haben, ist eine Prüfung hier letztlich nicht möglich. Grundsätzlich sollte man mit der Annahme strafbaren Verhaltens aber ohnehin zurückhaltend sein (Strafrecht als schärfstes Schwert). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team


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