Zivilrechtliche Nebengebiete

Arbeitsrecht

Störungen des Arbeitsverhältnisses

Arbeitnehmer setzt persönliche Mittel ein, die kaputt gehen

Arbeitnehmer setzt persönliche Mittel ein, die kaputt gehen

22. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs
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Klassisches Klausurproblem

Die bei B beschäftigte Arbeitnehmerin A muss nach Anweisung des B ihr privates Kfz für dienstliche Zwecke nutzen. Bei einem Unfall, den A leicht fahrlässig verursacht hat, entsteht ein Schaden am Fahrzeug. Diesen will A von B ersetzt bekommen.

Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

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Einordnung des Falls

Arbeitnehmer setzt persönliche Mittel ein, die kaputt gehen

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 8 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. A hat gegen B einen Schadensersatzanspruch aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB und aus § 823 Abs. 1 BGB.

Nein, das trifft nicht zu!

Sowohl ein Schadensersatzanspruch nach §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB als auch nach § 823 Abs. 1 BGB setzt ein Verschulden voraus. Da B hier in keiner Weise am Unfallgeschehen mitgewirkt hat, fehlt es an der Verletzunshandlung sowie am Verschulden des Arbeitgebers, sodass bereits aus diesem Grund die Schadensersatzansprüche ausscheiden.
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2. A hat vielmehr einen Anspruch auf Aufwendungsersatz nach § 670 BGB.

Nein!

Ein Aufwendungsersatzanspruch nach § 670 BGB ist auch im Arbeitsverhältnis möglich, sofern der Arbeitnehmer ein Geschäft ausgeführt hat, das nicht voll von den Vertragspflichten erfasst wurde. Dafür müsste der Arbeitnehmer insbesondere eine echte Aufwendung gemacht haben. Eine Aufwendung ist ein freiwilliges Vermögensopfer. Da A einen Schaden erlitten hat, handelt es sich um ein unfreiwilliges Vermögensopfer. Mangels Vorliegens einer echten Aufwendung scheidet eine direkte Anwendung des § 670 BGB aus.

3. § 670 BGB könnte jedoch analog angewendet werden.

Genau, so ist das!

Damit eine Norm analog anwendbar ist, muss (1) eine planwidrige Regelungslücke bestehen und (2) die Interessenlage vergleichbar sein. Zu (1): Eine wie in § 670 BGB normierte verschuldenunsabhängige Einstandspflicht des Auftraggebers gegenüber dem Auftragnehmer gibt es nicht und auch keine Anhaltspunkte, dass dies bewusst von Gesetzgeber nicht geregelt wurde. Zu (2): Der Aufwendungsersatzanspruch nach § 670 BGB beruht auf dem Gedanken, dass der Beauftragte durch seine unentgeltliche Tätigkeit im Interesse des Auftragnehmers keinen Vermögensverlust erleiden soll. Wie Auftragnehmer wird auch Arbeitnehmer im Interesse eines andere tätig. Zwar wird Arbeitnehmer für Arbeitsleistung entlohnt; wenn er aber Aufwendungen erbringt, die nicht durch die Vergütung abgegolten sind, erleidet er Vermögenseinbuße.

4. A könnte hier also einen Anspruch auf Ersatz der Eigenschäden aus § 670 BGB (doppelt) analog haben.

Ja, in der Tat!

Ein Anspruch aufgrund (doppelt) analoger Anwendung des § 670 BGB kommt in Betracht, wenn der Arbeitnehmer einen Sachschaden als Eigenschaden erleidet. Ein Anspruch analog § 670 BGB setzt voraus: (1) arbeitsspezifischer Eigenschaden des Arbeitnehmers, (2) betriebliche Veranlassung der Tätigkeit, (3) keine Abgeltung des Schadensrisikos durch die Vergütung.Dahinter steht der Gedanke, dass unter bestimmten Voraussetzungen Eigenschäden als unfreiwillige Vermögenseinbußen den Aufwendungen als freiwillige Vermögenseinbußen gleichzustellen sind, da der Arbeitgeber das Schadensrisiko nicht auf den Arbeitnehmer abwälzen darf, sofern er sich dessen persönlicher Mittel als Arbeitsmittel bedient.

5. Es liegt ein arbeitsspezifischer Eigenschaden der A vor.

Ja!

Der Arbeitnehmer hat nur dann einen Ersatzanspruch, wenn ein arbeitsspezifischer Eigenschaden vorliegt. Er hat keinen Anspruch auf die Erstattung arbeitsadäquater Aufwendungen und Eigenschäden, mit denen er infolge der Art seiner Tätigkeit und seines Betriebs stets zu rechnen hat. Eigenschäden werden somit nur ersetzt, soweit der Schaden auf einer mit der Besorgung des Geschäfts verbundenen Gefahr beruht und von beiden Parteien von vornherein in Rechnung gezogen werden musste (ausgenommen allgemeines Lebensrisiko). Der Eigenschaden der A ist dem Betätigungsbereich des Arbeitgebers unmittelbar zuzurechnen. Zudem war mit dem Schaden am Pkw nicht stets zu rechnen.

6. Die Fahrt mit ihrem privaten Pkw war hier aber keine betrieblich veranlasste Handlung der A.

Nein, das ist nicht der Fall!

Der Einsatz des privaten Pkw steht zumindest dann im betrieblichen Interesse, wenn der Arbeitgeber sonst ein eigenes Fahrzeug hätte einsetzen müssen und das damit verbundene Unfallrisiko hätte tragen müssen oder wenn der Arbeitgeber die Benutzung des privaten Pkw verlangt. Vorliegend musste A ihren privaten Pkw auf Anweisung des B für Dienstfahrten benutzen. Ihr war es insbesondere nicht freigestellt, ob sie ein Dienstfahrzeug oder ihren eigenen Wagen verwendet.

7. Da A Lohn erhält, ist allerdings das Schadensrisiko durch die Vergütung abgegolten.

Nein, das trifft nicht zu!

Nicht ersatzfähig sind Einbußen, für deren Hinnahme der Arbeitnehmer erkennbar einen finanziellen Ausgleich erhält. A erhält ausschließlich den Lohn für die geleistete Arbeit, nicht aber eine weitere Zahlung, die das Schadensrisiko abgilt.

8. A hat somit gegen B einen Anspruch auf Ersatz des Schadens an ihrem Pkw analog § 670 BGB, der aber aufgrund der leichten Fahrlässigkeit analog § 254 Abs. 1 BGB zu kürzen ist.

Nein!

Die Anspruchsvoraussetzungen des § 670 BGB analog liegen vor, sodass A gegen B einen Ersatzanspruch hat. Hinsichtlich des Umfangs des Ersatzanspruchs sind ein etwaiges Mitverschulden (§ 254 Abs. 1 BGB analog) und die Grundsätze des innerbetrieblichen Schadensausgleichs zu beachten. Danach besteht der Anspruch gegen den Arbeitgeber in dem Umfang, in dem der Arbeitgeber eine Beschädigung eigener Sachmittel hinzunehmen hätte. Aufgrund der Fahrlässigkeit der A wäre der Ersatzanspruch eigentlich analog § 254 Abs. 1 BGB zu kürzen. Allerdings müsste A nach den Grundsätzen des innerbetrieblichen Schadensausgleichs bei Beschädigung der Arbeitsmittel des B bei leichter Fahrlässigkeit gegenüber dem Arbeitgeber nicht haften. Dies ist hier zu berücksichtigen, sodass der Anspruch der A nicht analog § 254 Abs. 1 BGB zu kürzen ist.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

PET

petruvia

6.5.2024, 18:12:17

Was sind die Begründungen, warum kein eigener Paragraph für solche Fälle eingeführt wurde? Klingt für mich nach einem vergleichsweise häufigen Vorfall. Daran anschließend: Kommt es vor, dass bei umfassender Rechtssprechung von neuen Regelungen abgesehen wird, gerade weil die Rechtssprechung in der Vergangenheit eindeutig war?

Linda

Linda

18.6.2024, 16:30:25

Das kommt tatsächlich häufiger vor. Das Arbeitskampfrecht ist beispielsweise ausschließlich von der Rechtsprechung entwickelt worden und der Gesetzgeber belässt es hierbei. Ich kann mir gut vorstellen, dass es hier ähnlich aussieht.

Natze

Natze

29.8.2024, 09:33:13

Die letzte Subsumtion verstehe ich nicht. Die Grundsätze des innerbetrieblichen Schadensausgleichs sind anwendbar und A hat aufgrund der leichten Fahrlässigkeit einen Anspruch auf Ausgleich, richtig?

AS

as.mzkw

29.8.2024, 14:11:45

Genau. Grundsätzlich würde der Anspruch von A gem. § 254 I BGB wegen Mitverschulden gekürzt. Nach den Grundsätzen des innerbetrieblichen Schadensausgleichs führt lediglich leichte Fahrlässigkeit des AN jedoch gerade nicht zu einer Kürzung seines SE-Anspruchs gegen den AG.

Natze

Natze

29.8.2024, 14:34:00

Danke dir :)


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