Zivilrechtliche Nebengebiete
Handelsrecht
Allgemeine Regeln für Handelsgeschäfte (§§ 343-372 HGB)
Einstiegsfall fehlende Vertretungsmacht
Einstiegsfall fehlende Vertretungsmacht
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
V betreibt ein Handelsgewerbe, in dem sie Oldtimer in Kommission verkauft und repariert. Der im Eigentum der E stehende Mercedes-Benz SL 500 wurde von V repariert und steht abholbereit im Vorraum. Sammler K ist von dem Auto sofort begeistert. V veräußert es im Namen der E an K. K geht davon aus, dass V als Vertreterin berechtigt ist.
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Einordnung des Falls
Einstiegsfall fehlende Vertretungsmacht
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 9 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. K könnte von E Eigentum nach § 929 S. 1 BGB erworben haben.
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. Liegen die Voraussetzungen für eine wirksame Stellvertretung der E durch V vor (§ 164 Abs. 1 S. 1 BGB)?
Nein, das trifft nicht zu!
3. Hat K das Eigentum gutgläubig nach §§ 929 S. 1, 932 Abs. 1 S. 1 BGB erworben?
Nein!
4. Kann § 366 Abs. 1 HGB analog nach h.M. auf die fehlende Vertretungsmacht angewendet werden?
Genau, so ist das!
5. Ist V Kaufmann (§ 1 Abs. 1 HGB)?
Ja, in der Tat!
6. Hat V im Betrieb ihres Handelsgewerbes eine bewegliche Sache veräußert (§ 366 Abs. 1 HGB analog)?
Ja!
7. K war gutgläubig hinsichtlich der Vertretungsmacht der V zur Veräußerung des Mercedes (§ 366 Abs. 1 HGB analog).
Genau, so ist das!
8. Kommt es für die Eigentumsübertragung noch darauf an, dass V zur Verfügung über den Mercedes befugt war?
Nein, das trifft nicht zu!
9. Hat K hat Eigentum an dem Oldtimer von E gemäß § 929 S. 1 BGB, iVm § 366 HGB analog erworben.
Ja!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
antonia0203
4.5.2024, 13:32:30
Bei der hier als h.M. dargestellte Ansicht handelt es sich in der Literatur zum jetzigen Stand um eine Mindermeinung. Nach h.M. ist eine analoge Anwendung nicht geboten.
Dogu
23.6.2024, 20:14:56
Kannst Du eine Quelle nennen? Prof. Rüßmann: Die herrschende Meinung wendet dennoch §
366 HGBanalog auf den Fall des guten Glaubens an die Vertretungsmacht an https://ruessmann.jura.uni-saarland.de/bvr2006/Vorlesung/366HGB.htm Danach schon seit 2006 hM.
alina2010
5.8.2024, 17:08:37
Ich habe es tatsächlich auch so wie antonia0203 gelernt. Die hM lehnt eine Analogie ab, da allein eine tatsächliche Abgrenzungsschwierigkeit keine Modifikation begründe
BrSa
30.8.2024, 12:54:01
Kurzer Blick in die Vorlesungsfolien von Prof. Bitter, S. 74, bestätigt auch, dass die hM den §
366 HGBanalog anwendet. :) https://www.jura.uni-mannheim.de/media/Lehrstuehle/jura/Bitter/handelsrecht-folien-2022-layout-mbs.pdf
Dogu
30.8.2024, 16:43:31
Also passt die Darstellung in Jurafuchs :)
wasabi
3.9.2024, 14:05:59
Einfach in den Raum zu werfen, dass es sich nicht mehr um die hM handeln würde, ohne Quellen zu nennen bringt echt niemanden weiter. Inbs. mit einem pauschalen Verweis auf "die Literatur".
Sebastian Schmitt
28.9.2024, 22:49:19
Hallo @[antonia0203](249064), vielen Dank für den Hinweis und danke an die anderen für die ergänzenden Hinweise und die gute Diskussion. Von ganz eindeutigen Fällen einmal abgesehen ist es rein tatsächlich häufig schwierig, die "hM" genau zu bestimmen. Das liegt an der fehlenden Eindeutigkeit des Begriffs: Was vor und im 1. Examen noch die "hM" sein mag, nämlich die mehrheitlich vertretene Auffassung, ist nach dem 1. Examen zB manchmal nur noch die "hL", ein "TdL" oder schlicht die "aA" - denn hM ist dann bekanntlich nur noch die Rspr. Gleichzeitig kann niemand sämtliche Literaturquellen und Meinungen zu einer bestimmten Frage auswerten, zahlenmäßig ggü stellen und dann am besten noch qualitativ gewichten, weil die akademisch saubere "Hochreck"-Argumentation von Prof X mehr wert ist als die pragmatische von Rechtsanwalt Y. Dazu kommt, dass natürlich nicht wenige Publikationen gerne für sich in Anspruch nehmen (möchten), die "hM" zu vertreten, schließlich verleiht das der eigenen Argumentation direkt ein gewisses Gewicht. Nicht jeder, der von sich behauptet, die "hM" zu vertreten, tut das also auch. Im Fall der analogen Anwendung von §
366 HGBdürfte das nach meiner kurzen Recherche eine recht knappe Sache sein. Es sieht mir aber danach aus, als wäre die Anwendung der Norm (auch) auf die fehlende Vertretungsmacht tatsächlich (noch?) die überwiegende Auffassung. Dementsprechend möchte ich das für den Moment in unserer Aufgabe so stehen lassen. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team
robse27
6.10.2024, 02:13:46
Moin zusammen, für die „aA“ (dh Analogie (-)) möchte ich hier als Fundstelle Canaris, § 27 Rn. 16f. ins Feld führen. Ich sehe es so wie er und finde diese Ansicht auch überzeugender. Das Wichtigste (mal in eigenen Worten grob) zusammengefasst: - der Typ sieht doch, dass jemand im fremden Namen handelt, soll er sich halt erkundigen (d.h. der Dude ist nicht schutzwürdig und insoweit besteht nicht mal eine vergleichbare Interessenlage im Vergleich zu Leuten, die idR im eigenen Namen, aber auf fremde Rechnung veräußern, wo man das ja gerade nicht erkennt) - daraus ergibt sich zugleich ein schwächerer Rechtsschein; gerade bei Leuten, bei denen das nicht so geläufig ist, im fremden Namen zu veräußern, ist größere Vorsicht geboten - mit § 75h kennt das HGB sehr wohl die Differenz zwischen Vertretungsmacht und Veräußerungsbefugnis - nach § 812 I 1 Alt. 1 hätte der Dude das eh wieder zurückzugeben; nach der aA („hM“?) müsste dann § 179 I als Rechtsgrund zum Behalten gegenüber dem Vertretenen (!) sein, schließlich kann der Vertrag als eigentlich normaler Rechtsgrund nicht über § 366 I HGB „geheilt werden“ (sowas wäre zudem mMn ein Fall einer gesetzlich nicht vorgesehenen Verpflichtungsermächtigung)?! Für mich insgesamt sehr überzeugend. LG :)
BrSa
30.8.2024, 12:51:25
Hi, aus dem Sachverhalt ging für mich nicht hervor, dass der Verkäufer nicht auch das Auto der E auf Kommission verkaufen soll. Könntet ihr das klarstellen?