Zivilrecht

Sachenrecht

Grundpfandrechte

Gefälschte Abtretungserklärungen

Gefälschte Abtretungserklärungen

4. Juli 2025

19 Kommentare

4,6(14.891 mal geöffnet in Jurafuchs)

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs
Tags
Klassisches Klausurproblem

Briefhypothekar H möchte die Hypothek, die er von A erworben hat, übertragen. Daher bringt H Brief und Abtretungserklärung des A zum Notar, um sie beglaubigen zu lassen. Dessen Mitarbeiter M fälscht nicht erkennbar eine auf ihn lautende Abtretungserklärung des H samt Beglaubigung und überträgt die Hypothek an G.

Diesen Fall lösen 0,0 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

Einordnung des Falls

Gefälschte Abtretungserklärungen

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die öffentliche Beglaubigung der Abtretungserklärung des A ist Wirksamkeitsvoraussetzung für den Zweiterwerb der Briefhypothek.

Nein, das trifft nicht zu!

Die öffentliche Beglaubigung der Abtretungserklärung des A ist keine Wirksamkeitsvoraussetzung für den ordentlichen Zweiterwerb der Briefhypothek nach §§ 398, 1154, 1153 BGB . Die öffentliche Beglaubigung ist aber dann nach § 1155 BGB notwendig, wenn ein regulärer Zweiterwerb scheitert und der Erwerber sich auf gutgläubigen Zweiterwerb beruft.
Zivilrecht-Wissen in 5min testen
Teste mit Jurafuchs kostenlos dein Zivilrecht-Wissen in nur 5 Minuten.

2. G hat die Hypothek nach §§ 398, 1154, 1153 BGB von M erworben.

Nein!

Der Erwerb der Briefhypothek nach §§ 398, 1154, 1153 BGB setzt voraus: (1) Einigung über Abtretung, (2) in der Form des §§ 1154 Abs. 1 oder 2 BGB, (3) Übergabe des Hypothekenbriefs, (4) Abtretbarkeit der gesicherten Forderung, (5) Verfügungsberechtigung. G und M haben sich über die Abtretung der hypothekarisch gesicherten Forderung geeinigt. Dies erfolgte schriftlich in der Form des § 1154 Abs. 1 BGB. M hat G auch den Hypothekenbrief übergeben. Die Forderung war abtretbar. M war jedoch nicht verfügungsbefugt.

3. Eine ununterbrochene Kette öffentlich beglaubigter Abtretungserklärungen (§ 1155 BGB) liegt aufgrund der Fälschung des M nicht vor.

Nein, das ist nicht der Fall!

Maßgeblich ist hier, ob § 1155 BGB für die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs voraussetzt, dass eine Abtretung wirklich erfolgt sein muss, oder ob der äußere Schein der Echtheit der Abtretungserklärungen genügt. Nach der herrschenden Auffassung reicht bereits der äußere Schein der Echtheit der Abtretungserklärung aus. Begründet wird dies mit dem Verkehrsschutz und der Aufrechterhaltung der Verkehrsfähigkeit der Hypothek. Die andere Auffassung fordert das tatsächliche Vorliegen der Abtretung und beruft sich dabei auf den Wortlaut des § 1155 BGB sowie auf das Schutzbedürfnis des wahren Hypothekengläubigers, der eine gefälschte Erklärung nicht gegen sich gelten lassen müsse.

4. G hat die Hypothek gutgläubig nach §§ 398, 1154, 1153, 1155 S. 1 BGB erworben.

Ja, in der Tat!

Der gutgläubige Zweiterwerb der Briefhypothek setzt voraus: (1) Erwerb durch Rechtsgeschäft, (2) Zedent ist im Besitz des Hypothekenbriefs, (3) Ununterbrochene Kette öffentlich beglaubigter Abtretungserklärungen, die auf eingetragenen Hypothekar zurückführt, (4) Kein Widerspruch im Grundbuch, (5) Kein Unrichtigkeitsvermerk im Hypothekenbrief, (6) Gutgläubigkeit des Zessionars. Die Voraussetzungen (1) und (2) liegen vor. Weiterhin liegt nach der hier vertretenen Auffassung trotz der Fälschung des M eine ununterbrochene Kette öffentlich beglaubigter Abtretungserklärungen vor, die auf den eingetragenen Hypothekar A zurückführt. Ein Widerspruch im Grundbuch oder ein Unrichtigkeitsvermerk im Hypothekenbrief existiert nicht. G war ferner gutgläubig.
Dein digitaler Tutor für Jura
Zivilrecht-Wissen testen
Jurafuchs
Eine Besprechung von:
Jurafuchs Brand
facebook
facebook
facebook
instagram

Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!


Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

M0NAC0

M0NAC0

3.11.2021, 14:13:09

Verstehe ich es richtig, dass in Fällen der

Briefhypothek

ein

Abhandenkommen

den gutgläubigen Erwerb nicht ähnlich wie § 935 BGB „verhindert“?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

3.11.2021, 17:47:53

Hallo Jonathan, in der Tat findet § 935 BGB keine Anwendung. Sofern die

Briefhypothek

aber abhandenkommt, kann sie für kraftlos erklärt werden (§ 1162 BGB). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

DI

divenir

26.6.2022, 16:47:04

Ich meine nicht, dass die sog. Gutglaubensschutztheorie herrschend ist. Ich denke, dass ist hier deutlich umstrittener, als so dargestellt. Vielleicht kann das nochmal gecheckt werden? :)

Nora Mommsen

Nora Mommsen

7.7.2022, 19:02:12

Hallo divenir, danke für deine Anmerkung. Die Frage ist in der Tat umstritten, allerdings ist es durchaus herrschende Meinung, dass der gute Glaube hier schützenswert ist, siehe auch MüKoBGB/Lieder BGB § 1155 Rn. 11, RGZ 85, 58 (60 f.); 86, 262 (263); 93, 41 (43 f.); OLG Hamburg Recht 1913 Nr. 1606; BeckOK BGB/Rohe Rn. 9. Anders sieht es beispielsweise das OLG Braunschweig (OLGZ 1983, 219 (220 f.), sowie Herrler in Palandt, Rn. 4. In der Klausur kannst du - wie meistens - mit entsprechender Argumentation auch die andere Ansicht vertreten. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

BL

Blotgrim

20.4.2024, 11:06:18

Also Wellenhofer bezeichnet die andere Ansicht als herrschend (§ 27 RN. 49 38. Auflage). Ich fände es deswegen vielleicht auch besser zwei Fragen von dem Typ zu machen "nach Ansicht hat liegt ein

gutgläubiger Erwerb

vor" und "nach Ansicht B liegt kein

gutgläubiger Erwerb

vor" und die jeweiligen Antworten dann einfach mit Argumenten zu unterfüttern. Gerade, da ich die Argumentation von Wellenhofer nicht gerade unüberzeugend finde

FL

Flohm

29.10.2024, 11:55:52

Schade, dass der Streit hier nicht dargestellt wird!

juramen

juramen

11.5.2023, 12:19:16

Wenn die zweite Frage lautet ob G die Hypothek erworben hat, dann ist die Antwort ja prinzipiell dennoch ja, weil er sie gutgläubig erworben hat... Vielleicht könnte man präzisieren, dass zu diesem Zeitpunkt noch nicht der gutgläubige sondern der normale Erwerb gemeint ist?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

16.5.2023, 14:08:00

Hallo juramen, das ist hier in der Tat etwas tricky! Die Abgrenzung ergibt sich aus den zitierten Vorschriften. In der ersten Frage fehlt § 1155 S. 1 BGB, weswegen es hier zunächst um den berechtigten Erwerb geht. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

WO

Wolli

23.5.2024, 15:35:43

Auch wenn der dingliche Mangel hier vielleicht über §§1155 überwunden werden könnte, so müsste M doch auch Inhaber/ Verfügungsberechtigt in Bezug auf die gesicherte Forderung sein. Dies ist nicht der Fall und könnte nur über §1138 überwunden werden. Habe ich etwas übersehen?

OKA

okalinkk

17.6.2025, 09:38:55

Sehe ich auch so!

BEN

benjaminmeister

13.3.2025, 17:53:16

Wenn man davon ausgeht, dass A weiterhin als Inhaber der Hypothek im Grundbuch steht, reicht es nicht aus, dass der Mitarbeiter nur die gefälschte Abtretungserklärung des H and ihn (M) öffentlich beglaubigt. MMn. fehlt dann im Sachverhalt, dass der Mitarbeiter auch die Abtretungserklärung des A an H beglaubigt hat (oder das zumindest auch fälscht). Ansonsten wäre nämlich keine ausreichende Legitimationskette gegeben. Wenn man davon ausgeht, dass H vorher aber auch im Grundbuch als Inhaber der Hypothek eingetragen wurde, dann bräuchte es diese Fälschung der Beglaubigung A-H nicht. Das fehlt im Sachverhalt aber ebenfalls. Weiterhin ist die Frage bzgl. der Fälschung zu streng gestellt. Offensichtlich existiert ein Streitstand, so dass man die Frage nicht pauschal beantworten kann. Hier wäre eine Differenzierung oder zumindest ein Hinweis danach, welche Ansicht zugrunde gelegt wird, wünschenswert. In der letzten Frage fehlt auch § 892 in der Normenkette. Weil hinsichtlich der Forderung die Berechtigung fehlt, müsste man wahrscheinlich auch noch § 1138 Var. 1 nennen.

BEN

benjaminmeister

13.3.2025, 18:21:52

Im ersten Antworttext steht auch, dass es beim gutgläubigen Zweiterwerb auch immer der Beglaubigung des § 1155 braucht. Das ist in seiner Absolutheit ebenfalls nicht richtig, da der

Rechtsschein

für den Zweiterwerb sich auch bei der

Briefhypothek

aus dem Grundbuch ergeben kann, wenn der Übertragende dort als Hypothekeninhaber eingetragen ist und der Brief (ohne beglaubigte Abtretungserklärungen) nichts anderes sagt.

Kathi

Kathi

8.4.2025, 13:48:44

ist dies dann auch ein Fall der forderungsentkleideten Hypothek? M hat demnach nur die Hypothek gutgläubig erworben, aber nicht die Forderung? Was würde daraus folgen? Hätte einer von Beiden einen Rückübertragungsanspruch?

PAUHE

Paul Hendewerk

5.5.2025, 17:01:19

Habe ich mich auch gefragt!


Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und mit 15.000+ Nutzer austauschen.
Kläre Deine Fragen zu dieser und 15.000+ anderen Aufgaben mit den 15.000+ Nutzern der Jurafuchs-Community

Weitere für Dich ausgwählte Fälle

Jurafuchs

Gutgläubiger Ersterwerb einer Hypothek

E ist fälschlicherweise als Eigentümer eines Grundstücks eingetragen. Zur Absicherung einer Darlehensschuld gegenüber G bestellt er diesem nun formgemäß eine Buchhypothek am Grundstück, die im Grundbuch eingetragen wird.

Fall lesen

Jurafuchs

Mangel der Forderung

Schuldner S bestellt Gläubiger G eine Buchhypothek zur Absicherung eines Darlehens. S ficht den Darlehensvertrag wirksam an. Daraufhin tritt G dem X seinen angeblichen Darlehensrückzahlungsanspruch ab, um X die Hypothek zu übertragen.

Fall lesen

Dein digitaler Tutor für Jura
Zivilrecht-Wissen testen