Mangel der Forderung
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Schuldner S bestellt Gläubiger G eine Buchhypothek zur Absicherung eines Darlehens. S ficht den Darlehensvertrag wirksam an. Daraufhin tritt G dem X seinen angeblichen Darlehensrückzahlungsanspruch ab, um X die Hypothek zu übertragen.
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Einordnung des Falls
Mangel der Forderung
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. X hat die Hypothek nach §§ 398, 1154, 1153 BGB erworben.
Nein!
Jurastudium und Referendariat.
2. Der gutgläubige Forderungserwerb ist im BGB grundsätzlich anerkannt.
Nein, das ist nicht der Fall!
3. Sofern das BGB keine spezielle Regelung zum gutgläubigen Erwerb der Hypothek bei einem Mangel der Forderung bereithält, scheitert ein gutgläubiger Zweiterwerb der Hypothek.
Ja, in der Tat!
4. X hat die Hypothek gutgläubig nach §§ 398, 1154, 1153, 1138, 892 Abs.1 BGB erworben.
Ja!
5. Es liegt eine forderungsentkleidete Hypothek vor.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Tobias Pfeiffer
10.4.2023, 17:36:03
Ist es eurer Meinung nach nicht mehr notwendig, auf die Einheits- bzw.
Mitreißtheorieeinzugehen? Nach der erwirbt der X hier ja die Hypothek mit Forderung…
Petrus
5.6.2023, 09:12:15
Lieber Tobias, ich denke auf diese Theorien müsste nur eingegangen werden, sofern tatsächlich eine Forderung besteht, die aber ursprünglich einem anderen zusteht. Im vorliegenden Fall, besteht aber gar keine Forderung, die mitgerissen werden könnte.
Blotgrim
20.4.2024, 10:47:54
Genau bei den Theorien geht es um die Situation, dass Forderung und Hypothek auseinanderfallen würden. Beispiel: A hat gegen S eine Darlehensforderung und diese wird durch eine Hypothek abgesichert. Jetzt tritt A unter öffentlicher Beglaubigung und Briefübergabe an B ab und der wiederum in derselben Weise an C. Im Nachhinein stellt sich heraus, dass A bei der Abtretung an B geschäftsunfähig war. Hier ist die Forderung und Hypothek wirksam entstanden, da A bei dem Geschäft mit S noch nicht geschäftsunfahig war. Die Forderung bleibt dann bei A hängen wegen der Geschäftsunfähigkeit des A. C kann aber die Hypothek über § 1138 und §§ 1155,892 gutgläubig erwerben, wenn auch ohne Forderung. Hier werden dann die Einheitstheorie/ Mitreißertheorie und die Trennungstheorie relevant
ajboby90
23.10.2024, 20:00:40
Noch eine Frage zu dem Fall: ich habe im schwarzen Fällebuch gelesen, dass bei 1138 (Mangel der Forderung) die Voraussetzungen von 892 in Bezug auf die Forderung (und nicht auf die Hyp.) vorliegen müssen. Also , neben anderen, muss Gutgläubigkeit in Bezug auf das Bestehen der Forderung bestehen. Im Falle eines
Doppelmangels müsste man dann 892 einmal in Bezug auf Forderung und einmal in Bezug auf Hyp prüfen. Was haltet ihr davon?
Fabian
6.10.2023, 16:16:36
Warum richtet sich der Erwerb vorliegend nicht zudem noch nach 892 hinsichtlich der Hypothek. Wegen der ex tunc Wirkung der Anfechtung ist doch sowohl Forderung als auch Hypothek nie entstanden, sodass die Voraussetzungen des 892 auch hinsichtlich der Hypothek geprüft werden müssen
Leo Lee
7.10.2023, 12:53:14
Hallo Fabian, du hast natürlich völlig recht, dass § 892 BGB eigentlich immer miterwähnt werden müsste. Da jedoch der Fokus im hiesigen Fall ganz klar bei
§ 1138 BGBlag, haben wir den § 892 BGB nur „am Rande“ im Aufgabentext der vorletzten Aufgabe mitzitiert. Wir bitten insofern der Einfachheit halber um Nachsicht :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo
ajboby90
8.5.2024, 18:10:02
Warum wird im Schema zur Übertragung der Forderung nicht auf die Form eingegangen? 1154 III verweist auf 873 -> GB-Eintrag notwendig.
CR7
11.5.2024, 16:47:29
Hab ich mich auch gefragt, ist aber wohl nicht Schwerpunkt der Aufgabe...
In dubio pro let
9.7.2024, 13:41:42
Mal eine vielleicht dämliche Grundsatzfrage, aber was ist letztendlich die Folge des Erwerbs einer forderungsentkleideten Hypothek? Es besteht ja keine Forderung mehr, aufgrund dessen sich der
Zessionaraus dem Grundstück befriedigen könnte. Was hat der
Zessionardann noch von dem Erwerb der „Hypothek“?
ajboby90
13.7.2024, 15:06:09
Er müsste allein aus der Hypothek ins Grundstück vollstrecken können.
Bioshock Energy
26.7.2024, 15:20:30
Das ist eine sehr gute Frage @Lil Cha, das würde mich auch sehr Interessieren.
Ala
27.7.2024, 10:09:14
Mich auch! 😊
CR7
6.8.2024, 22:58:33
Ja und wie Ala schon richtig gesagt hat, kommt dazu noch § 1160 BGB in Betracht sowie §§ 1167, 1
144 BGBund ggf. § 813 BGB wie Maurer in seinem Aufsatz erörtert (Jura 2021, 375f.)
BrSa
1.9.2024, 10:35:21
Die forderungsentkleidete Hypothek ist eine Grundschuld - nach einer Ansicht :) Jörg Maurer, Die „forderungsentkleidete“ Hypothek ist eine Grundschuld in: JURA – Juristische Ausbildung 2021, 369
ajboby90
1.9.2024, 19:40:29
@[Ala](241758), ich verstehe das mit § 816 nicht, kannst du eventuell erläutern?
Kaiser Franz
6.9.2024, 16:15:15
816 abs. 1 s. 1 dann aber analog oder? Schließlich wird der Übergang der Forderung nur fingiert. Eine wirksame Verfügung liegt ja nicht vor. @[ajboby90](222400) unabhängig davon, ob direkt oder analog, kann der Grundstückseigentümer dann Erlösherausgabe vom Zedenten verlangen.
ajboby90
10.9.2024, 11:38:32
@[Ala](241758) @[Kaiser Franz](227088) ich verstehe nicht wer die beteiligten Personen sind und wer da von wem was verlangen können sollte, kann mir das jmd nochmal ausführlicher erklären? Ich stehe leider echt auf dem Schlauch warum hier 816 zur Anwendung kommen sollte.
Kaiser Franz
10.9.2024, 19:47:17
@[ajboby90](222400) Anspruch des S gegen den G aus 816. Die Verfügung, also die fingierte Foderungsübertragung und damit die Übertragung der Hypothek ist ja wirksam. Der G muss dem K dann das herausgeben, was er von K erlangt hat (bspw. Den Kaufpreis).
ajboby90
10.9.2024, 19:54:35
@[Kaiser Franz](227088) Schuldner und Gläubiger wovon - der Hypothek?
Tobias Krapp
11.9.2024, 01:24:32
Ein Hallo in die Runde! @[VwR-Hater](206439) @[ajboby90](222400) @[Bioshock Energy](207759) @[Ala](241758) @[CR7](145419) @[BrSa](222308) @[Kaiser Franz](227088) Ihr habt hier schon viele relevante Punkte zusammengetragen. Ich möchte das nochmal zur Übersicht und zum Verständnis alles zusammpuzzlen: Nach §
1147 BGBhat der Inhaber einer Hypothek gegen den Eigentümer des Grundstücks einen Anspruch auf
Duldungder Zwangsvollstreckung. Voraussetzung ist insoweit nur das Bestehen einer Hypothek. Ob der Inhaber der Hypothek auch die Forderung innehat oder nicht, ist für §
1147 BGBegal. Daher hat auch bei einer forderungsentkleideten Hypothek der
Zessionarals Inhaber der Hypothek den Anspruch aus §
1147 BGB. Die Forderung (regelmäßig § 488 I S. 2 BGB) kann der
Zessionardagegen nicht geltend machen, da er diese, wie in der Aufgabe gezeigt, gerade nicht erworben hat (daher ja auch "forderungsentkleidete" Hypothek). Also: §§ 488 I S. 2, 398, 1154 BGB (-), §
1147 BGB(+). Zu den in eurer Diskussion aufgekommenen Regressansprüchen: Der Eigentümer des Grundstücks hat gegen den Zedenten eine ganze Batterie an möglichen Ansprüchen: 1. §§ 241 II,
280 BGB2. §§ 687 II,
678 BGB3. §§ 687 II, 681 S. 2,
667 BGB4. § 823 I BGB 5. § 816 I BGB Beispielhaft für unseren Fall in der Aufgabe hier: S ist Schuldner der Forderung und Eigentümer des Grundstücks, G ist Gläubiger der Forderung und Zedent, X ist
Zessionar. 1. §§ 241 II,
280 BGB(+): Es liegt ein Schuldverhältnis in Form eines Sicherungsvertrags zwischen S und G vor. Die Anfechtung des Darlehensvertrags hat darauf keine Auswirkung, da der Sicherungsvertrag als Rechtsgeschäft selbstständig neben den Darlehensvertrag tritt (vgl. BGH, Urteil vom 27.2.2018 – XI ZR 224/17 Rn. 17). Zwar führt bei der Hypothek anders als bei der Grundschuld der akzessorische Charakter dazu, dass bei Nichtigkeit der Forderung nie dem Gläubiger eine Hypothek zustand; es liegt vielmehr nach §§ 1163 S. 1, 1177 I S. 1 BGB eine
Eigentümergrundschuldvor (dazu https://applink.jurafuchs.de/kM4NCkYLMMb und https://applink.jurafuchs.de/dxnawMWLMMb). Dem Sicherungsvertrag entspringen aber immer noch Rücksichtnahme-, Schutz- und Treuepflichten. Mit einer Übertragung einer in Wirklichkeit gar nicht bestehenden Sicherheit an einen Dritten verletzt der Sicherungsnehmer diese Pflichten. Pflichtverletzung (+), Vertretenmüssen ebenfalls. Zum Schaden: Aufgrund der
Differenzhypothese, § 249 I BGB, ist zeitlich zu unterscheiden: Ist die Zwangsvollstreckung noch nicht erfolgt, hat S gegen G einen Anspruch auf Freistellung (S ist analog § 1
142 BGBzur Abwendung der Zwangsvollstreckung zur Befriedigung des X berechtigt; davon muss G den S auf Verlangen freistellen). Ist die Zwangsvollstreckung schon erfolgt, ist der gesamte Schaden zu ersetzen, der durch sie entstanden ist. 2. §§ 687 II,
678 BGB(+/-): S war Inhaber des Grundpfandrechts, nicht G, dies wusste G auch. Man kann hier aber einwenden, dass S gar nicht Inhaber einer "Hypothek" war, sondern einer
Eigentümergrundschuld, also G ein Geschäft bezüglich eines anderen Rechts führte. Dem lässt sich entgegensetzen, dass Gegenstand des Geschäfts genau die Hypothek ist, die S und G eigentlich zum Entstehen bringen wollten, die aber dem S als
Eigentümergrundschuldzustand, s.o. Der Bezugspunkt ist also dasselbe Grundpfandrecht und nicht ein zweites, neben der
Eigentümergrundschuldbestehendes Recht. Wenn man dies so sieht und konsequent weiterdenkt, dann besteht zwischen der
Eigentümergrundschuldund dem vom gutgläubigen
Zessionarerworbenen Recht auch kein Rangverhältnis (§§ 10 I Nr. 4, 11 I ZVG, 879 BGB): Es ist dasselbe Recht, dessen Inhaber nur gewechselt hat. Manche Autoren wollen daher sogar so weit gehen, dass die forderungsentkleidete Hypothek in Wirklichkeit eine Grundschuld ist (zB wie @[CR7](145419) und @[BrSa](222308) schon zitiert haben Maurer, Jura 2021, 369-377). Unabhängig von dieser dogmatischen Frage könnte man aber mit der obigen Argumentation jedenfalls eine
angemaßte Eigengeschäftsführungannehmen; zum Schaden s.o. Versteht man dies aber enger und unterscheidet strikter zwischen Hypothek und
Eigentümergrundschuld, wäre die Führung eines fremden Geschäfts abzulehnen. Man könnte dann noch überlegen, ob nicht schlicht das Entstehen-lassen einer Hypothek an einem fremden Grundstück ein fremdes Geschäft ist. Auch hier käme es aber wieder darauf an, wie weit man dies versteht, denn das geführte Geschäft war keine Bestellung einer Hypothek, sondern nur eine Übertragung einer nicht existenten Forderung, infolgedessen die Hypothek entstand; ein solches Geschäft ist zwar eine dem Eigentümer gegenüber wirksame Verfügung, stünde aber auch ihm so nicht zu. 3. Für §§ 687 II, 681 S. 2,
667 BGB(+/-) gilt tatbestandlich dasselbe, auch hier kann man sich also dafür oder dagegen entscheiden. Rechtsfolge wäre hier aber "nur" Erlösherausgabe, also das, was G von X für die Übertragung der Hypothek erlangt hat. 4. § 823 I BGB (+): Wenn man nicht strikt zwischen Hypothek und
Eigentümergrundschuldunterscheidet kann man auf das Grundpfandrecht als
sonstiges Rechtabstellen, das entzogen wurde; sonst auf das Eigentum, das durch die Hypothek belastet wird. 5. § 816 I BGB (+): Versteht man die forderungsentkleidete Hypothek als Grundschuld, liegt eine Verfügung in Form der Übertragung eines bestehenden Rechts des S vor. Unterscheidet man strikt, liegt eine Verfügung in Form der Belastung des Eigentums des S vor. Auf den fingierten Forderungsübergang muss man daher mE nach für die Verfügung nicht abstellen @[Kaiser Franz](227088), das ist dann nur inzident für die Wirksamkeit relevant. Die Verfügung ist dann auch, eben wegen
§ 1138 BGB, wie in der Aufgabe geprüft wirksam. G war auch Nichtberechtigter. Folge wäre dann wiederum Erlösherausgabe (nach hM nicht der Wert des Gegenstands, sondern das, was X dem G gezahlt hat). Die von @[CR7](145419) erwähnten §§ 1144, 1160, 1161 und § 813 BGB werden in einer besonderen Fallkonstellation relevant: Wenn die vermeintlich abgetretene Forderung nach wie vor besteht, aber einem Dritten zusteht. Hier besteht für den Schuldner die Gefahr, doppelt in Anspruch genommen zu werden: Vom
Zessionar, der eine forderungsentkleidete Hypothek erwerben würde, nach §
1147 BGBund vom Dritten, der Inhaber der Forderung ist, nach der rechtsgeschäftlichen AGL, regelmäßig § 488 I S. 2 BGB. Daher wird in diesem Fall (aber auch NUR in diesem Fall!) diskutiert, ob der gutgläubige
Zessionarnicht ausnahmsweise auch die Forderung erwerben soll (Einheits- bzw.
Mitreißtheorie), damit Hypothek und Forderung wieder in einer Hand sind. Hierzu näher: https://applink.jurafuchs.de/5kZwcNkYMMb. §§ 1144, 1160, 1161 und § 813 BGB sind ein Argument gegen die Einheitstheorie und für eine Trennung (Trennungstheorie): Ist der Eigentümer zugleich Schuldner der Forderung, ist er dadurch geschützt, dass er auf die Forderung nur zu leisten braucht, wenn ihm auch die Hypothek bzw. der
Hypothekenbriefzurückgegeben wird, vgl. § 1
144 BGBbzw. §§ 1161, 1160 BGB. Das ist bei einem Auseinanderfallen von Forderungsgläubiger und Hypothekengläubiger nicht möglich, sodass faktisch gegen die Inanspruchnahme aus der Forderung eine dauernde Einrede besteht. Hat der Eigentümer, der zugleich Schuldner ist, schon an den Forderungsgläubiger geleistet, kann er das Geleistete dann nach § 813 I S. 1 BGB zurückfordern. Das sei, so die Vertreter der Trennungstheorie, ausreichender Schutz. Eine Menge Text und schwere Kost! Wer das alles durchgelesen und verstanden hat, ist im Verständnis aber ein gutes Stück weiter. Viele Grüße - für das Jurafuchsteam - Tobias
Ala
11.9.2024, 08:17:34
Stark, danke für die Übersicht @[Tobias Krapp](259492) !