Öffentliches Recht

Europarecht

Arbeitnehmerfreizügigkeit, Art. 45 AEUV

Arbeitnehmerfreizügigkeit, Art. 45 AEUV („Erzberger")

Arbeitnehmerfreizügigkeit, Art. 45 AEUV („Erzberger")

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

E war zunächst beim Konzern O in Deutschland angestellt und wechselte dann zu einer Tochtergesellschaft nach Bulgarien. E möchte sich gegen die Zusammensetzung des Aufsichsrats wenden. Nach dem MitbestG haben aber nur im Inland angestellte Arbeitnehmer ein Mandat im Aufsichtsrat.

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Einordnung des Falls

Arbeitnehmerfreizügigkeit, Art. 45 AEUV („Erzberger")

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der gegenständliche Anwendungsbereich der Arbeitnehmerfreizügigkeit ist vorliegend eröffnet.

Genau, so ist das!

Die Arbeitnehmerfreizügigkeit ist nur auf Sachverhalte anwendbar, die über die Grenzen eines Mitgliedstaats hinausweisen. Ein grenzüberschreitender Sachverhalt ist jedenfalls dann gegeben, wenn sich ein Angehöriger eines Mitgliedstaats in einen anderen Mitgliedstaat begibt, um dort einer Tätigkeit im Sinne des Art. 45 AEUV nachzugehen. E, die innerhalb des Konzerns O von einem Arbeitsplatz in Deutschland nach Bulgarien wechselt, erfüllen das Kriterium des grenzüberschreitenden Bezugs. Anders ist dies bei Arbeitnehmern, die ihre Freizügigkeit nie gebraucht haben, sondern direkt bei einer Tochtergesellschaft im Ausland angestellt wurden. Dass die Muttergesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat sitzt ist insoweit ohne Bedeutung.
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2. Es handelt sich bei der nationalen Regelung im MitbestG um eine offene oder versteckte Diskriminierung.

Nein, das trifft nicht zu!

Eine offene Diskriminierung ist dann gegeben, wenn die Ungleichbehandlung auf dem Differenzierungskriterium der Staatsangehörigkeit beruht. Eine versteckte Diskriminierung liegt vor, wenn die Ungleichbehandlung an ein anderes Differenzierungskriterium als die Staatsangehörigkeit geknüpft wird, durch die versteckt diskriminierende Maßnahme ausländische Arbeitnehmer jedoch typischerweise stärker und häufiger betroffen werden als inländische Arbeitnehmer. Der Verlust des Mandats knüpft als Differenzierungskriterium nicht an die Staatsangehörigkeit, sondern an den Beschäftigungsort an. Ausländische Arbeitnehmer lassen sich typischerweise nicht häufiger in Tochterunternehmen im Ausland versetzen als inländische Arbeitnehmer. Es ist daher weder eine offene noch eine versteckte Diskriminierung gegeben.

3. Die nationale Regelung stellt allerdings eine unterschiedslose Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit dar.

Nein!

Nach der sog. Bosman-Formelstellen alle Maßnahmen, die den Arbeitnehmer daran hindern, ihn davon abhalten oder es für ihn weniger attraktiv machen, sein Herkunftsland zu verlassen (und damit Freizügigkeitsrecht wahrzunehmen) Beschränkungen der Arbeitnehmerfreizügigkeit dar. Die Arbeitnehmerfreizügigkeit garantiert Arbeitnehmern nicht, dass die Versetzung in einen anderen Mitgliedstaat in Hinblick auf soziale Bedingungen neutral ist. Aus Art. 45 AEUV können Arbeitnehmer nicht das Recht ableiten sich in einem anderen Mitgliedstaat auf die Arbeitsbedingungen zu berufen, die ihnen zuvor zustanden. In dem Verlust des Mandats des E im Aufsichtsrat ist daher kein hindern, abhalten oder weniger attraktiv machen der Freizügigkeitsrechte zu sehen. Die Regelung im MitbestG stellt daher nach Auffassung des EuGH keine Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit dar.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

CH

Christopher

14.4.2023, 10:26:48

Ich verstehe nicht genau den Unterschied zu der versteckten Diskriminierung mit dem Wohnsitz. Hier ist doch auch wieder eine unterschiedliche Behandlung deswegen. Der Aufsichtsrat und seine Mitbestimmung ist doch nicht auf soziale Themen beschränkt . Könnt ihr das nochmal erläutern?

ASA

asanzseg

29.4.2023, 11:45:50

@[Christopher](18675) HI! Ich war ebenfalls nach dem Sachverhalt und der Fragestellung etwas verwirrt und habe mir den Fall genauer angesehen. Ich hoffe dass ich dir mit einer kleinen Zusammenfassung helfen kann. Es ging bei dem vorgelegten Fall um 2 Fragen die dem EuGH vorgelegt wurden: 1. Ging es um die Frage ob es sich um eine im Schutzbereich des

Art. 45 AEUV

fallenden Sachverhalt handelt, wenn eine Tochtergesellschaft bestimmte Arbeitnehmerschutzrechte (hier MitbestR im Betriebsrat) aufgrund von (nationalen Vorschriften) nicht besitzt, die Muttergesellschaft in einem anderen Staat schon. Hier hat der EuGH schon den Anwendungsbereich der Arbeitnehmerfreizügigkeit verneint. Zusammenfassend sagt er, es liege schon gar keine persönliche Eröffnung des Anwendungsbereichs der Arbeitnehmerfreizügigkeit vor, weil keine Merkmale der Staatsangehörigkeit in diesem Sachverhalt vorlägen, die in Verbindung mit dem Sachverhalt und der geltend gemachten Benachteiligung der Rechte einhergingen. 2. Dann ging es um die Frage ob diejenigen die in ihrem Herkunftsland (hier D) aufgrund nat. Gesetze bestimmte Arbeitnehmerschutzrechte hatten (MitbestG) in einer Muttergesellschaft haben, sie ihre Arbeitsstelle in ein anderes EU Land antreten dessen Tochtergesellschaft sie ist, und diese Rechte nicht mehr haben, weil die Tochtergesellschaft dem dort nationalen Arbeitnehmerschutzbestimmungen unterliegt, die eben keine Mitbestimmung im Betriebsrat vorsehen, eine offene, verdeckte, oder unterschiedslose Behandlung vorliegt. Hier hat der EuGH erstmal den persönlich, sachlichen und räumlichen Anwendungsbereich eröffnet, weil ein Deutscher in Bulgarien geklagt hat, bei der Beeinträchtigung hat es aber keine offene, verdeckte noch unterschiedslose Behandlung festgestellt. Der (deutsche) Arbeitnehmer der in Bulgarien nicht die gleichen Arbeitnehmerschutzrechte wie in Deutschland hat, kann sich nicht auf die Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit berufen, weil es mit einer Versetzung in ein anderes Land und der ANstellung bei einer Tochtergesellschaft miteinhergeht, dass die dort geltenden Arbeitnehmerrechte für alle Arbeitnehmer gelten, unabhängig der Staatsangehörigkeit oder sonstiger Merkmale. Im Vergleich wäre dieser Fall wohl anders entschieden worden, (ich füge es hier vorsichtshalber hinzu weil dieser Fall durchaus anders interpretiert werden konnte aufgrund des knappen Sachverhaltsangaben), wenn die Arbeitnehmerschutzbestimmungen in Bulgarien, nur für Bulgarische Staatsangehörige gelten würden. D.h. Der deutsche der eine neue Arbeitsstelle in Bulgarien antritt, sich nicht auf die dort (Arbeitnehmerschutzbestimmungen berufen könnte, weil er zwar in Bulgarien ansässig ist, aber nicht die Bulgarische Staatsangehörigkeit hat. Das wäre dann wiederum eine

offene Diskriminierung

.

Nico

Nico

21.7.2023, 09:32:13

Ein paar (penible) Korrekturvorschläge: 1) Typo beim Sachverhalt: Aufsich(t)srat 2) Subsumtion der ersten Frage ist sprachlich/grammatikalisch missglückt. Beim letzten Satz der Vertiefung dürfte ein Komma fehlen. 3) Am Ende fehlt ein Leerzeichen zwischen Bosman-Formel und stellen Liebe Grüße


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