Statthafter Rechtsbehelf bei Vollstreckungsvertrag


+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

S und G schließen einen Vertrag, in dem sie sich verpflichteten, die Zwangsvollstreckung nicht in Gesellschaftsanteile der jeweils anderen Partei zu betreiben. Wegen einer offenen Geldforderung gegen S pfändet G dennoch den Anteil des S an einer GbR, die mit Sportwagen handelt. S möchte sich gegen die Pfändung wehren.

Einordnung des Falls

Statthafter Rechtsbehelf bei Vollstreckungsvertrag

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Zwangsvollstreckung richtet sich nach §§ 802a ff. ZPO.

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Ja, in der Tat!

Die maßgebliche Einstiegsfrage in der Zwangsvollstreckung lautet: Wegen was und in was erfolgt die Zwangsvollstreckung? Bei Vollstreckung wegen Geldforderungen sind die §§ 802a ff. ZPO anwendbar, bei Vollstreckung wegen anderer Forderungen richtet sich die Zwangsvollstreckung nach §§ 883ff. ZPO.Hier geht es um die Vollstreckung wegen einer Geldforderung. Innerhalb der §§ 802a-882h ZPO ist entscheidend, dass in ein vermögenswertes Recht vollstreckt wird. Damit sind §§ 828-863 ZPO anwendbar. Die Pfändung von Gesamthandsanteilen ist in § 859 ZPO geregelt.

2. G kann den Anteil des S an einem Porsche pfänden, den die GbR unlängst erworben hat.

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Nein!

Gemäß § 859 ZPO kann nur der Anteil eines Gesellschafters an dem Gesellschaftsvermögen, also dem Gesamthandsvermögen gepfändet werden. § 859 Abs. 1 S. 2 ZPO stellt aber ausdrücklich klar, dass der Anteil des Gesellschafters an den einzelnen zum Gesellschaftsvermögen gehörenden Gegenständen der Pfändung nicht unterworfen ist.Diese Regelung in § 859 Abs. 1 S. 2 ZPO ist eine Ausprägung der Zuweisung des Eigentums zur gesamten Hand der Gesellschafter.

3. Infolge der Pfändung kann G ausschließlich den Gewinnanteil des S beanspruchen.

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Nein, das ist nicht der Fall!

Die Rechte des Gläubigers nach Pfändung und Überweisung des Anteils sind in § 725 BGB geregelt. Nach dessen Absatz 2 kann der Gläubiger zwar den Gewinnanteil geltend machen, er kann aber auch gemäß § 725 Abs. 1 BGB die Gesellschaft ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen. Dann kann er die Auszahlung des vertragsmäßigen Abfindungsanspruchs verlangen (Schöne, in: BeckOK BGB, 48. Ed., § 725 RdNr. 14).

4. Durch Vollstreckungsverträge (wie hier) können die Parteien die Zwangsvollstreckung im Rahmen der Privatautonomie komplett frei gestalten.

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Nein, das trifft nicht zu!

Das Zwangsvollstreckungsrecht enthält zwingende Regelungen zum Schutz des Schuldners, etwa § 811 ZPO. Daher kann zu Lasten des Schuldners nicht von diesen Regeln abgewichen werden. Auch Vereinbarungen über die Art der Zwangsvollstreckung und ihre Voraussetzungen sind zwingend, die Vorschriften sind nicht dispositiv (Lackmann, in: Musielak/Voit ZPO, § Vorb. § 704, RdNr. 17). Der Gläubiger kann hingegen durch Parteivereinbarung auf Rechte der Zwangsvollstreckung verzichten (etwa späterer Beginn der Vollstreckung, Ausschluss der Vollstreckung in einen Gegenstand etc.).

5. Statthafter Rechtsbehelf wegen eines Verstoßes gegen einen Vollstreckungsvertrag ist die Vollstreckungserinnerung, § 766 ZPO.

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Nein!

Die Vollstreckungserinnerung ermöglicht eine Überprüfung der formellen Vollstreckungsvoraussetzungen. § 766 ZPO spricht daher von Einwendungen, welche die Art und Weise der Zwangsvollstreckung oder das Verfahren betreffen. Es geht um Voraussetzungen, die vom Vollstreckungsorgan einfach im formalisierten Vollstreckungsverfahren überprüft werden können.Wegen der eingeschränkten Prüfungskompetenz der Vollstreckungsorgane im Vollstreckungsverfahren passt § 766 ZPO bei Vollstreckungsverträgen nicht, weil diese vielgestaltig und komplex sein können und sich daher einer Prüfung durch das Vollstreckungsorgan entziehen (BGH, RdNr. 38).

6. Für das Vorgehen des S gegen die Zwangsvollstreckung ist die Vollstreckungsgegenklage (auch: Vollstreckungsabwehrklage, § 767 Abs. 1 ZPO) statthaft.

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Genau, so ist das!

Unmittelbar ist der Anwendungsbereich des § 767 Abs. 1 ZPO nicht eröffnet, weil der Vollstreckungsvertrag keine den Einspruch betreffende Einwendung darstellt. Weil die Vollstreckungserinnerung aber nicht statthaft ist, liegt eine planwidrige Regelungslücke vor. Auch eine vergleichbare Interessenlage besteht, weil im Verfahren nach § 767 ZPO eine vollumfängliche Sachprüfung erfolgen kann. Die Zwangsvollstreckung kann dann in bestimmte Gegenstände für unzulässig erklärt werden, soweit der Vollstreckungsvertrag wirksam ist (BGH, RdNr. 44f.).

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GE

gelöscht

5.8.2020, 06:52:59

Hallo liebes Jurafuchs-Team. Müsste es in der Antwort auf die 1. Frage nicht eigentlich § 802 a und nicht § 802 ZPO heißen 🤔? Ich hab da nämlich "falsch" angeklickt und lag "falsch"😕

Eigentum verpflichtet 🏔️

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15.10.2020, 14:22:04

Hallo Marcus, du hast Recht, der Abschnitt "Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen" beginnt erst bei § 802a ZPO. Haben wir korrigiert!

DA

Daniel

15.10.2020, 13:02:35

Mir scheint, dass in einer Antworterklärung „Schuldner“ und „Gläubiger“ vertauscht sind.

Eigentum verpflichtet 🏔️

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15.10.2020, 14:20:40

Hallo Daniel, danke für den Hinweis! Das stimmt, natürlich ist bspw. § 811 ZPO eine Schuldnerschutzvorschrift. Wir haben den Fall überarbeitet :)


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