ZVR / richterliche Vernehmung / qualifizierte Belehrung
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Die angeklagte Anwältin A hat den Senior-Partner P getötet. Ihr Ehemann E belastet sie im Ermittlungsverfahren in einer Zeugenvernehmung vor dem Ermittlungsrichter R schwer, trotz Belehrung über sein Zeugnisverweigerungsrecht (§ 52 Abs. 1 Nr. 2 StPO). In der Hauptverhandlung macht E von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch.
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Einordnung des Falls
ZVR / richterliche Vernehmung / qualifizierte Belehrung
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Das Vernehmungsprotokoll darf grundsätzlich in der Hauptverhandlung verlesen werden.
Nein!
Jurastudium und Referendariat.
2. Das Vernehmungsprotokoll darf hier aber wegen § 251 StPO verlesen werden.
Nein, das ist nicht der Fall!
3. R könnte grundsätzlich als Zeuge vom Hörensagen vernommen werden.
Ja, in der Tat!
4. Für eine Vernehmung des R müssen keine weiteren Voraussetzungen erfüllt sein.
Nein!
5. E muss aber damals von R darüber belehrt worden sein, dass seine Aussage trotz Zeugnisverweigerungsrecht verwertbar bleiben wird.
Nein, das ist nicht der Fall!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Anastasija
19.1.2024, 15:27:38
Aber ist es nicht nach neuester Rspr (NStZ 2014, 596) so, dass der Zeuge bei der richterlichen Vernehmung qualifiziert belehrt werden müsste, sodass „seine Bekundungen ungeachtet seines späteren Aussageverhaltens in Durchbrechung eines möglichen Verwertungsverbots nach §
252 StPOgegen den Angeklagten verwertet werden können“ ??
Leo Lee
20.1.2024, 14:28:40
Hallo Anastasija, vielen Dank für diese sehr gute und wichtige Frage! Zutreffend ist zunächst – wie du völlig richtig anmerkst – dass in der von dir benannten Entscheidung der Senat der Meinung war, auch bei einem Ermittlungsrichter müsse qualifiziert belehrt werden. Allerdings hielt der Senat immer noch an dieser Ausnahme fest und lag den anderen Senaten „lediglich“ einen Anfragebeschluss vor (d.h. dieser Senat fragte, ob die anderen Senate „Lust“ hätten, die bisherige Rechtsprechung aufzugeben). Am 15.07.2016 – GSst 1/16 teilte jedoch kein Senat die Auffassung des 2. Senats (der diese Frage vorlegte), weshalb es bei dem bisherigen Stand (Ermittlungsrichter müssen nur einfach bel
ehren) verbleibt. Hierzu kann ich ii.Ü. die Lektüre der Entscheidung des Monats – Alpmann Schmidt Rechtsprechungsübersicht – sehr empfehlen; dort wurde das sehr verständlich dargestellt (der Zugang ist kostenlos und findest du unter: https://blog.alpmann-schmidt.de/wp-content/uploads/2016/12/Entscheidung-des-Monats-Januar-Keine-qualifizierte-Belehrung-vor-richterlicher-Vernehmung.pdf) :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo
Anastasija
20.1.2024, 14:40:10
Vielen Dank Leo für die Klarstellung! Bei uns in der VL werden nämlich beide Ansichten dargestellt, wobei die mit der einfacheren Belehrung als „veraltet“ gekennzeichnet ist. Deswegen war ich etwas verwirrt.
Anastasija
20.1.2024, 14:42:02
Und noch gleich eine Frage hinterher: Gibt es zu diesem Problem keine neue Rechtsprechung? Ich finde 2014/2015/2016 schon etwas „veraltet“…
Anastasija
20.1.2024, 14:47:24
*2000/2014