Zivilrecht

Schuldrecht Allgemeiner Teil

Rücktritt

Unerhebliche Schlechtleistung – 323 Abs. 5 S. 2 BGB

Unerhebliche Schlechtleistung – 323 Abs. 5 S. 2 BGB

4. Juli 2025

17 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

K hat bei V für €10.000 ein klappbares Tandem gekauft. Nach Übergabe zeigt sich, dass es sich nicht klappen lässt. V reagiert nicht auf Ks Bitte um unverzügliche Nacherfüllung. Eine externe Reparatur würde €900 kosten. K möchte aber lieber ihr Geld zurück.

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Einordnung des Falls

Unerhebliche Schlechtleistung – 323 Abs. 5 S. 2 BGB

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. K kann nach § 346 Abs. 1 BGB den Kaufpreis zurückverlangen, wenn sie wirksam den Rücktritt ausgeübt hat.

Genau, so ist das!

Durch den wirksamen Rücktritt wird der ursprüngliche Vertrag in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt und die Parteien müssen die jeweils empfangenen Leistungen und Nutzungen zurückgewähren (§ 346 Abs. 1 BGB). Ein wirksamer Rücktritt setzt (1) eine Rücktrittserklärung und (2) einen Rücktrittsgrund voraus. (3) Zudem darf der Rücktritt nicht ausgeschlossen sein. Achte darauf, dass bei Rückgewähransprüchen die Rechtsfolge aus §§ 346 ff. BGB resultiert. Diese sind als Anspruchsgrundlage im Obersatz zu zitieren.
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2. Sofern die Voraussetzungen des §§ 437 Nr. 2, 323 Abs. 1 BGB vorliegen, steht K ein gesetzliches Rücktrittsrecht zu.

Ja, in der Tat!

Das Rücktrittsrecht nach §§ 437 Nr. 2, 323 Abs. 1 BGB setzt voraus: (1) Kaufvertrag, (2) Mangel und (3) erfolglose Fristsetzung (§ 323 Abs. 1-3 BGB).Da man bei der Anwendbarkeit des Kaufmängelgewährleistungsrechts bereits die Punkte gegenseitiger Vertrag (=Kaufvertrag) und nicht ordnungsgemäße Leistung (=Mangel) prüft, muss man diese nicht noch einmal wiederholen.

3. K hat V nach der Rechtsprechung eine angemessene Nachfrist gesetzt.

Ja!

Auf die Benennung eines konkreten Zeitraumes kommt es nach der Rechtsprechung nicht an. Eine solche Pflicht ergebe sich nicht aus dem Wortlaut. Zudem werde der Zweck bereits durch die Aufforderung, innerhalb „angemessener Frist”, „unverzüglich” oder „umgehend” zu leisten, hinreichend erfüllt, da hierdurch der Zeitraum zumindest bestimmbar sei.Indem K die Nacherfüllung verlangte, hat sie eine hinreichende Nachfrist gesetzt.Für den Verbrauchsgüterkauf ergibt sich das neuerdings aus § 475d Abs. 1 Nr. 1 BGB nF. Bei Verbrauchern genügt es, wenn eine angemessene Frist abgelaufen ist - ohne dass es noch auf eine Fristsetzung ankommt.

4. Sofern die geschuldete Leistung nicht ordnungsgemäß erbracht wird, kann der Gläubiger stets zurücktreten.

Nein, das ist nicht der Fall!

Ist die Schlechtleistung des Schuldner lediglich unerheblich, so ist dem Gläubiger ausnahmsweise der Rücktritt versagt (§ 323 Abs. 5 S. 2 BGB). Die Erheblichkeit ist unter Abwägung der beiderseitigen Interessen festzustellen. Bei Kaufsachen geht der BGH bei behebbaren Mängeln jedenfalls dann von einem Mangel aus, wenn der Beseitigungsaufwand 5% des Kaufpreises übersteigt. Auf die konkrete Funktionsbeeinträchtigung kommt es dann nicht an.Lerne in Zusammenhängen! Die Erheblichkeitsschwelle kennst Du schon vom Schadensersatz (§ 281 Abs. 1 S. 3 BGB).

5. K ist der Rücktritt versagt, da der Mangel unerheblich ist.

Nein, das trifft nicht zu!

Ist die Schlechtleistung des Schuldner unerheblich, so ist dem Gläubiger ausnahmsweise der Rücktritt versagt (§ 323 Abs. 5 S. 2 BGB). Die Erheblichkeit ist unter Abwägung der beiderseitigen Interessen festzustellen. Bei Kaufsachen geht der BGH bei behebbaren Mängeln jedenfalls dann von einem Mangel aus, wenn der Beseitigungsaufwand 5% des Kaufpreises übersteigt.Die Reparatur würde €900 (9%) kosten, was mehr als 5% des Kaufpreises (€500) ausmacht. Das Fahrrad hat somit einen erheblichen Mangel. K kann somit zurücktreten und den Kaufpreis verlangen.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

ENU

ehemalige:r Nutzer:in

7.1.2022, 10:56:46

Ich finde es sehr ungünstig, dass nur die neuen Paragraphen des

Kaufrecht

s angegeben sind. Denn aktuell ist das neue

Kaufrecht

noch kein Prüfungsstoff im Examen und auch noch nicht im Habersack...

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

7.1.2022, 17:06:54

Vielen Dank für den Hinweis, L. Unser Anspruch bei Jurafuchs ist es, euch mit Fällen zu versorgen, die der aktuell geltenden Gesetzeslage entsprechen, Deshalb sind wir gerade dabei, unsere Fälle an die seit 1.1.2022 geltenden neuen Regelungen im

Kaufrecht

anzupassen. Da uns bewusst ist, dass sich viele Prüfungsämter noch etwas Zeit für die Umstellung eingeräumt haben, werden wir im Zuge der Umstellung bis zum Sommer auch noch die alte Gesetzesfassung mit angeben. Im vorliegenden Fall ist dies indes nicht möglich. Eine vergleichbare Regelung gab es im bisherigen

Verbrauchsgüterkauf

recht nicht.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

7.1.2022, 17:14:09

Dass dies durchaus problematisch im Hinblick auf Art. 3 Abs. 5

Verbrauchsgüterkauf

richtlinie 1999/44/eg ist, wurde in der Literatur immer wieder bemängelt. Auch der BGH hat diese Problematik gesehen, letztlich jedoch eine

richtlinienkonforme Auslegung

abgelehnt. Denn angesichts der klaren gesetzgeberischen Entscheidung, sowohl im allgemeinen

Kaufrecht

als auch beim

Verbrauchsgüterkauf

eine Frist zu verlangen, bestehe kein Raum für Auslegung (BGH DAR 2020, 687). Diese Problematik ist durch die Novellierung nunmehr entfallen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Vulpes

Vulpes

31.1.2022, 11:14:16

Ich finde es sehr grosszügig in der "Bitte um

Nacherfüllung

" schon eine

Fristsetzung

zu erkennen. Von "unverzüglich" oder "umgehend" (vgl Maßstab) ist da auch keine Rede.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

31.1.2022, 16:10:09

Hallo Vulpes, um Unklarheiten zu vermeiden, haben wir den Sachverhalt noch etwas präzisiert. Die Rechtsprechung war bislang aber in der Tat recht großzügig, wenn es um die Frage ging, wann eine

Fristsetzung

vorliegt. Wie im Vertiefungshinweis ausgeführt ist zukünftig auch zu beachten, dass es bei Verbrauchsgüterkäufen nicht (mehr) auf eine

Fristsetzung

ankommt. Es genügt, dass eine

angemessene Frist

verstrichen ist. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

QUIG

QuiGonTim

25.2.2024, 23:46:58

Liebes Jurafuchs-Team, ist die Erheblichkeit rein objektiv - wie hier im Verhältnis von Kaufpreis und Reparaturkosten - zu bestimmen? Oder kommt es auch auf die subjektiven/konkreten Interessen der konkreten Beteiligten an? Wenn der Käufer beispielsweise während der

Vertragsanbahnung

mehrfach erwähnt hätte, dass es ihm gerade auf die Klappbarkeit des Fahrrades ankäme, weil er es sonst nicht lagern oder transportieren könne.

LELEE

Leo Lee

26.2.2024, 09:16:20

Hallo QuiGonTim, vielen Dank für die sehr gute Frage! Die Antwort hierauf ist typisch-Jura: Es ist in der Tat streitig! Während ein Teil der Literatur (wie der hier gleich zu zitierende MüKo) auf die rein objektive Störung (Ausbleiben der korrekten Erfüllung) abstellt, fordert die Rspr. eine Interessenabwägung. Die Rspr. fordert dabei nicht nur rein objektiv eine Störung, sondern darüber hinaus auch die Berücksichtigung des Mangels und des auf den Mangel bezogenen

Schuld

nerverhaltens (hierbei kommt es wiederum darauf, an ob der Mangel behebbar (dann kommt es darauf an) oder unbehebbar ist (dann i.d.R. erheblich). Somit lautet die Antwort auf deine Frage: Es kommt leider darauf an, wobei man auch die beiden Ansätze vermischen könnte, um einen „Mittelweg“ zu finden (also objektive Grundlage + umfassende Interessenabwägung beider Seiten)! Hierzu kann ich ergänzend die Lektüre von MüKo-BGB 9. Auflage, Ernst

§ 323

Rn. 252 ff. sehr empfehlen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

NEHA

Neha

1.4.2024, 23:54:23

Im Fall wird darauf verwiesen, ob der Mangel hier die

Erheblichkeitsschwelle

überschreitet, allerdings besagt der Wortlaut des

§ 323

V S.2, dass die Pflichtverletzung erheblich sein muss. Das Pflichtenprogramm des V umfasst hier doch mehr als die reine Lieferung einer mangelfreien Sache. Der Erfüllungsanspruch des Leistungsempfängers modifiziert sich mit Lieferung einer mangelfreien Sache in einen

Nacherfüllung

sanspruch. Dadurch, dass V sich hier auf das

Nacherfüllung

sverlangen des K gar nicht zurückmeldet (also quasi Nichtleistet), verletzt er neben der 1. Pflicht, der Pflicht zur mangelfreien Lieferung auch die 2.Pflicht zur

Nacherfüllung

. Hinzu könnte man berücksichtigen, dass V sich überhaupt nicht zurückmeldet und K insgesamt im ungewissen lässt. Wäre hier also die

Erheblichkeitsschwelle

von 5% nicht überschritten, wäre es dann nicht ebenso möglich zurückzutreten, weil ebenso die o.g. Faktoren eine Rolle spielen und nicht alleine auf den Mangel abzustellen ist?

NEHA

Neha

1.4.2024, 23:55:45

LG 😊

BEN

benjaminmeister

16.12.2024, 11:26:46

Das dürfte immer vom konkreten Einzefall abhängen. Für komplett Abwegig würde ich es jedenfalls nicht halten. Auch bei 4% würde ich die Erheblichkeit gerade wegen deiner Argumentation noch bejahen, aber bei 1% ist man doch wieder etwas weit weg von einer Erheblichkeit. Der Käufer hat ja immernoch die Möglichkeit Kaufpreis zu mindern oder kleinen

Schadensersatz statt der Leistung

zu fordern.

CO

cornelius.spans

15.1.2025, 19:07:03

Hi, dem kann ich mich nur anschließen @[benjaminmeister](216712). Aber um noch mal genauer auf die Argumente von @[Neha](165784) einzugehen: Es ist richtig, dass zunächst die Pflicht zur mangelfreien Lieferung besteht und sich diese dann zu einer

Nacherfüllung

spflicht ändert. Das Recht, nach § 437 Nr. 2,

§ 323 BGB

wegen eines Mangels zurücktreten zu können soll aber gerade nicht uneingeschränkt bestehen. Daher bedarf es der Erheblichkeit der Pflichtverletzung. Ist dies nicht erfüllt, bestehen eben nur andere, schon genannte Ansprüche. ME wäre es aber verfehlt zu sagen, die Pflichtverletzung war schon deshalb erheblich, weil der

Schuld

ner erst seine

Leistungspflicht

nicht vertragsgemäß bewirkt hat und dann auch seiner

Nacherfüllung

spflicht nicht nachkommt. Denn dies stellt lediglich den normalen Sachverhalt dar, in dem ein Rücktritt überhaupt möglich ist. Deshalb erfordert der Rücktritt grundsätzlich ja gerade einen erfolglosen Fristablauf. Ob ein Schweigen des

Schuld

ners jetzt schwerwiegender sein soll als eine Versagung der

Nacherfüllung

ist sicherlich argumentationswürdig, würde mich jetzt für sich aber nicht überzeugen, um damit die Erheblichkeit der Pflichtverletzung zu rechtfertigen. Denn dem Gläubiger ist immer klar, dass er mit einer

Nacherfüllung

nicht rechnen kann. Bei derartigen Argumenten könnte man ME auch eher an § 324 BGB denken. Für die Frage der Erheblichkeit der Pflichtverletzung wird bei behebbaren Mängeln auf die Relation aus Behebungskosten zu Kaufpreis abgestellt. Auf eine Relation abzustellen ist insofern nachvollziehbar, da es ja gerade darum geht, ob der Gläubiger vom gesamten Vertrag zurückzutreten darf, obwohl die Leistung nur teilweise nicht vertragsgemäß war.

CLA

Claire

6.6.2025, 16:24:46

Prüft man den

schaden

sersatz nach 280 ff. gar nicht? oder davor oder danach?

STE

Stella2244

25.6.2025, 18:06:33

Es kommt darauf an, was der Anspruchssteller will


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