Unerhebliche Schlechtleistung – 323 Abs. 5 S. 2 BGB
4. Juli 2025
17 Kommentare
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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
K hat bei V für €10.000 ein klappbares Tandem gekauft. Nach Übergabe zeigt sich, dass es sich nicht klappen lässt. V reagiert nicht auf Ks Bitte um unverzügliche Nacherfüllung. Eine externe Reparatur würde €900 kosten. K möchte aber lieber ihr Geld zurück.
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Einordnung des Falls
Unerhebliche Schlechtleistung – 323 Abs. 5 S. 2 BGB
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. K kann nach § 346 Abs. 1 BGB den Kaufpreis zurückverlangen, wenn sie wirksam den Rücktritt ausgeübt hat.
Genau, so ist das!
2. Sofern die Voraussetzungen des §§ 437 Nr. 2, 323 Abs. 1 BGB vorliegen, steht K ein gesetzliches Rücktrittsrecht zu.
Ja, in der Tat!
3. K hat V nach der Rechtsprechung eine angemessene Nachfrist gesetzt.
Ja!
4. Sofern die geschuldete Leistung nicht ordnungsgemäß erbracht wird, kann der Gläubiger stets zurücktreten.
Nein, das ist nicht der Fall!
5. K ist der Rücktritt versagt, da der Mangel unerheblich ist.
Nein, das trifft nicht zu!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
ehemalige:r Nutzer:in
7.1.2022, 10:56:46
Ich finde es sehr ungünstig, dass nur die neuen Paragraphen des
Kaufrechts angegeben sind. Denn aktuell ist das neue
Kaufrechtnoch kein Prüfungsstoff im Examen und auch noch nicht im Habersack...

Lukas_Mengestu
7.1.2022, 17:06:54
Vielen Dank für den Hinweis, L. Unser Anspruch bei Jurafuchs ist es, euch mit Fällen zu versorgen, die der aktuell geltenden Gesetzeslage entsprechen, Deshalb sind wir gerade dabei, unsere Fälle an die seit 1.1.2022 geltenden neuen Regelungen im
Kaufrechtanzupassen. Da uns bewusst ist, dass sich viele Prüfungsämter noch etwas Zeit für die Umstellung eingeräumt haben, werden wir im Zuge der Umstellung bis zum Sommer auch noch die alte Gesetzesfassung mit angeben. Im vorliegenden Fall ist dies indes nicht möglich. Eine vergleichbare Regelung gab es im bisherigen
Verbrauchsgüterkaufrecht nicht.

Lukas_Mengestu
7.1.2022, 17:14:09
Dass dies durchaus problematisch im Hinblick auf Art. 3 Abs. 5
Verbrauchsgüterkaufrichtlinie 1999/44/eg ist, wurde in der Literatur immer wieder bemängelt. Auch der BGH hat diese Problematik gesehen, letztlich jedoch eine
richtlinienkonforme Auslegungabgelehnt. Denn angesichts der klaren gesetzgeberischen Entscheidung, sowohl im allgemeinen
Kaufrechtals auch beim
Verbrauchsgüterkaufeine Frist zu verlangen, bestehe kein Raum für Auslegung (BGH DAR 2020, 687). Diese Problematik ist durch die Novellierung nunmehr entfallen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Vulpes
31.1.2022, 11:14:16
Ich finde es sehr grosszügig in der "Bitte um
Nacherfüllung" schon eine
Fristsetzungzu erkennen. Von "unverzüglich" oder "umgehend" (vgl Maßstab) ist da auch keine Rede.

Lukas_Mengestu
31.1.2022, 16:10:09
Hallo Vulpes, um Unklarheiten zu vermeiden, haben wir den Sachverhalt noch etwas präzisiert. Die Rechtsprechung war bislang aber in der Tat recht großzügig, wenn es um die Frage ging, wann eine
Fristsetzungvorliegt. Wie im Vertiefungshinweis ausgeführt ist zukünftig auch zu beachten, dass es bei Verbrauchsgüterkäufen nicht (mehr) auf eine
Fristsetzungankommt. Es genügt, dass eine
angemessene Fristverstrichen ist. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
QuiGonTim
25.2.2024, 23:46:58
Liebes Jurafuchs-Team, ist die Erheblichkeit rein objektiv - wie hier im Verhältnis von Kaufpreis und Reparaturkosten - zu bestimmen? Oder kommt es auch auf die subjektiven/konkreten Interessen der konkreten Beteiligten an? Wenn der Käufer beispielsweise während der
Vertragsanbahnungmehrfach erwähnt hätte, dass es ihm gerade auf die Klappbarkeit des Fahrrades ankäme, weil er es sonst nicht lagern oder transportieren könne.
Leo Lee
26.2.2024, 09:16:20
Hallo QuiGonTim, vielen Dank für die sehr gute Frage! Die Antwort hierauf ist typisch-Jura: Es ist in der Tat streitig! Während ein Teil der Literatur (wie der hier gleich zu zitierende MüKo) auf die rein objektive Störung (Ausbleiben der korrekten Erfüllung) abstellt, fordert die Rspr. eine Interessenabwägung. Die Rspr. fordert dabei nicht nur rein objektiv eine Störung, sondern darüber hinaus auch die Berücksichtigung des Mangels und des auf den Mangel bezogenen
Schuldnerverhaltens (hierbei kommt es wiederum darauf, an ob der Mangel behebbar (dann kommt es darauf an) oder unbehebbar ist (dann i.d.R. erheblich). Somit lautet die Antwort auf deine Frage: Es kommt leider darauf an, wobei man auch die beiden Ansätze vermischen könnte, um einen „Mittelweg“ zu finden (also objektive Grundlage + umfassende Interessenabwägung beider Seiten)! Hierzu kann ich ergänzend die Lektüre von MüKo-BGB 9. Auflage, Ernst
§ 323Rn. 252 ff. sehr empfehlen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo
Neha
1.4.2024, 23:54:23
Im Fall wird darauf verwiesen, ob der Mangel hier die
Erheblichkeitsschwelleüberschreitet, allerdings besagt der Wortlaut des
§ 323V S.2, dass die Pflichtverletzung erheblich sein muss. Das Pflichtenprogramm des V umfasst hier doch mehr als die reine Lieferung einer mangelfreien Sache. Der Erfüllungsanspruch des Leistungsempfängers modifiziert sich mit Lieferung einer mangelfreien Sache in einen
Nacherfüllungsanspruch. Dadurch, dass V sich hier auf das
Nacherfüllungsverlangen des K gar nicht zurückmeldet (also quasi Nichtleistet), verletzt er neben der 1. Pflicht, der Pflicht zur mangelfreien Lieferung auch die 2.Pflicht zur
Nacherfüllung. Hinzu könnte man berücksichtigen, dass V sich überhaupt nicht zurückmeldet und K insgesamt im ungewissen lässt. Wäre hier also die
Erheblichkeitsschwellevon 5% nicht überschritten, wäre es dann nicht ebenso möglich zurückzutreten, weil ebenso die o.g. Faktoren eine Rolle spielen und nicht alleine auf den Mangel abzustellen ist?
Neha
1.4.2024, 23:55:45
LG 😊
benjaminmeister
16.12.2024, 11:26:46
Das dürfte immer vom konkreten Einzefall abhängen. Für komplett Abwegig würde ich es jedenfalls nicht halten. Auch bei 4% würde ich die Erheblichkeit gerade wegen deiner Argumentation noch bejahen, aber bei 1% ist man doch wieder etwas weit weg von einer Erheblichkeit. Der Käufer hat ja immernoch die Möglichkeit Kaufpreis zu mindern oder kleinen
Schadensersatz statt der Leistungzu fordern.
cornelius.spans
15.1.2025, 19:07:03
Hi, dem kann ich mich nur anschließen @[benjaminmeister](216712). Aber um noch mal genauer auf die Argumente von @[Neha](165784) einzugehen: Es ist richtig, dass zunächst die Pflicht zur mangelfreien Lieferung besteht und sich diese dann zu einer
Nacherfüllungspflicht ändert. Das Recht, nach § 437 Nr. 2,
§ 323 BGBwegen eines Mangels zurücktreten zu können soll aber gerade nicht uneingeschränkt bestehen. Daher bedarf es der Erheblichkeit der Pflichtverletzung. Ist dies nicht erfüllt, bestehen eben nur andere, schon genannte Ansprüche. ME wäre es aber verfehlt zu sagen, die Pflichtverletzung war schon deshalb erheblich, weil der
Schuldner erst seine
Leistungspflichtnicht vertragsgemäß bewirkt hat und dann auch seiner
Nacherfüllungspflicht nicht nachkommt. Denn dies stellt lediglich den normalen Sachverhalt dar, in dem ein Rücktritt überhaupt möglich ist. Deshalb erfordert der Rücktritt grundsätzlich ja gerade einen erfolglosen Fristablauf. Ob ein Schweigen des
Schuldners jetzt schwerwiegender sein soll als eine Versagung der
Nacherfüllungist sicherlich argumentationswürdig, würde mich jetzt für sich aber nicht überzeugen, um damit die Erheblichkeit der Pflichtverletzung zu rechtfertigen. Denn dem Gläubiger ist immer klar, dass er mit einer
Nacherfüllungnicht rechnen kann. Bei derartigen Argumenten könnte man ME auch eher an § 324 BGB denken. Für die Frage der Erheblichkeit der Pflichtverletzung wird bei behebbaren Mängeln auf die Relation aus Behebungskosten zu Kaufpreis abgestellt. Auf eine Relation abzustellen ist insofern nachvollziehbar, da es ja gerade darum geht, ob der Gläubiger vom gesamten Vertrag zurückzutreten darf, obwohl die Leistung nur teilweise nicht vertragsgemäß war.
Claire
6.6.2025, 16:24:46
Stella2244
25.6.2025, 18:06:33
Es kommt darauf an, was der Anspruchssteller will