Zivilrecht

Schuldrecht Allgemeiner Teil

Rücktritt

Unerhebliche Schlechtleistung – 323 Abs. 5 S. 2 BGB

Unerhebliche Schlechtleistung – 323 Abs. 5 S. 2 BGB

22. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

K hat bei V für €10.000 ein klappbares Tandem gekauft. Nach Übergabe zeigt sich, dass es sich nicht klappen lässt. V reagiert nicht auf Ks Bitte um unverzügliche Nacherfüllung. Eine externe Reparatur würde €900 kosten. K möchte aber lieber ihr Geld zurück.

Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

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Einordnung des Falls

Unerhebliche Schlechtleistung – 323 Abs. 5 S. 2 BGB

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. K kann nach § 346 Abs. 1 BGB den Kaufpreis zurückverlangen, wenn sie wirksam den Rücktritt ausgeübt hat.

Genau, so ist das!

Durch den wirksamen Rücktritt wird der ursprüngliche Vertrag in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt und die Parteien müssen die jeweils empfangenen Leistungen und Nutzungen zurückgewähren (§ 346 Abs. 1 BGB). Ein wirksamer Rücktritt setzt (1) eine Rücktrittserklärung und (2) einen Rücktrittsgrund voraus. (3) Zudem darf der Rücktritt nicht ausgeschlossen sein. Achte darauf, dass bei Rückgewähransprüchen die Rechtsfolge aus §§ 346 ff. BGB resultiert. Diese sind als Anspruchsgrundlage im Obersatz zu zitieren.
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2. Sofern die Voraussetzungen des §§ 437 Nr. 2, 323 Abs. 1 BGB vorliegen, steht K ein gesetzliches Rücktrittsrecht zu.

Ja, in der Tat!

Das Rücktrittsrecht nach §§ 437 Nr. 2, 323 Abs. 1 BGB setzt voraus: (1) Kaufvertrag, (2) Mangel und (3) erfolglose Fristsetzung (§ 323 Abs. 1-3 BGB).Da man bei der Anwendbarkeit des Kaufmängelgewährleistungsrechts bereits die Punkte gegenseitiger Vertrag (=Kaufvertrag) und nicht ordnungsgemäße Leistung (=Mangel) prüft, muss man diese nicht noch einmal wiederholen.

3. K hat V nach der Rechtsprechung eine angemessene Nachfrist gesetzt.

Ja!

Auf die Benennung eines konkreten Zeitraumes kommt es nach der Rechtsprechung nicht an. Eine solche Pflicht ergebe sich nicht aus dem Wortlaut. Zudem werde der Zweck bereits durch die Aufforderung, innerhalb „angemessener Frist”, „unverzüglich” oder „umgehend” zu leisten, hinreichend erfüllt, da hierdurch der Zeitraum zumindest bestimmbar sei.Indem K die Nacherfüllung verlangte, hat sie eine hinreichende Nachfrist gesetzt.Für den Verbrauchsgüterkauf ergibt sich das neuerdings aus § 475d Abs. 1 Nr. 1 BGB nF. Bei Verbrauchern genügt es, wenn eine angemessene Frist abgelaufen ist - ohne dass es noch auf eine Fristsetzung ankommt.

4. Sofern die geschuldete Leistung nicht ordnungsgemäß erbracht wird, kann der Gläubiger stets zurücktreten.

Nein, das ist nicht der Fall!

Ist die Schlechtleistung des Schuldner lediglich unerheblich, so ist dem Gläubiger ausnahmsweise der Rücktritt versagt (§ 323 Abs. 5 S. 2 BGB). Die Erheblichkeit ist unter Abwägung der beiderseitigen Interessen festzustellen. Bei Kaufsachen geht der BGH bei behebbaren Mängeln jedenfalls dann von einem Mangel aus, wenn der Beseitigungsaufwand 5% des Kaufpreises übersteigt. Auf die konkrete Funktionsbeeinträchtigung kommt es dann nicht an.Lerne in Zusammenhängen! Die Erheblichkeitsschwelle kennst Du schon vom Schadensersatz (§ 281 Abs. 1 S. 3 BGB).

5. K ist der Rücktritt versagt, da der Mangel unerheblich ist.

Nein, das trifft nicht zu!

Ist die Schlechtleistung des Schuldner unerheblich, so ist dem Gläubiger ausnahmsweise der Rücktritt versagt (§ 323 Abs. 5 S. 2 BGB). Die Erheblichkeit ist unter Abwägung der beiderseitigen Interessen festzustellen. Bei Kaufsachen geht der BGH bei behebbaren Mängeln jedenfalls dann von einem Mangel aus, wenn der Beseitigungsaufwand 5% des Kaufpreises übersteigt.Die Reparatur würde €900 (9%) kosten, was mehr als 5% des Kaufpreises (€500) ausmacht. Das Fahrrad hat somit einen erheblichen Mangel. K kann somit zurücktreten und den Kaufpreis verlangen.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

L

L

7.1.2022, 10:56:46

Ich finde es sehr ungünstig, dass nur die neuen Paragraphen des Kaufrechts angegeben sind. Denn aktuell ist das neue Kaufrecht noch kein Prüfungsstoff im Examen und auch noch nicht im Habersack...

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

7.1.2022, 17:06:54

Vielen Dank für den Hinweis, L. Unser Anspruch bei Jurafuchs ist es, euch mit Fällen zu versorgen, die der aktuell geltenden Gesetzeslage entsprechen, Deshalb sind wir gerade dabei, unsere Fälle an die seit 1.1.2022 geltenden neuen Regelungen im Kaufrecht anzupassen. Da uns bewusst ist, dass sich viele Prüfungsämter noch etwas Zeit für die Umstellung eingeräumt haben, werden wir im Zuge der Umstellung bis zum Sommer auch noch die alte Gesetzesfassung mit angeben. Im vorliegenden Fall ist dies indes nicht möglich. Eine vergleichbare Regelung gab es im bisherigen

Verbrauchsgüterkauf

recht nicht.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

7.1.2022, 17:14:09

Dass dies durchaus problematisch im Hinblick auf Art. 3 Abs. 5

Verbrauchsgüterkauf

richtlinie 1999/44/eg ist, wurde in der Literatur immer wieder bemängelt. Auch der BGH hat diese Problematik gesehen, letztlich jedoch eine richtlinienkonforme Auslegung abgelehnt. Denn angesichts der klaren gesetzgeberischen Entscheidung, sowohl im allgemeinen Kaufrecht als auch beim

Verbrauchsgüterkauf

eine Frist zu verlangen, bestehe kein Raum für Auslegung (BGH DAR 2020, 687). Diese Problematik ist durch die Novellierung nunmehr entfallen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Vulpes

Vulpes

31.1.2022, 11:14:16

Ich finde es sehr grosszügig in der "Bitte um Nacherfüllung" schon eine

Fristsetzung

zu erkennen. Von "unverzüglich" oder "umgehend" (vgl Maßstab) ist da auch keine Rede.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

31.1.2022, 16:10:09

Hallo Vulpes, um Unklarheiten zu vermeiden, haben wir den Sachverhalt noch etwas präzisiert. Die Rechtsprechung war bislang aber in der Tat recht großzügig, wenn es um die Frage ging, wann eine

Fristsetzung

vorliegt. Wie im Vertiefungshinweis ausgeführt ist zukünftig auch zu beachten, dass es bei Verbrauchsgüterkäufen nicht (mehr) auf eine

Fristsetzung

ankommt. Es genügt, dass eine

angemessene Frist

verstrichen ist. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

QUIG

QuiGonTim

25.2.2024, 23:46:58

Liebes Jurafuchs-Team, ist die Erheblichkeit rein objektiv - wie hier im Verhältnis von Kaufpreis und Reparaturkosten - zu bestimmen? Oder kommt es auch auf die subjektiven/konkreten Interessen der konkreten Beteiligten an? Wenn der Käufer beispielsweise während der

Vertragsanbahnung

mehrfach erwähnt hätte, dass es ihm gerade auf die Klappbarkeit des Fahrrades ankäme, weil er es sonst nicht lagern oder transportieren könne.

LELEE

Leo Lee

26.2.2024, 09:16:20

Hallo QuiGonTim, vielen Dank für die sehr gute Frage! Die Antwort hierauf ist typisch-Jura: Es ist in der Tat streitig! Während ein Teil der Literatur (wie der hier gleich zu zitierende MüKo) auf die rein objektive Störung (Ausbleiben der korrekten Erfüllung) abstellt, fordert die Rspr. eine Interessenabwägung. Die Rspr. fordert dabei nicht nur rein objektiv eine Störung, sondern darüber hinaus auch die Berücksichtigung des Mangels und des auf den Mangel bezogenen Schuldnerverhaltens (hierbei kommt es wiederum darauf, an ob der Mangel behebbar (dann kommt es darauf an) oder unbehebbar ist (dann i.d.R. erheblich). Somit lautet die Antwort auf deine Frage: Es kommt leider darauf an, wobei man auch die beiden Ansätze vermischen könnte, um einen „Mittelweg“ zu finden (also objektive Grundlage + umfassende Interessenabwägung beider Seiten)! Hierzu kann ich ergänzend die Lektüre von MüKo-BGB 9. Auflage, Ernst § 323 Rn. 252 ff. sehr empfehlen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

NEHA

Neha

1.4.2024, 23:54:23

Im Fall wird darauf verwiesen, ob der Mangel hier die Erheblichkeitsschwelle überschreitet, allerdings besagt der Wortlaut des § 323 V S.2, dass die Pflichtverletzung erheblich sein muss. Das Pflichtenprogramm des V umfasst hier doch mehr als die reine Lieferung einer mangelfreien Sache. Der Erfüllungsanspruch des Leistungsempfängers modifiziert sich mit Lieferung einer mangelfreien Sache in einen

Nacherfüllungsanspruch

. Dadurch, dass V sich hier auf das Nacherfüllungsverlangen des K gar nicht zurückmeldet (also quasi Nichtleistet), verletzt er neben der 1. Pflicht, der Pflicht zur mangelfreien Lieferung auch die 2.Pflicht zur Nacherfüllung. Hinzu könnte man berücksichtigen, dass V sich überhaupt nicht zurückmeldet und K insgesamt im ungewissen lässt. Wäre hier also die Erheblichkeitsschwelle von 5% nicht überschritten, wäre es dann nicht ebenso möglich zurückzutreten, weil ebenso die o.g. Faktoren eine Rolle spielen und nicht alleine auf den Mangel abzustellen ist?

NEHA

Neha

1.4.2024, 23:55:45

LG 😊


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