Unerhebliche Schlechtleistung – 323 Abs. 5 S. 2 BGB
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
K hat bei V für €10.000 ein klappbares Tandem gekauft. Nach Übergabe zeigt sich, dass es sich nicht klappen lässt. V reagiert nicht auf Ks Bitte um unverzügliche Nacherfüllung. Eine externe Reparatur würde €900 kosten. K möchte aber lieber ihr Geld zurück.
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Einordnung des Falls
Unerhebliche Schlechtleistung – 323 Abs. 5 S. 2 BGB
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. K kann nach § 346 Abs. 1 BGB den Kaufpreis zurückverlangen, wenn sie wirksam den Rücktritt ausgeübt hat.
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. Sofern die Voraussetzungen des §§ 437 Nr. 2, 323 Abs. 1 BGB vorliegen, steht K ein gesetzliches Rücktrittsrecht zu.
Ja, in der Tat!
3. K hat V nach der Rechtsprechung eine angemessene Nachfrist gesetzt.
Ja!
4. Sofern die geschuldete Leistung nicht ordnungsgemäß erbracht wird, kann der Gläubiger stets zurücktreten.
Nein, das ist nicht der Fall!
5. K ist der Rücktritt versagt, da der Mangel unerheblich ist.
Nein, das trifft nicht zu!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
L
7.1.2022, 10:56:46
Ich finde es sehr ungünstig, dass nur die neuen Paragraphen des Kaufrechts angegeben sind. Denn aktuell ist das neue Kaufrecht noch kein Prüfungsstoff im Examen und auch noch nicht im Habersack...
Lukas_Mengestu
7.1.2022, 17:06:54
Vielen Dank für den Hinweis, L. Unser Anspruch bei Jurafuchs ist es, euch mit Fällen zu versorgen, die der aktuell geltenden Gesetzeslage entsprechen, Deshalb sind wir gerade dabei, unsere Fälle an die seit 1.1.2022 geltenden neuen Regelungen im Kaufrecht anzupassen. Da uns bewusst ist, dass sich viele Prüfungsämter noch etwas Zeit für die Umstellung eingeräumt haben, werden wir im Zuge der Umstellung bis zum Sommer auch noch die alte Gesetzesfassung mit angeben. Im vorliegenden Fall ist dies indes nicht möglich. Eine vergleichbare Regelung gab es im bisherigen
Verbrauchsgüterkaufrecht nicht.
Lukas_Mengestu
7.1.2022, 17:14:09
Dass dies durchaus problematisch im Hinblick auf Art. 3 Abs. 5
Verbrauchsgüterkaufrichtlinie 1999/44/eg ist, wurde in der Literatur immer wieder bemängelt. Auch der BGH hat diese Problematik gesehen, letztlich jedoch eine richtlinienkonforme Auslegung abgelehnt. Denn angesichts der klaren gesetzgeberischen Entscheidung, sowohl im allgemeinen Kaufrecht als auch beim
Verbrauchsgüterkaufeine Frist zu verlangen, bestehe kein Raum für Auslegung (BGH DAR 2020, 687). Diese Problematik ist durch die Novellierung nunmehr entfallen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Vulpes
31.1.2022, 11:14:16
Ich finde es sehr grosszügig in der "Bitte um Nacherfüllung" schon eine
Fristsetzungzu erkennen. Von "unverzüglich" oder "umgehend" (vgl Maßstab) ist da auch keine Rede.
Lukas_Mengestu
31.1.2022, 16:10:09
Hallo Vulpes, um Unklarheiten zu vermeiden, haben wir den Sachverhalt noch etwas präzisiert. Die Rechtsprechung war bislang aber in der Tat recht großzügig, wenn es um die Frage ging, wann eine
Fristsetzungvorliegt. Wie im Vertiefungshinweis ausgeführt ist zukünftig auch zu beachten, dass es bei Verbrauchsgüterkäufen nicht (mehr) auf eine
Fristsetzungankommt. Es genügt, dass eine
angemessene Fristverstrichen ist. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
QuiGonTim
25.2.2024, 23:46:58
Liebes Jurafuchs-Team, ist die Erheblichkeit rein objektiv - wie hier im Verhältnis von Kaufpreis und Reparaturkosten - zu bestimmen? Oder kommt es auch auf die subjektiven/konkreten Interessen der konkreten Beteiligten an? Wenn der Käufer beispielsweise während der
Vertragsanbahnungmehrfach erwähnt hätte, dass es ihm gerade auf die Klappbarkeit des Fahrrades ankäme, weil er es sonst nicht lagern oder transportieren könne.
Leo Lee
26.2.2024, 09:16:20
Hallo QuiGonTim, vielen Dank für die sehr gute Frage! Die Antwort hierauf ist typisch-Jura: Es ist in der Tat streitig! Während ein Teil der Literatur (wie der hier gleich zu zitierende MüKo) auf die rein objektive Störung (Ausbleiben der korrekten Erfüllung) abstellt, fordert die Rspr. eine Interessenabwägung. Die Rspr. fordert dabei nicht nur rein objektiv eine Störung, sondern darüber hinaus auch die Berücksichtigung des Mangels und des auf den Mangel bezogenen Schuldnerverhaltens (hierbei kommt es wiederum darauf, an ob der Mangel behebbar (dann kommt es darauf an) oder unbehebbar ist (dann i.d.R. erheblich). Somit lautet die Antwort auf deine Frage: Es kommt leider darauf an, wobei man auch die beiden Ansätze vermischen könnte, um einen „Mittelweg“ zu finden (also objektive Grundlage + umfassende Interessenabwägung beider Seiten)! Hierzu kann ich ergänzend die Lektüre von MüKo-BGB 9. Auflage, Ernst § 323 Rn. 252 ff. sehr empfehlen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo
Neha
1.4.2024, 23:54:23
Im Fall wird darauf verwiesen, ob der Mangel hier die Erheblichkeitsschwelle überschreitet, allerdings besagt der Wortlaut des § 323 V S.2, dass die Pflichtverletzung erheblich sein muss. Das Pflichtenprogramm des V umfasst hier doch mehr als die reine Lieferung einer mangelfreien Sache. Der Erfüllungsanspruch des Leistungsempfängers modifiziert sich mit Lieferung einer mangelfreien Sache in einen
Nacherfüllungsanspruch. Dadurch, dass V sich hier auf das Nacherfüllungsverlangen des K gar nicht zurückmeldet (also quasi Nichtleistet), verletzt er neben der 1. Pflicht, der Pflicht zur mangelfreien Lieferung auch die 2.Pflicht zur Nacherfüllung. Hinzu könnte man berücksichtigen, dass V sich überhaupt nicht zurückmeldet und K insgesamt im ungewissen lässt. Wäre hier also die Erheblichkeitsschwelle von 5% nicht überschritten, wäre es dann nicht ebenso möglich zurückzutreten, weil ebenso die o.g. Faktoren eine Rolle spielen und nicht alleine auf den Mangel abzustellen ist?
Neha
1.4.2024, 23:55:45
LG 😊