Textform (§ 126b BGB)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Vino-Liebhaber und Verbraucher V bestellt 12 Flaschen Wein beim Weinhändler W durch eine Bestellkarte. W bestätigt die Bestellung per E-Mail unter Nennung seines Namens und informiert darin den V über sein Widerrufsrecht.
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Einordnung des Falls
Textform (§ 126b BGB)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Ein Rechtsgeschäft, das der gesetzlich vorgeschriebenen Form ermangelt, ist nichtig (§ 125 S. 1 BGB).
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. Die Widerrufsbelehrung bedarf der Textform (§ 126b BGB).
Genau, so ist das!
3. Für das Textformerfordernis bedarf es zunächst einer lesbaren Erklärung.
Ja, in der Tat!
4. Eine E-Mail ist als dauerhafter Datenträger zu qualifizieren.
Ja!
5. Eine Unterschrift des W ist erforderlich.
Nein, das ist nicht der Fall!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Fahrradfischlein
2.4.2021, 20:28:21
Auf was für einem geeigneten und dauerhaften Datenträger wird eine E-Mail denn gespeichert? Das ist mir ein bisschen zu ungenau. Reicht es da dass die Mail auf einem (dem Empfänger meist unbekannten) Server liegt?
Eichhörnchen I
7.4.2021, 14:31:41
Ich schließe mich meinem Vorredner an. Spannende Frage mit europarechtlichem Bezug (hier Umsetzung der Verbraucherrichtlinie). Eine Email pauschal unter die Definition des Paragraf 126b S. 2 BGB zu subsumieren, halte ich mindestens für ungeeignet. Eindeutiger wäre es, wenn die Mail lokal auf der Festplatte (=
dauerhafter Datenträger) des V abgespeichert ist.
Lukas_Mengestu
4.1.2022, 12:31:02
Hallo ihr beiden, in der Tat eine spannende Frage. Der BGH differenziert indes nicht danach, ob die Mail vom Server auf die Festplatte heruntergeladen wird oder auf diesem verbleibt (vgl. BGH NJw 2014, 2857). Ausreichend ist vielmehr, dass durch den Eingang der E-Mail im Postfach dem Kunden der alleinige Zugriff darauf ermöglicht wird und das Postfach einen sicheren Speicherbereich darstellt, auf den der Unternehmer keinen Zugriff hat. Dies entspricht auch der Rechtsprechung des EuGH im Hinblick auf sog. "fortgeschrittene Webseiten", wo ebenfalls primär auf den sicheren Speicherbereich abgestellt wird, auf den dieser alleine mittels Benutzernamen und Passwort zugreifen kann (vgl. EuGH, NJW 2012, 2637). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
QuiGonTim
12.5.2022, 11:39:34
In diesem Zusammenhang ist auch der Wortlaut des 126b S. 2 BGB zu beachten. Das Medium muss die Speicherung zum Zwecke des dauerhaften Zugangs lediglich ermöglichen. Um das Erfordernis der Textform zu erfüllen, muss der Erklärende also nicht dafür Sorge tragen, dass die Erklärung tatsächlich dauerhaft gespeichert wird. Dies entspricht auch einer Interessenabwägung nach Treu und Glauben, 242 BGB, denn der Erklärende hat weder Kenntnis davon noch Einfluss darauf, inwiefern eine E-Mail in der Sphäre des Empfängers gespeichert wird. Dies gilt auch dann, wenn der Erklärende ein Unternehmer in einen Verbrauchervertragsverhältnis ist.
probatio diabolica
14.2.2024, 13:58:56
Warum wird hier nicht auf Art. 246a § 4 II EGBGB (i.V.m. Art. 246a § 1 II S.1 EGBGB), sondern auf Art. 246 abgestellt?
Timurso
14.2.2024, 14:14:06
Weil Art. 246 III 1 EGBGB festlegt, dass Textform erforderlich ist. Wie du richtig sagst, werden in Art. 246a EGBGB weitere Anforderungen aufgestellt, aber diese Lektion aus dem BGB AT beschäftigt sich lediglich mit der Textform. Diese geht richtigerweise aus Art. 246 III 1 BGB hervor.
Timurso
14.2.2024, 14:14:27
EGBGB beim letzten Normzitat natürlich.
Alexander14
23.3.2024, 12:16:21
Eine E-Mail ist kein Datenträger.
Gruttmann
25.3.2024, 09:02:45
Kannst du erklären, wieso du das denkst? Ich habe gelernt, dass eine Email als sicherer Datenträger gilt. Besonders da eine Email idR abgespeichert wird.
Alexander14
25.3.2024, 19:08:22
Unter Datenträgern verstehe ich bspw, das Papier auf dem etwas gedruckt ist, die Festplatte auf der etwas gespeichert ist usw. Datenträger ist nicht die E-Mail, sondern die Festplatte, auf der die E-Mail gespeichert ist. Insofern finde ich die Formulierung in der Aufgabe unpräzise.
Nora Mommsen
26.3.2024, 12:23:11
Hallo ihr beiden, danke für die Frage und Diskussion unter dieser Aufgabe. Ich kann das Störgefühl verstehen, dass dabei entsteht die E-Mail als dauerhaften Datenträger zu definieren. Dies entspricht jedenfalls nicht der semantischen Auslegung, würde man vermutlich eher die Server oder die Festplatte des Empfängers, auf denen die E-Mail gespeichert wird, als dauerhaften Datenträger definieren. Das im Fall dargelegte Verständnis entspringt der EU Richtlinie (RL 2011/83/EU), auf der diese Formulierung des §
126b BGBberuht. Diese differenziert nicht weiter, sondern bestimmt die E-Mail selbst dann als dauerhaften Datenträger. Dazu aus der Begründung der Bundesregierung zum Gesetzesentwurf: "Der dauerhafte Datenträger wird in Anlehnung an Artikel 2 Nummer 10 und Erwägungsgrund 23 der Richtlinie definiert. Er muss es ermöglichen, dass der Empfänger die an ihn gerichtete Erklärung so aufbewahren und speichern kann, dass sie ihm während des für ihren Zweck angemessenen Zeitraums zugänglich ist. Zudem muss der dauerhafte Datenträger die Erklärung unverändert wiedergeben können. Derzeit erfüllen insbesondere Papier, Vorrichtungen zur Speicherung digitaler Daten (USB-Stick, CD-ROM, Speicherkarten, Festplatten) und auch E-Mails diese Voraussetzungen." Ich verstehe, das dies unbefriedigend ist, da es der deutschen Systematik zu widersprechen scheint. Ist aber in diesem Sinne, das einzig richtige Verständnis des Begriffs "Datenträger". Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
DeliktusMaximus
13.11.2024, 17:30:00
Hallo Alexander und Nora, danke für diese Frage und die sehr gute Antwort; über den Begriff bin ich auch schon ein paar Mal mit dem gleichem Einwand wie Alexander gestolpert.