Zivilrecht

Sonstige vertragliche Schuldverhältnisse

Schenkung, §§ 516ff. BGB

Einfacher Grundfall zu § 516 Abs. 1 BGB (Zustandekommen der formlos gültigen Hand-/Real-Schenkung)

Einfacher Grundfall zu § 516 Abs. 1 BGB (Zustandekommen der formlos gültigen Hand-/Real-Schenkung)

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A kauft bei Thalia den neuen Roman von Juli Zeh. Sie übergibt ihn eingepackt der B zu deren Geburtstag mit den Worten: „Hier, das ist für Dich! Ich hoffe es gefällt Dir!“ B antwortet: „Vielen Dank, ich freue mich sehr!“ und nimmt das Buch.

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Einordnung des Falls

Einfacher Grundfall zu § 516 Abs. 1 BGB (Zustandekommen der formlos gültigen Hand-/Real-Schenkung)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. A hat der B das Buch zugewendet (§ 516 Abs. 1 BGB).

Genau, so ist das!

Nach § 516 Abs. 1 BGB ist eine Zuwendung durch die jemand aus seinem Vermögen einen anderen bereichert eine Schenkung, wenn sich beide Teile darüber einig sind, dass die Zuwendung unentgeltlich erfolgt. Eine Zuwendung aus dem Vermögen setzt ein entsprechendes Verfügungsgeschäft (z.B. Abtretung nach §§ 398 ff. BGB, Erlass nach § 397 BGB, Übereignung nach §§ 929 ff. BGB) oder eine sonstige Zuwendung (z.B. Erfüllung einer Verbindlichkeit gegenüber einem Dritten durch den Schenker) voraus. A und B haben sich konkludent über die dingliche Übergabe des Buchs geeinigt, A hat B das Buch übergeben und war auch berechtigt. Es liegt daher eine Übereignung nach § 929 S. 1 BGB und somit eine Zuwendung von A an B vor.
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2. A und B haben nur ein dingliches (und kein schuldrechtliches) Rechtsgeschäft geschlossen.

Nein, das trifft nicht zu!

Die Handschenkung nach § 516 Abs. 1 BGB zeichnet sich dadurch aus, dass jemand eine Sache dem anderen zuwendet (dingliches Rechtsgeschäft) und sich beide darüber einig sind, dass die Zuwendung unentgeltlich erfolgt (schuldrechtliches Rechtsgeschäft). Eine Mindermeinung vertritt, dass § 516 Abs. 1 BGB nur einen Schuldgrund schaffe, der einer Leistungskondiktion aus § 812 Abs. 1 S. 1 entgegenstehe. Nach h.M. liegt aber auch bei der Handschenkung zumindest für eine juristische Sekunde eine schuldrechtliche Leistungspflicht vor, die durch die zeitgleich oder vorher vollzogene Zuwendung durch Erfüllung erlischt. A und B haben gleichzeitig sowohl ein dingliches als auch ein schuldrechtliches Rechtsgeschäft geschlossen.

3. A und B haben sich konkludent über die Unentgeltlichkeit der Zuwendung geeinigt.

Ja!

Die Handschenkung nach § 516 Abs. 1 BGB setzt voraus, dass sich beide Parteien darüber einig sind, dass die Zuwendung unentgeltlich erfolgt. Dies wird regelmäßig bei Gelegenheitsgeschenken der Fall sein. Nach § 516 Abs. 2 BGB kann die Einigung auch im Anschluss an eine erfolgte Zuwendung zustande kommen. A und B waren sich einig, dass die Zuwendung des Buches als Geburtstagsgeschenk für den B unentgeltlich erfolgen sollte.

4. Der geschlossene Schenkungsvertrag zwischen A und B ist formnichtig (§ 518 Abs. 1 BGB).

Nein, das ist nicht der Fall!

Das Schenkungsversprechen bedarf der notariellen Beurkundung nach § 518 Abs. 1 BGB, wenn die Zuwendung vom Schenker versprochen, aber noch nicht bewirkt wird. Bei der sog. Handschenkung nach § 516 Abs. 1 BGB wird die Schenkung bereits mit dem Abschluss des Schenkungsvertrages vollzogen, sodass der Übereilungsschutz wie bei der späteren Erfüllung eines formlos gegebenen Schenkungsversprechens (§ 518 Abs. 2 BGB) entbehrlich ist. Die Handschenkung nach § 516 Abs. 1 BGB ist daher formfrei wirksam. Eine Handschenkung nach § 516 Abs. 1 BGB bedarf keiner besondern Form, sodass der vollzogene Schenkungsvertrag zwischen A und B nicht formnichtig ist.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

L.G

L.Goldstyn

27.7.2024, 18:15:55

Ich verstehe noch nicht, warum es der Fallgruppe / des Begriffs einer „

Handschenkung

“ bedarf. Würde es nicht genügen, von einem gewöhnlichen, konkludent und zeitgleich zur dinglichen

Übereignung

geschlossenen Schenkungsvertrag auszugehen, dessen Formmangel gem. § 518 Abs. 2 BGB durch die dingliche

Übereignung

geheilt wird? Vielen Dank und beste Grüße!

LELEE

Leo Lee

28.7.2024, 11:31:46

Hallo L.Goldstyn, vielen Dank für die sehr gute Frage! In der Tat ist dein Vorschlag auch eine rechtliche Konstruktion, die man vertreten könnte. Allerdings ist diese Trennung nicht zuletzt aufgrund des Trennungsprinzips nötig. Denn es wird immer noch ein schuldrechtliches Geschäft (Schenkungsvertrag) geschlossen, das von dem dinglichen Geschäft getrennt werden muss. Es ist zwar „lästig“, jedoch ein eisernes Prinzip des deutschen Schuldrechts (danke Savigny!). Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre vom Schulze BGB 12. Auflage, Saenger § 516 Rn. 1 sehr empfehlen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo


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