Zivilrecht
Schuldrecht Allgemeiner Teil
Haftung aus culpa in contrahendo (Leistungsstörungsrecht)
Entstehung I: Vertragsanbahnung
Entstehung I: Vertragsanbahnung
22. Mai 2025
16 Kommentare
4,7 ★ (54.053 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
K betritt den Baumarkt des V, um eine Bohrmaschine zu kaufen. Hierbei wird er von einer umfallenden Gipskartonplatte schwer verletzt. Diese hat der sonst immer sehr sorgfältige Angestellte A infolge von Unachtsamkeit umgestoßen.
Diesen Fall lösen 75,2 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Entstehung I: Vertragsanbahnung
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. K hat einen Schadensersatzanspruch gegen V gem. § 280 Abs. 1 i.V.m. § 433 BGB.
Nein, das ist nicht der Fall!
Jurastudium und Referendariat.
2. Zwischen V und K bestand im Unfallzeitpunkt ein vorvertragliches Schuldverhältnis (§ 311 Abs. 2 BGB).
Ja, in der Tat!
3. K hat gegen V einen Schadensersatzanspruch wegen Verletzung des vorvertraglichen Schuldverhältnisses (§§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 Nr. 2, 241 Abs. 2, 278 BGB).
Ja!
4. K hat zudem einen deliktischen Schadensersatzanspruch gegen V (§ 823 Abs. 1 BGB).
Nein, das ist nicht der Fall!
5. K hat zudem einen deliktischen Schadensersatzanspruch gegen V (§ 831 Abs. 1 S. 1 BGB).
Nein, das trifft nicht zu!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Feri
15.9.2020, 00:43:57
warum hier kein deliktischer Anspruch gegen V besteht erschließt sich mir nicht. V hat zwar nicht gehandelt, aber zumindest es unterlassen, die
Verkehrssicherungspflichten zu erfüllen. 823 (+) oder hab ich was überlesen?
smend20
15.9.2020, 10:08:42
Der Sachverhalt lässt keine Verletzung von
Verkehrssicherungspflichten durch den V erkennen. In Betracht käme lediglich ein
Organisationsverschuldenfür welches hier aber keinerlei Anhaltspunkte bestehen.

Feri
16.9.2020, 00:04:42
....umfallende Gipskartonplatte ist ja mal deutlich die adäquate Folge einer geschaffenen Gefahrenquelle in der Sphäre des Betreibers. Hier ist nicht schon allein ein
Organisationsverschulden, sondern zumindest auch eine Verletzung von VSP zu erkennen!
smend20
16.9.2020, 01:16:39
In solchen Konstellationen eine
Verkehrssicherungspflichtverletzung anzunehmen, käme in die Nähe einer generellen deliktischen Gehilfenhaftung. Eine solche wird aber grade nicht bezweckt (siehe 831). In jedem Fall fehlt es aber am Ver
schulden des V.

Feri
16.9.2020, 01:28:50
ich sehe schon wir beide müssen vor Gericht xp

Eigentum verpflichtet 🏔️
16.9.2020, 12:51:12
Hallo ihr beiden, schöne Diskussion, die sich da zwischen euch entwickelt hat. Wir haben im Fall einige Ausführungen zum
Organisationsverschuldenergänzt, dass du, smend20 hier völlig zurecht ansprichst. Wir sind auch der Meinung, dass die
Verkehrssicherungspflichten des V nicht von ihm eine lückenlose Überwachung des A erfordern. Denn sonst würde die Exkulpationsmöglichkeit in § 8
31 BGBvöllig leerlaufen (vgl. MükoBGB/Wagner, 7. A, § 823 Rn. 108).

Feri
16.9.2020, 13:26:16
Ich gehe in Revision!

Ira
2.11.2020, 10:14:09
Im SV ist deutlich angegeben „... der sonst immer sorgfältige Angestellte...“ dies ist ein Hinweis auf die Exkulpation des Geschäftsherrn! In der Juristerei ist vieles auch Auslegungssache, jedoch nicht bei eindeutigen Hinweisen im SV..

Rüsselrecht 🐘
24.2.2021, 20:43:59
Eine Haftung nach § 823 I entfällt, weil V als (gedachte) natürliche Person nicht gehandelt hat. Wie verhält es sich aber mit einer Supermarkt AG (o.ä.), die selbst nie real handeln kann. Ist man dann immer raus aus § 823?

Marilena
26.2.2021, 18:50:22
Hallo Fantomaus, danke für die Frage! Eine Haftung einer AG kann sich aus § 823 I in Verbindung mit
§ 31 BGBergeben. Die Vorschrift ist nach ihrem Wortlaut Grundlage der Haftung des Vereins für zum
Schadensersatz verpflichtende Handlungen seiner Organe. Sie sorgt dafür, dass den Vorteilen der über die Organe vermittelten eigenen Handlungsfähigkeit des Vereins der Nachteil einer eigenen Ver
schuldens- und Verantwortungsfähigkeit gegenübersteht.

Marilena
26.2.2021, 18:54:36
hr heutiger Anwendungsbereich geht allerdings weit darüber hinaus. Als Haftungssubjekte erfasst sie nicht (mehr) nur Vereine und andere juristische Personen wie die AG, sondern auch Personengesellschaften, andere organisierte Personenverbände und sogar bestimmte Organisationen nicht verbandsrechtlicher Art. Der Vorschrift wird eine über die Organhaftung im eigentlichen Sinne hinausgehende (aber auf die von ihr erfassten Haftungssubjekte beschränkte) allgemeine
Repräsentantenhaftungentnommen. Zugerechnet werden nahezu alle zum
Schadensersatz verpflichtenden Handlungen, egal aus welchem Rechtsgrund, die der Repräsentant in „amtlicher Eigenschaft“ begeht.

Marilena
26.2.2021, 18:55:59
Zwar hält das BGB mit § 278 und § 831 weitere Vorschriften bereit, die (auch) eine juristische Person für eine „zum
Schadensersatz verpflichtende Handlung“ einer für sie handelnden Person einstehen lassen können. Allerdings weisen § 278 und § 831 in Bezug auf die Haftung von juristischen Personen für das Verhalten ihrer Organe eine ganze Reihe von Unzulänglichkeiten auf, die die Vorschrift des § 31 notwendig machen.

Marilena
26.2.2021, 18:58:32
§ 278 regelt die Verantwortlichkeit für
fremdes Handeln und Ver
schulden. § 31 meint hingegen – jedenfalls auf der Grundlage der Organtheorie – eine Haftung der juristischen Person für eigenes Handeln und Ver
schulden. Die Ver
schuldenszurechnung nach § 278 setzt außerdem eine
schuldrechtliche Sonderverbindung voraus. Sie greift also insbesondere bei deliktischen Anspruchsgrundlagen grundsätzlich nicht. § 831 wiederum stellt in der Sache überhaupt keine Zurechnungsnorm dar, sondern begründet eine deliktische Haftung des Geschäftsherrn für (vermutetes) eigenes Auswahl- oder Überwachungsver
schulden. § 831 setzt also gerade voraus, dass der Geschäftsherr in Bezug auf Auswahl und Überwachung des
Verrichtungsgehilfen verantwortungsfähig ist. Diese Verantwortungsfähigkeit wird der Körperschaft über

Marilena
26.2.2021, 18:59:26
§ 31 vermittelt. Zusammengefasst liegen Sinn und Zweck des § 31 darin, die Lücken bei der Außenhaftung von Körperschaften zu vermeiden, die andere Zurechnungsvorschriften, insbesondere § 278 und § 831, lassen, weil sie dem Umstand nicht gerecht werden, dass Körperschaften nur durch für sie auftretende natürliche Personen willens- und handlungsfähig sind.

Marilena
26.2.2021, 19:00:40
Also nein, man ist bei einer Supermarkt AG nicht immer raus bei § 823 I.😉 Hoffe dies beantwortet Deine Frage. Liebe Grüße für das Jurafuchs-Team, Marilena

Rüsselrecht 🐘
27.2.2021, 22:28:26
Klasse 😎 Danke