Nachträgliche Übersicherung

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Um den Start ihrer Konditorei zu finanzieren, nimmt K bei Bank B ein Darlehen über €100.000 auf. Zur Sicherheit tritt K an B alle künftig entstehenden Forderung gegen Kunden (Nachname M-Z) ab. Umsatzzahlen mit diesen Kunden stehen noch nicht fest, belaufen sich später aber auf €500.000.

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Einordnung des Falls

Nachträgliche Übersicherung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Es liegt eine anfängliche Übersicherung vor.

Nein!

Eine anfängliche Übersicherung liegt vor, wenn bereits bei Vertragsschluss gewiss ist, dass im Verwertungsfall ein auffälliges Missverhältnis zwischen realisierbarem Wert der Sicherheit und der gesicherten Forderung vorliegen wird und dies auf einer verwerflichen Gesinnung des Sicherungsnehmers beruht. Bei Vertragsschluss kennen K und B den realisierbaren Wert der abgetretenen Forderungen noch nicht, sodass das Vorliegen eines auffälligen Missverhältnisses nicht gewiss ist.
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2. Es liegt eine nachträgliche Übersicherung vor.

Genau, so ist das!

Anders als bei anfänglicher Übersicherung besteht bei Vertragsschluss noch kein auffälliges Missverhältnis. Es entsteht erst nachträglich, indem sich der Umfang der abgetretenen Forderung und zu sicherndes Kreditvolumen auseinanderentwickeln (nachträgliche Übersicherung). Regelmäßig dann, wenn bei Vertragsschluss der Wert der abgetretenen künftigen Forderungen ungewiss ist oder der Zedent Tilgungsleistungen erbringt und somit das Sicherungsbedürfnis des Zessionars abnimmt. Erst nach Vertragsschluss ersichtlich, dass Wert der abgetretenen Forderungen das Fünffache der zu sichernden Darlehenssumme beträgt und ein krasses Missverhältnis vorliegt.

3. Es wird widerleglich vermutet, dass der Sicherungsnehmer übersichert ist, wenn der Nennwert aller abgetretenen Forderungen 150% der gesicherten Forderungen übersteigt.

Ja, in der Tat!

Eine genaue Bewertung des erzielbaren Werts der Sicherung im Verwertungsfall ist meist kaum möglich. Um diesen Beweisproblemen entgegenzuwirken, leitet der BGH aus dem Rechtsgedanken des § 237 S.1 BGB die widerlegliche Vermutung ab, dass eine Übersicherung dann vorliegt, wenn bei Globalzessionen der Nennwert aller abgetretenen Forderungen 150% der gesicherten Forderung übersteigt.

4. Die Sicherungszession ist generell wegen nachträglicher Übersicherung sittenwidrig und damit unwirksam (§ 138 Abs.1 BGB).

Nein!

Die Sicherungszession bleibt trotz nachträglicher Übersicherung wirksam, da sich aus dem fiduziarischen Charakter der zugrundeliegenden Sicherungsabrede eine ermessensunabhängige Freigabeverpflichtung ergibt. Das heißt, der Sicherungsnehmer (Zessionar) muss nicht (mehr) benötigte Sicherheiten freigeben. Der Sicherungsgeber (Zedent) kann somit verlangen, dass die Forderungen rückabgetreten werden, wenn die Deckungsgrenze erreicht ist. Die Freigabeverpflichtung ergibt sich also auch ohne ausdrückliche Vereinbarung im Wege ergänzender Vertragsauslegung (§§ 133, 157, 242 BGB).

5. Die Sicherungszession ist vorliegend unwirksam, da K und B keine bestimmte Deckungsgrenze vereinbart haben.

Nein, das ist nicht der Fall!

Weder eine ausdrückliche Freigaberegelung noch eine bestimmte Deckungsgrenze sind Wirksamkeitsvoraussetzung für die Sicherungsabrede. Wenn keine ausdrückliche Deckungsgrenze geregelt ist, dann liegt diese Freigabegrenze (bezogen auf den realisierbaren Wert der abgetretenen Forderungen) bei 110% der gesicherten Forderung.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

TO

TomBombadil

29.3.2024, 16:37:12

Hellohello, in der Definition steht, dass der Sicherungsnehmer für eine

Übersicherung

eine sittenwidrige Gesinnung o. Ä. haben muss. Worauf stützt sich diese Gesinnung, wenn noch unbekannt ist, wie hoch die Forderungen sind? Er kann ja schlecht positiv wissen, dass eine

Übersicherung

eintreten wird ...

Josef K.

Josef K.

7.5.2024, 12:43:42

Hallo, ich verstehe nicht, wie der BGH auf das Beweisproblem der ungenauen Bewertung d. erzielbaren Werts der Sicherung im Verwertungsfall aus § 237 S. 1 BGB schlauer wird. Einfach dadurch, dass dort für die Grenzen der Sicherung auf den Schätzwert abgestellt wird und 150 Prozent "ungefähr" das Doppelte von 2/3 sind und damit für jeden das Missverhältnis deutlich sein dürfte? Mit Gruß J


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