Zivilrecht

Kaufrecht

Verbrauchsgüterkauf

Mangel beruht auf Verletzung der Aktualisierungspflicht gem. § 475b Abs. 4 BGB

Mangel beruht auf Verletzung der Aktualisierungspflicht gem. § 475b Abs. 4 BGB

21. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Verbraucherin V kauft im Elektronikgeschäft der Unternehmerin U ein Handy. U selbst hat das Handy bei Herstellerin H gekauft. Da das Handy schon nach wenigen Monaten keine Betriebssystem-Aktualisierungen mehr bekommt, erhält V von U ein neues.

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Einordnung des Falls

Mangel beruht auf Verletzung der Aktualisierungspflicht gem. § 475b Abs. 4 BGB

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Verpflichtung der U, Vs Handy zu ersetzen, ergibt sich aus §§ 327i Nr. 1, 327l Abs. 1 S. 1 BGB (Nacherfüllung).

Nein, das trifft nicht zu!

Der Anwendungsbereich der §§ 327 ff. BGB setzt unter anderem ein digitales Produkt voraus. Bereichsausnahmen finden sich in § 327a BGB, beispielsweise für Waren mit digitalen Elementen, also Waren, die ohne das digitale Produkt nicht funktionieren (§ 327a Abs. 3 BGB). Das Betriebssystem ist essentiell für die Nutzung des Handys, weswegen es sich um eine Ware mit digitalen Elementen handelt. Daher richtet sich der Sachmangelbegriff und die Verpflichtung zur Nacherfüllung nach Kaufrecht. Dabei ergänzt § 475b BGB den Sachmangelbegriff des § 434 BGB. Die Gewährleistungsrechte ergeben sich aus den regulären §§ 437 ff. BGB, wobei diese Regelungen teils durch 475d BGB und andere Normen im Verbrauchsgüterkaufrecht modifiziert werden.
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2. Das Handy weist einen Mangel auf (§ 475b Abs. 4 BGB).

Ja!

§ 475b BGB ergänzt als Spezialvorschrift den Sachmangelbegriff des § 434 BGB. Sie ist anwendbar auf Waren mit digitalen Elementen. Eine Besonderheit zu § 434 BGB ist die Aktualisierungspflicht. Hierdurch kann ein Mangel auch nach Gefahrübergang entstehen. V konnte nach Art und Zweck des Handys erwarten, dass nach wenigen Monaten noch Aktualisierungen bereitgestellt werden. Dies ist nicht der Fall. § 475b BGB sieht eine Ausnahme von der Regel vor, dass ein Mangel bei Gefahrübergang vorliegen muss. Die Norm bestimmt einen anderen maßgeblicher Zeitpunkt. Es liegt also ein Mangel vor (§ 475b Abs. 4 Nr. 2 BGB).

3. V steht gegen U ein Anspruch auf Nacherfüllung zu.

Genau, so ist das!

Der Anspruch auf Nacherfüllung ergibt sich aus dem Kaufrecht (vgl. § 327a Abs. 3 S. 1 BGB). Voraussetzung ist ein Mangel zum maßgeblichen Zeitpunkt. Das Handy weicht negativ von den Anforderungen an Aktualisierungen zum maßgeblichen Zeitpunkt ab (§ 475b Abs. 4 Nr. 2 BGB). Es liegt also ein Mangel vor. U schuldet Nacherfüllung nach §§ 437 Nr. 1, 439 BGB.

4. U trägt als Verkäuferin das alleinige Risiko für einen Mangel der Kaufsache aufgrund fehlender Aktualisierungen und bleibt auf den Kosten der Nachlieferung sitzen (§ 445a Abs. 1 BGB).

Nein, das trifft nicht zu!

§ 445a BGB sieht eine Rückgriffsmöglichkeit des Verkäufers gegen seinen Lieferanten vor. Lieferant ist derjenige, von dem der Verkäufer eine neu hergestellt Sache kauft (Legaldefinition in § 445a Abs. 1 BGB). § 445a Abs. 1 BGB sieht einen umfassenden Regressanspruch des Verkäufers gegen den Lieferanten für sämtliche Aufwendungen im Zusammenhang mit der Nacherfüllung vor. V steht gegen U aufgrund der nicht erfolgten Aktualisierung ein Nacherfüllungsanspruch zu, dessen Kosten zunächst U zu tragen hat (§ 439 Abs. 2 BGB). U wiederum hat das Handy von H gekauft. H ist also Us Lieferantin. U hat also gegen H einen Regressanspruch.

5. H muss also für Kosten aufkommen, obwohl das Handy bei Gefahrübergang auf U keinen Mangel aufwies.

Ja!

Das scheint im ersten Moment unfair, ist aber genau das Ergebnis des Regressanspruchs. Aber warum? Sinn und Zweck der Regelung ist, dass in der Regel eben nicht der Verkäufer (ein Elektronikgeschäft), sondern der Hersteller (bspw. Samsung, Apple, Microsoft etc.) technisch und rechtlich in der Lage ist, der Aktualisierungsverpflichtung nachzukommen. Die Aktualisierungspflicht ist also nur dann effektiv umsetzbar, wenn diese Pflicht, bis zu dem, der tatsächlich dazu in der Lage ist, in der Lieferkette bis zum Hersteller weitergereicht werden kann. Kommt er dieser Verpflichtung nicht nach, so ist er zumindest verpflichtet, die dadurch entstehenden Kosten zu übernehmen.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

EVA

evanici

30.8.2023, 17:20:35

An welchen Zeitpunkt wird hier dann angeknüpft? Muss der Mangel dann zu einem Zeitpunkt vorliegen, als das Gerät hypothetisch hätte aktualisiert werden müssen? Woran macht man das dann fest, wann der Hersteller

aktualisierungspflicht

ig ist?

L.G

L.Goldstyn

21.7.2024, 16:38:40

Aus meiner Sicht ist die Antwort auf Frage 3 („V steht gegen U ein Anspruch auf Nacherfüllung zu“ – Antwort: Diese Aussage stimmt) nicht korrekt: Mit der im Sachverhalt genannten Lieferung des neuen Smartphones ist gem. § 362 Abs. 1 BGB Erfüllung des

Nacherfüllungsanspruch

s eingetreten.


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