Online-Durchsuchung

23. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Polizist P schleust über das Internet Spähsoftware auf Os Heim-Computer, die es ihm ermöglicht, sämtliche Daten auf Os Computer auszulesen. O bekommt davon nichts mit.

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Einordnung des Falls

Online-Durchsuchung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Os Wohnung fällt in den Schutzbereich des Art. 13 Abs. 1 GG.

Ja, in der Tat!

Art. 13 Abs. 1 GG bestimmt: "Die Wohnung ist unverletzlich." Unter Wohnung versteht man solche Räume, die der allgemeinen Zugänglichkeit durch eine räumliche Abschottung entzogen und zur Stätte privaten Lebens und Wirkens gemacht sind. Os privates Leben und Wirken findet in den Räumen seiner Wohnung statt. Der sachliche Schutzbereich des Art. 13 Abs. 1 GG ist eröffnet.
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2. Weil der Computer Os Wohnung steht, stellt das Einschleusen der Spähsoftware über das Internet nach BVerfG einen Eingriff in Art. 13 Abs. 1 GG dar.

Nein!

Art. 13 Abs. 1 GG schützt die räumliche Privatsphäre. Betritt die Polizei zur Installation von Spähsoftware auf einem Computer die Wohnung, liegt ein Eingriff in Art. 13 Abs. 1 GG vor. Damit vergleichbar sei es nach einer Ansicht, wenn Spähsoftware über das Internet auf Heim-Computer aufgespielt wird. Anders das BVerfG: Bei der sog. Online-Durchsuchung finde der Eingriff unabhängig vom Standort des infiltrierten Systems statt. Es hänge vom Zufall ab, ob sich das System in einer Wohnung befinde oder nicht. Auch überwinde der Staat keine Vorkehrungen zum Schutz der räumlichen Privatsphäre. Das Einschleusen der Spähsoftware über das Internet auf Os Computer ist kein Eingriff in Art. 13 Abs. 1 GG.

3. Das Einschleusen der Spähsoftware durch P auf Os Computer greift in den Schutzbereich des Telekommunikationsgeheimnisses (Art. 10 Abs. 1 GG) ein.

Nein, das ist nicht der Fall!

Das Brief-, Post- und Telekommunikationsgeheimnis (Art. 10 Abs. 1 GG) schützt die Vertraulichkeit der individuellen Kommunikation. Es soll den vor der Öffentlichkeit verborgenen Austausch von Nachrichten, Gedanken und Meinungen vor staatlichem Zugriff schützen. Der Schutzbereich beschränkt sich jedoch auf den Vorgang der Kommunikation, da dieser durch unbefugten Zugriff besonders gefährdet ist. Ist der Kommunikationsvorgang abgeschlossen, endet der Schutz des Art. 10 Abs. 1 GG. Folglich sind z.B. Daten, die nach Abschluss des Kommunikationsvorgangs auf dem Computer des Kommunikationsteilnehmers gespeichert sind, von Art. 10 Abs. 1 GG nicht geschützt.

4. Das Einschleusen der Spähsoftware durch P auf Os Computer greift allein in den Schutzbereich der allgemeinen Handlungsfreiheit des O (Art. 2 Abs. 1 GG) ein.

Nein, das trifft nicht zu!

Das BVerfG ist sich bewusst, dass die staatliche Überwachung privater Computer in die geschützte Sphäre der Betroffenen erheblich eingreift. Das BVerfG sieht in diesem Fall einen Eingriff in das Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme. Dieses ist nach BVerfG eine Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG). Grund: Informationstechnische Systeme ermöglichen einen umfassenden Einblick in wesentlichen Teile der persönlichen Lebensgestaltung. Sie erinnern an Wohnungen und bedürfen eines ähnlichen Schutzes, werden aber überall benutzt.

5. Der persönliche Schutzbereich des Art. 13 Abs. 1 GG ist eröffnet.

Genau, so ist das!

Träger des Grundrechts aus Art. 13 Abs. 1 GG ist, wer unmittelbarer Besitzer der durch Art. 13 Abs. 1 GG sachlich geschützten Räume ist. O ist als in der Wohnung lebende Person unmittelbarer Besitzer. Der persönliche Schutzbereich ist eröffnet ist.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Eigentum verpflichtet 🏔️

Eigentum verpflichtet 🏔️

26.5.2020, 23:49:26

Die letzte Frage hätte mit Ja beantwortet werden müssen. Obwohl das Verhalten vom

APR

in der Ausprägung des Schutzes informationstechnischer Systeme umfasst ist, greift das Ausspähen natürlich auch in die allgemeine Handlungsfreiheit ein, wie praktisch fast jedes staatliche Handeln.

TR

Tr(u)mpeltier

28.5.2020, 01:16:14

Da steckt der Teufel im Detail. Die Antwort nein ist mE nach durchaus korrekt. Denn gefragt ist ja, ob die Handlung "allein" die allgemeine Handlungsfreiheit verletzt. Und dies ist eben nicht der Fall, da auch das

apr

beeinträchtigt ist.

Eigentum verpflichtet 🏔️

Eigentum verpflichtet 🏔️

29.5.2020, 18:10:27

Das hab ich doch tatsächlich überlesen, danke dir ;)

ri

ri

18.7.2021, 00:09:13

Also als Verbrecher immer einen Zoomcall 24/7 laufen lassen und ich bin durch 10 I GG geschützt?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

13.12.2021, 11:10:26

Hi Ri, sofern die Spähsoftware nicht die Kommunikation mitschneidet, sondern allein dazu dient Daten auf Deinem PC ausfindig zu machen, so wäre auch dadurch der Schutzbereich des Art. 10 Abs. 1 GG nicht eröffnet. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

MW

MW

7.8.2021, 18:21:20

Es erschließt sich mir nicht wie bei einem Heim-Computer das Ergebnis vom Zufall bzgl des Standorts abhängen kann. Weder Skizze noch Wortlaut ist hier mit einem Laptop vergleichbar, daher habe ich mit dieser Argumentation meine Probleme.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

2.12.2021, 14:22:13

Hallo MW, das BVerfG hatte tatsächlich vor allem mobile Systeme wie Laptops oder Mobiltelefone im Blick. Gleichwohl hat es den Schutz des Art. 13 GG nicht nur bei diesen versagt, sondern insgesamt bei dem Ausspähen informationstechnischer Systeme. Zur Verteidigung dieser Rechtsprechung kann man vorbringen, dass natürlich auch Heimcomputer transportabel sind. Ein sehr gutes Beispiel liefern LAN-Parties, bei denen alle Beteiligten ihre Gaming-PCs mitbringen. Aber in der Tat erscheint es etwas gekünstelt, dass die Überwachung mit einem Richtmikrofon darunter fällt - das Ausspähen mittels der Webcam aber wiederum nicht ;-). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

QUIG

QuiGonTim

24.3.2022, 08:54:10

Wo beginnt und endet denn der von Art. 10 I GG geschützte Kommunikationsvorgang? Es klingt hier so, als würde die Telekommunikationsfreiheit weniger den Inhalt der Kommunikation als Teil der Privatsphäre, sondern hauptsächlich den (im Sinne von reibungslos) ungestörten Ablauf des Kommunikationsvorgangs schützen. Mit Blick auf den Wortlaut des Art. 10 I GG („Geheimnis“) schützt das Grundrecht jedoch gerade den Inhalt der Kommunikation.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

25.3.2022, 15:26:27

Hallo QuiGonTim, hier musst Du aufpassen, dass Du die Norm nicht unzulässig verkürzt. Es geht hier um das BRIEFgeheimnis, das POSTgeheimnis, das FERNMELDEgeheimnis.

Schutzgut

ist insofern nicht das Geheimnis an sich, sondern der Schutz der Fernkommunikation (und damit lediglich mittelbar des Geheimnisses selbst). Der Inhalt der Kommunikation selbst wird dagegen primär über das allgemeine Persönlichkeitsrecht geschützt (zB Selbstgespräche in der Wohnung / Tagebuchaufzeichnungen....). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team


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