Rückwirkung der Aufrechnung – Einschränkung

22. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

G gewährt A ein Darlehen i.H.v. €10.000. Zur Sicherheit übereignet A G Aktien zum Kurswert von €7.500. G veräußert die Aktien. Danach steigt der Kurs der Aktien auf €10.500. A macht nun Schadensersatz wegen der unberechtigten Veräußerung geltend.

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Einordnung des Falls

Rückwirkung der Aufrechnung – Einschränkung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. A kann mit dem gegen G gerichteten Schadensersatzanspruch aus unberechtigter Veräußerung gegen Gs Darlehensrückzahlungsanspruch aufrechnen (§ 387 BGB).

Genau, so ist das!

Die Aufrechnung setzt eine Aufrechnungslage (§§ 387, 390 BGB) und eine Aufrechnungserklärung (§ 388 BGB) voraus. Zudem darf die Aufrechnung nicht ausgeschlossen sein (§§ 392-394 BGB). A und G stehen gegenseitig Geldforderungen zu. As Schadensersatzforderung ist sofort (§ 271 Abs. 1 BGB) fällig und einredefrei. Gs Forderung ist wirksam und erfüllbar. A hat noch die Aufrechnung zu erklären. Das Aufrechnungsverbot gegen Forderungen aus unerlaubter Handlung (§ 393 BGB) gilt nur für den Schädiger, nicht den Geschädigten
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2. Die Aufrechnung wirkt grundsätzlich auf den Zeitpunkt zurück, in dem das erste Mal eine Aufrechnung vorlag (§ 389 BGB).

Ja, in der Tat!

Die Norm bestimmt, dass die aufgerechneten Forderungen grundsätzlich ab dem Zeitpunkt als erloschen gelten, ab dem das erste Mal eine Aufrechnungslage vorlag. Die Aufrechnung wirkt also ex tunc (von Anfang an).

3. Stellt man auf den Zeitpunkt der Aufrechnungslage ab, müsste A nach erklärter Aufrechnung noch €2.500 zahlen.

Ja!

Zum Zeitpunkt der Veräußerung der Aktien und damit des Entstehens des Schadensersatzanspruches betrug der Kurswert der Aktien lediglich €7.500. Damit besteht zum Zeitpunkt der Aufrechnungslage eine Differenz von €2.500, die A an G zahlen müsste.

4. Zweck der Rückwirkung (§ 389 BGB) ist es, dass der Aufrechnende nicht gezwungen wird, sofort die Aufrechnung zu erklären.

Genau, so ist das!

Zweck der Rückwirkung ist es, den Aufrechnenden vor einem späteren Anwachsen der Hauptforderung zu schützen. Denn der Aufrechnende weiß schon vor Erklärung der Aufrechnung, dass er nichts mehr schuldet, sodass er sich wirtschaftlich nicht mehr als Schuldner fühlen muss. Die Rückwirkung soll ihn also davor bewahren, gezwungen zu werden, die Aufrechnung sofort zu erklären. Diese Überlegung trifft aber nicht auf Schuldner zu, denen es ohnehin untersagt ist, die Aufrechnung zu erklären (zB nach § 393 BGB). Denn diese können sich ohnehin nicht durch Aufrechnung dagegen wehren, dass die gegen sie gerichtete Forderung anwächst und der Gläubiger die reale Forderung der angewachsenen Forderung verlangt.

5. Ist die Rückwirkung (§ 389 BGB) im vorliegenden Fall anzuwenden?

Nein, das trifft nicht zu!

Ist einem Schuldner die Aufrechnung verwehrt (zB nach § 393 BGB), so lässt der BGH zu seinen Gunsten auch keine Rückwirkung zu. Da der Schuldner nicht aufrechnen kann, stehe ihm auch kein schutzwürdiges Interesse zu, vor einem Anwachsen der Forderung geschützt zu werden. Würde die Aufrechnung aufgrund der Rückwirkung die Geltendmachung einer höheren Schadensersatzforderung verhindern, würde der Aufrechnungsgegner von einer Aufrechnung absehen. Er könnte stattdessen die reale Erfüllung verlangen. Der beidseitige Leistungsaustausch wäre insoweit behindert. In diesen Fällen stellt der BGH bei der Wertberechnung deshalb auf den Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung ab.G selbst wäre eine Aufrechnung gegen As Schadensersatzforderung verwehrt. A kann deshalb mit der vollen Schadensersatzforderung, die zum Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung bestand (€10.500), mit Gs Darlehensforderung aufrechnen. Ihm bleibt damit ein Anspruch auf Auszahlung der restlichen €500.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

DIAA

Diaa

4.8.2023, 21:20:57

Liebes Jurafuchs-Team, könnt ihr bitte die Obersätze weiterhin in Konjunktiv II formulieren, damit man bei Beantwortung der Fragen nicht durcheinander kommt? Vielen Dank :)

ISAB

Isabelle.Sophie

3.12.2023, 07:59:58

Woraus ergibt sich der gegen G gerichtete Schadensersatzanspruchs aus ungerechtfertigter Veräußerung´?

Paulah

Paulah

7.12.2023, 09:47:43

G hat die Aktien verkauft, obwohl die Rückzahlung des kompletten Darlehens nicht fällig war. Die Aktien waren nur als Sicherheit gedacht und nicht als Erfüllung oder

erfüllungshalber

.

QUIG

QuiGonTim

7.12.2023, 10:26:02

Ich denke, @[Isabelle.Sophie](221527) meinte eher, auf welche Normen der SE-Anspruch gestützt wird.

Nora Mommsen

Nora Mommsen

7.12.2023, 10:57:24

Hallo Isabelle.Sophie, danke für deine Frage! Der Übertragung der Sicherheit liegt die

Sicherungsabrede

auch Sicherungsvertrag zugrunde. Eine der Hauptpflichten des Sicherungsnehmers aus dem Sicherungsvertrag ist die Rückgewähr der Sicherung nach Wegfall der zu sichernden Forderung. Der Schadensersatzanspruch ergibt sich daher aus Vertrag §§ 275 IV, 280 I, III, 283 BGB. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

UT

unvorsätzlicher Totschläger

31.10.2024, 11:17:59

Müsste nicht damit die Argumentation mit §393 vorliegend greift der SEA vielmehr aus § 823 sprich unerlaubter Handlung geltend gemacht werden?

QUIG

QuiGonTim

7.12.2023, 10:29:37

Warum verfolgt die Rückwirkungsregel des §

389 BGB

den Zweck, den Aufrechnenden davor zu bewahren, die Aufrechnung frühzeitig zu erklären? Hat nicht auch der Aufrechnungsgegner ein berechtigtes Interesse an der frühzeitigen Klärung der Rechtslage?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

7.12.2023, 11:02:22

Hallo QuiGonTim, danke für deine Frage! Der Schuldner, der bei Erwerb der Aktivforderung nicht sofort die Aufrechnung erklärt, sondern darauf vertraut hat, in Höhe der Aktivforderung nicht mehr von seinem Gläubiger in Anspruch genommen zu werden, müsste bisher geschuldete Zinsen weiterentrichten und könnte noch in Verzug geraten. Der Gesetzgeber hat daher die Regelung getroffen, dass vom Eintritt der Aufrechnungslage an weder auf die passiv noch auf die aktive Forderung Zinsen entfallen. Ferner gilt ein nach diesem Zeitpunkt entstandener Verzug als nicht eingetreten und eine deshalb begründete Vertragsstrafe als nicht verwirkt. Dementsprechend können als Zinsen, Verzugsschadensersatz und Vertragsstrafe erbrachte Leistungen als ungerechtfertigte Bereicherung zurückgefordert werden, soweit sie auf die Zeit zwischen Eintritt der Aufrechnungslage und Aufrechnungserklärung entfallen. Dies schützt natürlich - insbesondere durch die Zinsen - auch den Aufrechnungsgegner. Aber der Erklärende kann darauf vertrauen, dass sich die Rechtslage und die geschuldete Leistung diesbezüglich nicht mehr ändert und muss nicht möglichst schnell die Aufrechnung erklären nur um diese Rechtsfolgen zu umgehen. Es geht also darum nicht verfrüht aufzurechnen. Natürlich haben beide Parteien in der Regel ein Interesse an einer Klärung der Rechtslage. Es steht ja auch beiden offen. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

STE

Stella2244

24.4.2024, 14:49:35

@[

Nora Mommsen

](178057) erstmal vielen Dank für deine Antwort, trotzdem wird mir nicht ganz klar, warum man davor geschützt werden sollte, eine Aufrechnung frühzeitig erklären zu müssen?

Jakob G.

Jakob G.

21.9.2024, 07:33:39

Anders herum wird ein Schuh draus: die aufrechnende Person deren Forderung zuerst fällig wird (Fällige Gegenforderung, erfüllbare Hauptforderung) konnte sich ja immer darauf verlassen, die später fällig werdende Hauptforderung mittels Aufrechnung zu begleichen. Folglich mussten niemals Rückstellungen getätigt werden um in Geld leisten zu können. (Aufrechnung als private Zwangsvollstreckung). Dieses Vertrauen besteht auch, wenn die Hauptforderung - wie hier - in ihrem Wert fluktuiert. Oder wenn diese massiv stärker verzinslich ist und somit die Gegenforderung irgendwann übersteigt. Das sorgt auch bei Aufrechnungsgegner*in für Rechtssicherheit, nicht draufzahlen zu müssen bloß weil zufällig aufgerechnet wird als die Hauptforderung (z.B. dramatische Kursschwankung bei Aktienpaket) mehr wert ist. Um diese Unwägbarkeit zu hintertreiben, wirkt die Aufrechnung auf die erstmalige Aufrechnungslage zurück.

QUIG

QuiGonTim

2.2.2024, 19:55:08

Ich habe die Aufgabe nun schon mehrfach bearbeitet, aber ich komme nicht darauf, warum die Aktien zum Zeitpunkt, in dem sich die Forderungen erstmals zur Aufrechnung geeignet gegenübergetreten sind, 7.500 € wert gewesen sein sollen. Ist die Schadensersatzforderung des A nicht überhaupt erst entstanden, als G die Aktien (entgegen seiner Pflicht aus dem Sicherungsvertrag) zu einem Wert von 10.000 € veräußert hat? Wie können die Ansprüche dann überhaupt einander gegenübergetreten sein, als die Aktien 7.500 € waren, wenn zu diesem Zeitpunkt einer der beiden Ansprüche noch gar nicht existiert hat?

Falsus Prokuristor

Falsus Prokuristor

16.2.2024, 19:19:55

G hat die Aktien aber gerade für 7500€ verkauft, was (wie man bei Aktien aufgrund der funktionalen Preisbildung an Börsen annehmen kann) dem Wert der Aktien entspricht und damit den Schaden des A darstellt. Entsprechend entsteht der SEA in dieser Höhe und wächst später auf 10500€. Deiner Frage nach hast Du Dich beim Verkaufspreis verlesen, ansonsten hättest Du natürlich recht. Allerdings wäre der Anspruch dann noch um 500€ angewachsen und es ging „nur“ um die Frage, ob A diese noch erlangen kann, die (volle) Aufrechnung gegen das Darlehen wäre dann aber unproblematisch.

LS2024

LS2024

21.4.2024, 13:46:14

Die letzte Frage kann man anhand des Sachverhalts nicht beantworten. Soweit ich es richtig verstanden habe, ergibt sich der Umstand, dass der andere Teil nicht aufrechnen kann im zugrundeliegenden BGH Urteil aus den Besonderheiten der Besatzung Deutschlands durch die Alliierten. Ein Hinweis, dass der andere Teil nicht aufrechnen kann, oder eine Anpassung des Falls wäre deshalb erforderlich (Eine Anpassung wäre etwa dadurch möglich, dass die Forderung aus Delikt stammt und somit eine Aufrechnung nur einseitig möglich ist)

UT

unvorsätzlicher Totschläger

31.10.2024, 11:18:30

Müsste nicht damit die Argumentation mit §393 vorliegend greift der SEA vielmehr aus § 823 sprich unerlaubter Handlung geltend gemacht werden?


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