Strafrecht
Examensrelevante Rechtsprechung SR
Entscheidungen von 2021
Verdeckungsabsicht trotz aufgedeckter Tat?
Verdeckungsabsicht trotz aufgedeckter Tat?
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Drogendealer T lagert Betäubungsmittel in seiner Wohnung. Er rechnet damit, bald entdeckt zu werden. Da T die Polizei hasst, beschließt er im Falle einer Wohnungsdurchsuchung einen Polizisten allein aufgrund seines Berufs zu töten. Als Polizist O die Wohnung stürmt, erschießt T den O.
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Einordnung des Falls
Der BGH entscheidet hier über den Mord an einem Polizisten während einer geplanten Durchsuchung nach Drogen. Das Gericht bekräftigt seine bisherige Linie, dass das Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht ausscheide, wenn die zu verdeckende Tat bereits aufgedeckt ist und jede Verdeckungshandlung aussichtslos ist. Niedere Beweggründe lägen hingegen vor, wenn der Täter sein Opfer allein aufgrund der Zugehörigkeit zu einer gewissen (Berufs-)Gruppe töte.
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Könnte T sich wegen Mordes strafbar gemacht haben, indem er auf den hereinstürmenden O schoss (§ 211 Abs. 2, Gr. 3, Alt. 2 StGB)?
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. Könnte T das Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht erfüllt haben (§ 211 Abs. 2, Gr. 3, Alt. 2 StGB)?
Genau, so ist das!
3. Kommt eine Tötung zur Verdeckung einer Straftat auch dann in Betracht, wenn der Täter davon ausgeht, dass die Vortat schon aufgedeckt ist?
Nein, das trifft nicht zu!
4. Hat T das Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht erfüllt?
Nein!
5. Hat T den O aus niedrigen Beweggründen getötet?
Genau, so ist das!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Philipp Paasch
10.11.2022, 23:50:19
Bei der letzten Frage könnte konkretisierender Weise geschrieben werden, "dies ist unter anderem dann der Fall" oder "dies kann der Fall sein, wenn". Ich denke zwar nicht, dass jemand dies als, "das ist nur der Fall wenn" liest, aber es könnte auch nicht schaden. 🙂
Nora Mommsen
11.11.2022, 12:03:12
Hallo Philipp Paasch, danke dir für die Anmerkung! Wir haben die Antwort umformuliert, sodass es nun klar sein sollte :) Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
Jonas Neubert
12.9.2023, 08:07:55
Die Formulierung: „Er rechnet bald damit entdeckt zu werden“ ist m.E. nicht mit der subjektiven Annahme der Aufdeckung der Vortat gleich zu setzen. Womöglich prägnanter formulieren: „Er denkt, dass sein Verhalten entdeckt wurde“. Insbesondere weil statistisch fast jeder Täter zwangsläufig denken muss, dass er entdeckt wird
Rick-energie🦦
10.11.2023, 07:31:10
Ich hätte daraus ebenfalls die
Verdeckungsabsichtnicht abgelehnt, denn wenn die subjektice Komponente maßgebend ist, ist ein Rechnen mit Verfolgung so lange irrelevant, wie der Täter noch denkt, dass er aus der Sache rauskommen kann. Oder ist die Ansicht des BGH so zu verstehen, dass an die subjektiven Gegebenheiten beim Täter anzuknüpfek ist, diese aber durch die objektiven Umstände limitiert werden? Wenn dem so sein sollte, müsste das m.E. in der Erläuterung ergänzt werden
Skywalker
20.11.2023, 18:30:48
Die Formulierung ist wirklich etwas undurchsichtig. Laut BGH kann eine
Verdeckungsabsichtdann nicht vorliegen, wenn der Täter davon ausgeht, dass seine Tat bereits(!) entdeckt wurde. Ein rechnen mit "baldiger" Entdeckung, reicht also gerade nicht aus. Vielmehr muss der Täter von der gegenwärtigen Entdeckung ausgehen. Im ursprünglichen Fall rechnete der Täter zwar mit der "baldigen" Hausdurchsuchung, als er die Polizeibeamten im Hausflur hörte, allerdings sieht der BGH nicht in der anstehenden (zukünftigen!) Hausdurchsuchung das Entdecken, sondern aus den gegenwärtigen! Umständen, die sich daraus für den Täter ableiten lassen (Kenntnis der Ermittlungs
behörden über die Tätigkeiten des Täters etc.).