Betretungs- und Besichtigungsrechte bei Geschäftsräumen – Schutzbereich Art. 13 GG


+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Handwerker H betreibt allein eine kleine Werkstatt. Ein Beamter des Ordnungsamtes möchte die Einhaltung gewerblicher und baulicher Standards in der Werkstatt überprüfen. H lehnt dies mit Verweis auf Art. 13 Abs. 1 GG ab.

Einordnung des Falls

Betretungs- und Besichtigungsrechte bei Geschäftsräumen – Schutzbereich Art. 13 GG

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Art. 13 Abs. 1 GG schützt die Unverletzlichkeit der Wohnung.

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Ja!

Art. 13 Abs. 1 GG bestimmt: "Die Wohnung ist unverletzlich." Unter Wohnung versteht man solche Räume, die der allgemeinen Zugänglichkeit durch eine räumliche Abschottung entzogen und zur Stätte privaten Lebens und Wirkens gemacht sind. Art. 13 GG hängt eng mit der freien Entfaltung der Persönlichkeit zusammen. Er soll dem Einzelnen einen elementaren Lebens- und Rückzugsraum sichern, in dem er vor staatlichen Eingriffen geschützt ist.

2. Da Art. 13 Abs. 1 GG den Bereich der individuellen Privatsphäre des Bürgers schützt, ist davon nach BVerfG und h.M. ausschließlich die privat genutzte Wohnung erfasst.

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Nein, das ist nicht der Fall!

Die Einbeziehung von Arbeits- und Geschäftsräumen in Art. 13 Abs. 1 GG ist umstritten: Dagegen spricht die allgemeine Wortbedeutung des Begriffs "Wohnung" (Wortlaut) sowie der Zweck des Art. 13 Abs. 1 GG, einen Raum für die freie Entfaltung der Persönlichkeit zu schützen (Telos). Dafür spricht, dass Beruf, Arbeit und Gewerbe nach der Verfassung (Art. 12, 14 GG) wichtige Bedeutung für die Selbstverwirklichung des Einzelnen zukommt (Systematik, Telos). Zudem wurde der Wortlaut von Art. 13 Abs. 1 GG aus der Preußischen Verfassung und der Frankfurter Reichsverfassung übernommen, die damit nicht nur Wohnräume meinten, weil historisch gerade der Arbeitsplatz Gegenstand von Eingriffen der öffentlichen Gewalt war (Historie). Angesichts dessen schützt Art. 13 Abs. 1 GG nach BVerfG und h.M. die "räumliche Privatsphäre" und damit im Grundsatz auch Arbeits- und Geschäftsräume. Wenn es in der Klausur darauf ankommt, regnet es bei einer solchen Darstellung Punkte.

3. Der Öffentlichkeit nicht zugängliche Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräume von Einzelunternehmern werden nach BVerfG und h.M. vom Schutz des Art. 13 GG erfasst.

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Ja, in der Tat!

Wegen der verfassungsrechtlich hohen Bedeutung von Beruf, Arbeit und Gewerbe für die Selbstverwirklichung des Einzelnen sind Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräume nach BVerfG und h.M. im Grundsatz von Art. 13 Abs. 1 GG geschützt. Während das BVerfG diese Räume ohne Einschränkung von Art. 13 Abs. 1 GG erfasst sieht, kommt es nach der überwiegenden Ansicht in der Literatur darauf an, dass die Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräume - wie die private Wohnung - räumlich abgeschottet und für die Öffentlichkeit nicht ohne Weiteres zugänglich sind. Bei Einzelunternehmern ist überdies der Bezug zur individuellen Selbstverwirklichung und damit zum Zweck des Art. 13 Abs. 1 GG besonders hoch.

4. Die Werkstatt des H fällt in den sachlichen Schutzbereich des Art. 13 Abs. 1 GG.

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Ja!

Art. 13 Abs. 1 GG erfasst auch Geschäftsräume, die der Öffentlichkeit entzogen sind, um das Wirken und die berufliche Entfaltung zu schützen. Die Werkstatt des H, welche räumlich abgeschottet ist, fällt in den sachlichen Schutzbereich des Art. 13 Abs. 1 GG.

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