Zivilrecht

BGB Allgemeiner Teil

Formfreiheit und Grenzen

Schriftform (§ 126 BGB) Wohnraummietrecht; 550 S. 1, keine Wirksamkeitsvoraussetzung; Rechtsfolge: MV auf unbestimmte Zeit geschlossen; Vermieter kann nur bei berechtigtem Interesse kündigen (573 Abs. 1 S. 1)

Schriftform (§ 126 BGB) Wohnraummietrecht; 550 S. 1, keine Wirksamkeitsvoraussetzung; Rechtsfolge: MV auf unbestimmte Zeit geschlossen; Vermieter kann nur bei berechtigtem Interesse kündigen (573 Abs. 1 S. 1)

21. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Mieter M möchte bei Vermieterin V eine 3-Zimmer-Altbauwohnung in Berlin-Charlottenburg anmieten. M und V schließen mündlich einen befristeten Mietvertrag über zwei Jahre. Die monatliche Miete beträgt €1000.

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Einordnung des Falls

Schriftform (§ 126 BGB) Wohnraummietrecht; 550 S. 1, keine Wirksamkeitsvoraussetzung; Rechtsfolge: MV auf unbestimmte Zeit geschlossen; Vermieter kann nur bei berechtigtem Interesse kündigen (573 Abs. 1 S. 1)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Ein Rechtsgeschäft, das der gesetzlich vorgeschriebenen Form ermangelt, ist nichtig (§ 125 S. 1 BGB).

Ja!

Die Rechtsfolge der Nichteinhaltung des gesetzlichen Formerfordernisses ist grundsätzlich im allgemeinen Teil des BGB normiert (§ 125 S. 1 BGB). Es handelt sich dabei um eine Einwendung, die von Amts wegen zu berücksichtigen ist. Dies hat zur Folge, dass die Rechtsfolge der Nichtigkeit der Disposition der Parteien entzogen ist. Daneben bestehen noch Spezialregelungen, die abweichende Rechtsfolgen anordnen. Beispielsweise im Mietrecht (§ 550 S. 1 BGB) oder beim Verbraucherdarlehensvertrag (§ 494 Abs. 3 BGB).
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2. Der Mietvertrag zwischen M und V bedarf der Schriftform (§ 126 BGB).

Genau, so ist das!

Für den Abschluss von befristeten Wohnraummietverträgen über einen Zeitraum von länger als einem Jahr sieht das Mietrecht ein Schriftformerfordernis vor (§ 550 S. 1 BGB). Diese Regelung ist über § 578 Abs. 1 BGB, § 578 Abs. 2 BGB auch auf Mietverträge über Grundstücke und Räume, die keine Wohnräume sind, anwendbar. Die inhaltlichen Anforderungen an die Schriftform richten sich nach § 126 BGB. Bei dem zwischen V und M geschlossenen Vertrag handelt es sich um einen Mietvertrag über Wohnraum. Der Mietvertrag soll auf zwei Jahre befristet werden. Die Voraussetzungen des § 550 S. 1 BGB liegen vor.

3. M und V wahren das Schriftformerfordernis.

Nein, das trifft nicht zu!

Zur Wahrung der Schriftform bedarf es der Ausstellung einer Urkunde und der Unterzeichnung durch den Aussteller. Die Unterzeichnung kann durch eigenhändige Namensunterschrift oder durch notariell beglaubigtes Handzeichen erfolgen. Die zu unterzeichnende schriftliche Urkunde muss alle wesentlichen Vertragsbestimmungen enthalten. Die Anfertigung der Urkunde kann beispielsweise per Handschrift, Fotokopie und Computerausdruck erfolgen. Die Parteien M und V haben eine mündliche Vereinbarung getroffen. Eine Urkunde über den Abschluss des Mietvertrages wurde weder ausgestellt noch unterzeichnet.

4. Der Mietvertrag ist aufgrund des mündlichen Vertragsschlusses nichtig.

Nein!

Das Mietrecht enthält eine Spezialregelung und ordnet eine abweichende Rechtsfolge von § 125 S. 1 BGB an (§ 550 BGB). Ein Verstoß gegen das Schriftformerfordernis führt nicht zur Nichtigkeit des Vertrages. Der Mietvertrag gilt als für unbestimmte Zeit geschlossen. Der Mietvertrag ist wirksam zustande gekommen. Eine Kündigung ist nach den Vorschriften des §§ 573ff. BGB möglich. Der Vertrag zwischen V und M gilt auf unbestimmte Zeit geschlossen

5. Die abweichende Rechtsfolge schützt allein den Mieter.

Nein, das ist nicht der Fall!

Zentrale Funktion ist der Schutz des Erwerbers. Im Fall der Veräußerung des vermieteten Wohnraums durch den Vermieter tritt der Erwerber in die Rechtsstellung des Vermieters ein (§ 566 Abs. 1 BGB). Durch die schriftliche Fixierung wird es dem Erwerber ermöglicht, sich einen genauen Überblick über die Rechtsstellung des Vermieters zu verschaffen. Weder M noch V sollen primär geschützt werden durch das Formerfordernis.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Philip

Philip

5.11.2024, 21:51:42

Wie bereits im Titel beschrieben, verstehe ich nicht, welche Norm terminiert, dass ein Mietvertrag prinzipiell formbedürftig ist. Ich verstehe § 550 1 BGB so, dass ein Mietvertrag zwar in schriftlicher Form geschlossen werden KANN (aber nicht muss), wenn dieser allerdings länger als ein Jahr geplant ist, dann ist dieser mündlich/

konkludent

e Vertrag auf unbestimmte Zeit geschlossen. Wo lese ich da genau heraus, dass der Mietvertrag formbedürftig ist? Und wie hilft mir

§ 127 BGB

dabei? Danke schonmal

Saberhack

Saberhack

6.11.2024, 20:05:54

Huhu @Philip ☺️ Richtig, der Grundsatz der

Formfreiheit

gilt auch für Mietverträge. Nur ausnahmsweise muss ein Mietvertrag gemäß § 550 Satz 1 i.V.m. § 578 BGB über Wohnräume, ein Grundstück oder andere Räume, die für länger als ein Jahr gelten sollen, in schriftlicher Form (§ 126 BGB) geschlossen werden. Missachten die Parteien diese Formvorschrift, gilt der Mietvertrag als auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. Das bedeutet, dass der Mietvertrag nicht gemäß § 125 BGB insgesamt nichtig ist; vielmehr führt die Missachtung des Schriftformerfordernisses nur zur Unwirksamkeit der vereinbarten Mietdauer. Im Beispiel wollten M und V den Mietvertrag für zwei Jahre befristen. Das geht nach § 550 BGB jedoch nur schriftlich. Da sie den Vertrag allerdings mündlich geschlossen haben, gilt er nun auf unbestimmte Zeit.

§ 127 BGB

sagt letztlich nur, dass Parteien auch vertraglich eine bestimmte Form für ein Rechtsgeschäft vereinbaren können.

Philip

Philip

6.11.2024, 20:12:59

Danke @[Saberhack](166076), jetzt ab ich es verstanden!

Saberhack

Saberhack

6.11.2024, 20:14:10

@[Philip](211126) Super, das freut mich ☺️🙌🏼

BEN

benjaminmeister

16.11.2024, 21:29:20

Das mit dem Verschaffen eines Überblicks ergibt irgendwie nicht so viel Sinn wenn man berücksichtigt, dass auf unbestimmte Zeit abgeschlossene Mietverträge keiner Form benötigen. Wenn mans genau nimmt liegt der Schutz des Erwerbers also eher darin, dass keine Mietverhältnisse mit extrem langen Laufzeiten vorliegen können, wenn keine Mietverträge vorliegen, die die Schriftform wahren.


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