Strafrecht
Examensrelevante Rechtsprechung SR
Entscheidungen von 2017
Konkurrenzverhältnis zwischen Nötigung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte
Konkurrenzverhältnis zwischen Nötigung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Der Amtstierarzt T möchte für die zuständige Veterinärbehörde bei A prüfen, ob und wie dieser auf seinem Grundstück Tiere hält. A droht ihm u.a. mit einem Schreckschussrevolver, sollte T das Grundstück betreten. T ist unbeeindruckt und prüft dennoch.
Diesen Fall lösen 73,8 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
In dieser Entscheidung beschäftigt sich der BGH mit dem Konkurrenzverhältnis zwischen Nötigung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. Der Täter hatte eine versucht, den Beamten zu nötigen und dadurch Widerstand geleistet. Strafbar ist der Täter aber nur wegen letzterem. Jedes Widerstandleisten verfolge nämlich zugleich den Zweck, den Beamten zu einer Duldung oder Unterlassung zu nötigen. Die Nötigung trete deshalb im Wege der Spezialität zurück.
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Hat A T ebenfalls genötigt (§ 240 Abs. 1 StGB), die Prüfung zu unterlassen?
Nein, das ist nicht der Fall!
Jurastudium und Referendariat.
2. Hat A sich einer versuchten Nötigung (§§ 240 Abs. 1, 3, 22 StGB) strafbar gemacht?
Ja, in der Tat!
3. A wird nur nach § 113 Abs. 1 StGB bestraft. Treten §§ 240 Abs. 1, 3, 22 StGB im Konkurrenzwege zurück?
Ja!
4. Hat A T durch Drohung mit Gewalt Widerstand geleistet (§ 113 Abs. 1 StGB)?
Genau, so ist das!
5. Ist T Amtsträger (§ 113 Abs. 1 i.V.m. § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB)?
Ja, in der Tat!
Fundstellen
Prüfungsschema
Wie prüfst Du die Strafbarkeit wegen Nötigung (§ 240 StGB)?
- Tatbestandsmäßigkeit
- Objektiver Tatbestand
- Nötigungsmittel (Gewalt oder Drohung mit empfindlichem Übel)
- Nötigungserfolg: Handlung, Duldung, oder Unterlassung
- Nötigungsspezifischer Zusammenhang zwischen Nötigungsmittel und -erfolg
- Subjektiver Tatbestand: Vorsatz (bzgl. Nötigungserfolgs ist die Vorsatzform str.)
- Objektiver Tatbestand
- Rechtswidrigkeit
- Fehlen von Rechtfertigungsgründen
- Verwerflichkeit gem. § 240 Abs. 2 StGB
- Schuld
- Strafzumessung: Besonders schwere Fälle (§ 240 Abs. 4 StGB)
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Jana-Kristin
13.6.2020, 08:57:59
Es ist doch widersprüchlich, dass man zuerst 240 I,22, 23 I bejaht und danach die Nötigung (zurecht!) aufgrund des lex specialis-Verhältnis zu 113 I verneint. Die Prüfung von 240 kann dann entfallen und führt nur zu Verwirrung.
Eigentum verpflichtet 🏔️
13.6.2020, 10:22:39
So wie ich das verstehe, wird der Tatbestand der versuchten Nötigung erfüllt. Er tritt nur im Wege der Konkurrenzen hinter 113 I zurück.
Christian Leupold-Wendling
13.6.2020, 23:35:42
Danke für die Anmerkung, Jana-Kristin! Genau, versuchte Nötigung tritt im Konkurrenzwege zurück. Schon aus didaktischen Gründen müssen wie die versuchte Nötigung prüfen. In der Klausur oder einem Rechtsgutachten je nach Situation u.U. auch, würden wir sagen.
hagenhubl
17.9.2024, 10:33:35
Warum nehmt ihr nicht auch den Fall auf, wo im Rahmen einer Kontrolle der Bauer auf einen Tierschützer schoss und der Tierschützer eine Niere verlor? Dieser Fall kam damals in den Medien.