Öffentliches Recht

VwGO

Feststellungsklage

Ausnahme der Subsidiarität ggü Normenkontrollantrag für Berlin und Hamburg

Ausnahme der Subsidiarität ggü Normenkontrollantrag für Berlin und Hamburg

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Nach einer neuen Verordnung in Hamburg (H) dürfen Katzen nur noch frei draußen rumlaufen, wenn sie sterilisiert sind. Tierliebhaberin Tina (T) ist empört. Sie will feststellen lassen, dass H so eine Verordnung nicht erlassen durfte.

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Einordnung des Falls

Ausnahme der Subsidiarität ggü Normenkontrollantrag für Berlin und Hamburg

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Ts Klagebegehren ist letztlich vor allem darauf gerichtet, dass die Verordnung unwirksam wird. Grundsätzlich käme deswegen die Normenkontrolle (§ 47 VwGO) in Betracht.

Ja!

Begehrt der Kläger die Überprüfung der Gültigkeit einer Rechtsnorm, kommt ein Normenkontrollantrag (§ 47 VwGO) in Betracht. Ein Normkontrollantrag ist statthaft, (1) gegen Satzungen, die nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs erlassen wurden, sowie gegen Rechtsverordnungen aufgrund des § 246 Abs. 2 BauGB(§ 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) und (2) gegen andere im Rang unter den Landesgesetz stehende Rechtsvorschriften, sofern das Landesrecht dies bestimmt (§ 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO). Landesgesetze in diesem Sinne sind z.B. Art. 5 BayAGVwGO, § 15 HessAGVwGO, § 75 NJG, § 62a JustG Bln.
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2. Auch in Hamburg existiert ein Gesetz im Sinne von § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO.

Nein, das ist nicht der Fall!

In Hamburg existiert keine entsprechende Regelung, ein Normkontrollantrag nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO ist hier nicht statthaft. Die Verordnung ist eine Verordnung des Landes Hamburg. T kann keinen Normenkotrollantrag nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO erheben. Auch die anderen Möglichkeiten des § 47 VwGO kommen hier nicht in Betracht. Die Normenkontrolle ist unstatthaft.

3. T ist rechtsschutzlos gegenüber der Verordnung.

Nein, das trifft nicht zu!

Rechtsschutz gegen untergesetzliche Normen bei Unanwendbarkeit von § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO gänzlich zu untersagen, widerspräche dem Grundsatz effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG). Das BVerfG und die wohl h.M. halten eine gegen den Normgeber gerichtete Feststellungsklage für statthaft, gerichtet darauf, dass die Norm (keine) Wirkungen für den Kläger entfaltet bzw. seine subjektiven Rechte (nicht) verletzt. Ist eine Normenkontrolle nicht statthaft, gibt es im Verhältnis zur Feststellungsklage, gerichtet darauf, dass ein Hoheitsträger eine konkrete Norm nicht erlassen durfte, keine speziellere Rechtsschutzmöglichkeit. Die Feststellungsklage wird damit nicht verdrängt. Das parallele Problem ergibt sich bei Rechtsverordnungen des Bundes, die ebenfalls nicht von § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO erfasst werden.

4. T begehrt die Feststellung, dass die Verordnung kein Rechtsverhältnis zwischen ihr und H begründet. Statthaft ist die Feststellungsklage.

Ja!

Das BVerfG und die wohl h.M. halten eine gegen den Normgeber gerichtete Feststellungsklage für statthaft, gerichtet darauf, dass die Norm (keine) Wirkungen für den Kläger entfaltet bzw. seine subjektiven Rechte (nicht) verletzt. Darin liegt das feststellungsfähige Rechtsverhältnis. T begehrt die Feststellung, dass die Verordnung keine Wirkung gegenüber ihr entfaltet, sie also nicht dazu zwingt, ihre Katzen sterilisieren zu lassen. Sie begehrt die Feststellung, dass die Verordnung kein Rechtsverhältnis zu H begründet (§ 43 Abs. 1, Var. 2 VwGO).
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

MER

Merida

6.7.2023, 10:16:20

An sich ein guter SV, woher soll allerdings jemand, der nicht aus Hamburg kommt oder dort studiert hat wissen, ob es eine landesrechtliche Vorschrift gibt?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

7.7.2023, 10:45:54

Hallo Merida, danke für deine Rückfrage. Es ist tatsächlich nicht unbedingt zwingendes Wissen, tatsächlich ist Hamburg aber das letzte Bundesland das keinen Gebrauch von der Möglichkeit des § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO gemacht hat. Das ist durchaus nicht verkehrt, das auf dem Schirm zu haben. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team


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