Referendariat

Die ZVR-Klausur

Vollstreckungserinnerung, § 766 ZPO

Rubrum und Tenor bei erfolgreicher Schuldnererinnerung gegen Sachpfändung (Verstoß gegen § 811 Abs. 1 Nr. 1c ZPO)

Rubrum und Tenor bei erfolgreicher Schuldnererinnerung gegen Sachpfändung (Verstoß gegen § 811 Abs. 1 Nr. 1c ZPO)

24. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Auf Antrag des Vollstreckungsgläubigers G wurde bei Vollstreckungsschuldner S dessen Lesebrille gepfändet. Daraufhin hat S Vollstreckungserinnerung beim zuständigen Vollstreckungsgericht eingelegt. Sie wurde Richterin R zugeteilt, die sie für zulässig und begründet hält. ‌

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Einordnung des Falls

Rubrum und Tenor bei erfolgreicher Schuldnererinnerung gegen Sachpfändung (Verstoß gegen § 811 Abs. 1 Nr. 1c ZPO)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. R muss ein Urteil anfertigen (§§ 766 Abs. 1 S. 1, 764 Abs. 3 ZPO).

Nein!

Für eine Vollstreckungserinnerung ist nach § 766 Abs. 1 S. 1 ZPO das Vollstreckungsgericht zuständig. Nach § 764 Abs. 3 ZPO ergehen die Entscheidungen des Vollstreckungsgerichts durch Beschluss. R hat vorliegend als Richterin beim zuständigen Vollstreckungsgericht zu entscheiden. Ihre bzw. die Entscheidung des Vollstreckungsgerichts muss durch Beschluss ergehen.
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2. Das Rubrum der abzufassenden Entscheidung muss R einleiten mit: „Amtsgericht … - Beschluss – In der Zwangsvollstreckungssache.“

Genau, so ist das!

Über eine Vollstreckungserinnerung entscheidet das Vollstreckungsgericht durch Beschluss (§§ 766 Abs. 1 S. 1, 764 Abs. 3 ZPO). Bei der Formulierung des Rubrums eines solchen Beschlusses gibt es einige Besonderheiten zu berücksichtigen. Zunächst ergehen Beschlüsse generell nicht „Im Namen des Volkes.“ Ferner handelt es sich bei einem Erinnerungsbeschluss um einen Beschluss „In der Zwangsvollstreckungssache“. Vorliegend muss R einen Erinnerungsbeschluss abfassen, dessen Rubrum mit „Amtsgericht … - Beschluss – In der Zwangsvollstreckungssache“ einzuleiten ist. Die Vollstreckungserinnerung ist der einzige Rechtsbehelf in der Zwangsvollstreckung, dessen Entscheidung mit „In der Zwangsvollstreckungssache“ einzuleiten ist. Bei den anderen Rechtsbehelfen in der Zwangsvollstreckung ist wie üblich die Formulierung „In dem Rechtsstreit“ zu verwenden.

3. G und S sind im Rubrum als „Gläubiger“ und „Schuldner“ zu bezeichnen. Ist S als Erinnerungsführer dabei zuerst zu nennen?

Nein, das trifft nicht zu!

Der Vollstreckungsgläubiger und der Vollstreckungsschuldner sind im Rubrum stets als „Gläubiger“ und „Schuldner“ zu bezeichnen. Anders als bei einer Klage wird üblicherweise nicht derjenige zuerst genannt, der die Vollstreckungserinnerung eingelegt hat bzw. Erinnerungsführer ist. Vielmehr wird unabhängig davon, wer Erinnerungsführer ist, häufig der Vollstreckungsgläubiger zuerst genannt. Als Vollstreckungsgläubiger und Vollstreckungsschuldner sind G und S im Rubrum als „Gläubiger“ und „Schuldner“ zu bezeichnen. G ist dabei zuerst zu nennen. Sofern ein Dritter die Vollstreckungserinnerung einlegt, ist er im Rubrum als „Erinnerungsführer“ nach dem „Gläubiger“ (= Erinnerungsgegner) und dem „Schuldner“ aufzuführen. Der „Schuldner“ ist hierbei auch dann aufzuführen, wenn er die Vollstreckungserinnerung nicht zusammen mit dem Dritten eingelegt hat und damit weder Erinnerungsführer noch Erinnerungsgegner ist.

4. Der Hauptsachetenor richtet sich danach, ob die Vollstreckungserinnerung begründet ist. Ist dies der Fall, da die Pfändung der Lesebrille des S gegen § 811 Abs. 1 Nr. 1c ZPO verstößt?

Ja!

Nach § 811 Abs. 1 Nr. 1c ZPO unterliegen Sachen, die der Schuldner oder eine Person, aus gesundheitlichen Gründen benötigt, nicht der Pfändung. Klassische Beispiele hierfür sind: Brillen, Gehhilfen, Rollstühle. Die Lesebrille stellt einen nach § 811 Abs. 1 Nr. 1c ZPO unpfändbaren Gegenstand dar und hätte daher nicht gepfändet werden dürfen.

5. Ist das Vollstreckungsgericht nicht gleichzeitig Vollstreckungsorgan, kann es die Zwangsvollstreckung nur für unzulässig erklären. Muss der Hauptsachetenor von Rs Entscheidung lauten: „Die am … durchgeführte Zwangsvollstreckung des Gerichtsvollziehers … in … wird aufgehoben.“?

Nein, das ist nicht der Fall!

Das Vollstreckungsgericht kann in seinem Erinnerungsbeschluss eine Vollstreckungsmaßnahme nur aufheben, wenn es zugleich das zuständige Vollstreckungsorgan ist. Andernfalls kann es die Zwangsvollstreckung nur für unzulässig erklären. Zuständiges Vollstreckungsorgan für Sachpfändungen ist nach § 808 Abs. 1 ZPO der Gerichtsvollzieher. Für die Pfändung der Lesebrille (Sachpfändung) ist nicht das Vollstreckungsgericht, sondern der Gerichtsvollzieher das zuständiges Vollstreckungsorgan. Daher kann das Vollstreckungsgericht sie in seinem Erinnerungsbeschluss nicht aufheben, sondern muss tenorieren: „Die am … durchgeführte Zwangsvollstreckung des Gerichtsvollziehers … in … wird für unzulässig erklärt.“ Einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss darf das Vollstreckungsgericht dagegen aufheben, da es als Vollstreckungsorgan auch für dessen Erlass zuständig ist (§ 828 Abs. 1 ZPO).

6. Das Gerichtskostengesetz sieht keine Kosten für ein Erinnerungsverfahren vor. Bezieht sich die zu fällende Kostenentscheidung damit nur auf die außergerichtlichen Kosten?

Ja, in der Tat!

Nach § 1 Abs. 1 S. 1 GKG werden Gerichtskosten nur auf Grundlage des Gerichtskostengesetzes (GKG) erhoben, welches jedoch keine Kosten für das Erinnerungsverfahren vorsieht. Die zu fällende Kostenentscheidung bezieht sich somit nur auf die außergerichtlichen Kosten. Im Tenor kann einleitend erwähnt werden, dass die Entscheidung gerichtsgebührenfrei ergeht. Die Kostenentscheidung betrifft nur die außergerichtlichen Kosten, da für das Erinnerungsverfahren keine Gerichtskosten anfallen. Formulierungsvorschlag: „Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Die außergerichtlichen Kosten trägt der Vollstreckungsgläubiger.“ Bei einer erfolgreichen Vollstreckungserinnerung durch den Vollstreckungsgläubiger gibt es eine weitere Besonderheit: es bedarf keiner Kostenentscheidung. Denn der Vollstreckungsgläubiger kann seine außergerichtlichen Kosten nach § 788 ZPO zusammen mit dem zur Zwangsvollstreckung stehenden Anspruch beitreiben.

7. Es erfolgt kein Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit.

Ja!

Urteile sind nach § 704 ZPO nur vollstreckbar sind, wenn sie rechtskräftig sind oder für vorläufig vollstreckbar erklärt wurden. Beschlüsse sind dagegen, sofern sie einen vollstreckungsfähigen Inhalt haben, nach § 794 Abs. 1 Nr. 3 ZPO stets vollstreckbar und ergehen daher ohne Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit. Bei einem einer Schuldner- oder Dritterinnerung stattgebenden Erinnerungsbeschluss ist es jedoch üblich, die Vollziehung der Erinnerungsentscheidung nach § 570 Abs. 2 ZPO analog bis zum Ablauf der Beschwerdefrist auszusetzen und zwar als separater Punkt „II.“ zwischen Hauptsachetenor und Kostenentscheidung. Der von Richter R anzufertigende Beschluss muss ohne Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergehen. Die Vollziehung der Entscheidung sollte bis zum Ablauf der Beschwerdefrist ausgesetzt werden. Formulierungsvorschlag: „II. Die Vollziehung der Entscheidung wird bis zum Ablauf der Beschwerdefrist ausgesetzt.“
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Daniel G

Daniel G

24.8.2024, 11:44:57

Sehr schöne umfassende Aufgabe!! Gilt die Reihenfolge 1. Gläubiger 2. Schuldner auch im Rubrum der sofortigen Beschwerde gegen eine Entscheidung der Erinnerung?


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