Wohnungsdurchsuchung (§§ 758ff. ZPO)

4. Juli 2025

9 Kommentare

4,8(18.402 mal geöffnet in Jurafuchs)

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Gerichtsvollzieher Z durchsucht mit Einwilligung des S dessen Wohnung, um im Auftrag des G zu vollstrecken. Als WG-Mitbewohner D hinzukommt, verlangt S, dass Z die Wohnung verlässt. Auf dem Weg zur Tür öffnet Z noch eine Schublade und pfändet eine darin befindliche Uhr.

Diesen Fall lösen 0,0 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

Einordnung des Falls

Wohnungsdurchsuchung (§§ 758ff. ZPO)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Für D und S ist die Vollstreckungserinnerung (§ 766 ZPO) der zulässige Rechtsbehelf.

Ja!

Die Zulässigkeitsvoraussetzungen der Vollstreckungserinnerung (§ 766 ZPO) lauten: (1) Statthaftigkeit, (2) Erinnerungsbefugnis, (3) Zuständigkeit des Gerichts, (4) Form, (5) Rechtsschutzbedürfnis. Sowohl D als auch S können hier Verstöße gegen die Vorschriften der Wohnungsdurchsuchung (§§ 758ff. ZPO) rügen. Diese Vorschriften regeln das Verfahren der Vollstreckung im Rahmen einer Wohnungsdurchsuchung. Sie wenden sich also gegen die Verletzung formellen Rechts, sodass die Erinnerung statthaft ist. Beide sind auch erinnerungsbefugt (§ 42 Abs. 2 VwGO analog), weil sie in der Wohnung leben und in ihrem Grundrecht aus Art. 13 GG verletzt sein könnten.
Zivilrecht-Wissen in 5min testen
Teste mit Jurafuchs kostenlos dein Zivilrecht-Wissen in nur 5 Minuten.

2. Die Vollstreckungserinnerung (§ 766 ZPO) des D ist begründet, wenn die Durchsuchung der Wohnung rechtswidrig war.

Genau, so ist das!

Die Vollstreckungserinnerung ist begründet (§ 766 Abs. 1 S. 1 ZPO), wenn die angegriffene Vollstreckungsmaßnahme nicht zulässig war. Das ist der Fall, wenn (1) die allgemeinen Verfahrensvoraussetzungen der Vollstreckung, (2) allgemeine und besondere Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung oder (3) besondere Voraussetzungen der Art der Zwangsvollstreckung nicht eingehalten wurden. Hier geht es um Verfahrensvoraussetzungen der Vollstreckung. Die Erinnerung ist begründet, wenn Z gegen Vorschriften zur Wohnungsdurchsuchung (§§ 758ff. ZPO) verstoßen hat.

3. Z durfte die Wohnung nicht durchsuchen, ohne zuvor auch die Einwilligung des D einzuholen. Daher ist die Erinnerung (§ 766 ZPO) des D begründet.

Nein, das trifft nicht zu!

Sofern der Schuldner in die Durchsuchung seiner Wohnung einwilligt (oder ein Durchsuchungsbeschluss nur gegen den Schuldner besteht), ist ein entgegenstehender Wille eines Mitbewohners unbeachtlich. Dritte, die an der Wohnung des Schuldners Mitgewahrsam haben, haben die Durchsuchung zu dulden (§ 758a Abs. 3 ZPO). D kann daher nicht erfolgreich einwenden, er habe in die Durchsuchung nicht eingewilligt.

4. S kann die Einwilligung in die Wohnungsdurchsuchung widerrufen. Z muss die Wohnung dann verlassen.

Ja!

Wegen der besonderen Schutzwirkung des Grundrechts auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG) kann der Schuldner die Einwilligung in die Durchsuchung der Wohnung widerrufen. S konnte die Einwilligung widerrufen und Z so zum Verlassen der Wohnung zwingen.

5. Die Pfändung der Uhr war rechtswidrig. Die Erinnerung (§ 766 ZPO) des S ist begründet.

Genau, so ist das!

Wenn der Schuldner die Einwilligung widerruft, bleiben bis dahin erfolgte Pfändungsakte wirksam und rechtmäßig. Für die weitere Durchsuchung und weitere Pfändungsakte benötigt der Gerichtsvollzieher dann aber eine richterliche Durchsuchungsanordnung. Für die Zeit ab dem Widerruf der Einwilligung besteht für Z keine Berechtigung zur Durchsuchung der Wohnung mehr. Die Pfändung der Uhr erfolgte nach dem Widerruf der Einwilligung und war daher rechtswidrig. Die Vollstreckungserinnerung ist begründet. Die Pfändung der Uhr ist wegen des Verstoßes gegen Art. 13 GG aufzuheben.
Dein digitaler Tutor für Jura
Zivilrecht-Wissen testen
Jurafuchs
Eine Besprechung von:
Jurafuchs Brand
facebook
facebook
facebook
instagram

Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!


Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Simon

Simon

21.9.2023, 23:13:55

Ist § 758 III 1 überhaupt verfassungskonform? Art. 13 GG verlangt ja grds. einen richterlichen Beschluss. Selbstverständlich kann der

Grundrechtsträger

auf diesen Schutz verzichten. Warum sollte aber der S für den D auf diesen Schutz verzichten können?

SDEE

SDee

28.3.2024, 16:57:00

Das ist wirklich eine interessante Frage. Ich habe mir diese auch schon zu den Betretungsrechten bestimmter Gefahrenabwehr

behörde

n gestellt, siehe § 58 VII BauO NW (Bauaufsichts

behörde

); § 54 III LFischG NW (Fischereiaufseher).

HAGE

hagenhubl

4.11.2024, 10:54:21

Das finde ich aber komisch. Dann könnte sich jeder

Schuld

ner weigern, den Gerichtsvollzieher in die Wohnung zu lassen und so die Pfändung und

Befriedigung

des Gläubigers verhindern.

FABY

Faby

19.1.2025, 11:21:04

Wenn der

Schuld

ner sich weigert gäbe es ja dann immer noch die Möglichkeit, dass ein Richter die Durchsuchung der Wohnung beschließt.

BENR

BenRie

3.3.2025, 21:01:15

Hier wäre noch der Hinweis wichtig, dass S der

Vollstreckungsschuldner

ist. Schließlich können auch Dritte die Einwilligung erteilen (Thomas/Putzo, 45. Aufl., § 758 Rn. 2).


Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und mit 15.000+ Nutzer austauschen.
Kläre Deine Fragen zu dieser und 15.000+ anderen Aufgaben mit den 15.000+ Nutzern der Jurafuchs-Community

Weitere für Dich ausgwählte Fälle

Jurafuchs

Rubrum und Tenor bei erfolgreicher Schuldnererinnerung gegen Sachpfändung (Verstoß gegen § 811 Abs. 1 Nr. 1c ZPO)

Auf Antrag des Vollstreckungsgläubigers G wurde bei Vollstreckungsschuldner S dessen Lesebrille gepfändet. Daraufhin hat S Vollstreckungserinnerung beim zuständigen Vollstreckungsgericht eingelegt. Sie wurde Richterin R zugeteilt, die sie für zulässig und begründet hält. ‌

Fall lesen

Jurafuchs

Besonderheiten beim Rubrum – Parteibezeichnung (§ 766 ZPO)

Im Rubrum eines Erinnerungsbeschlusses sind die Parteien zu benennen. Hier musst Du Dir ein paar Besonderheiten merken. Welche der folgenden Aussagen ist diesbezüglich korrekt? ‌

Fall lesen

Dein digitaler Tutor für Jura
Zivilrecht-Wissen testen