Vertiefung: Abgrenzung zum Gefahrenverdacht (Fall)

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Die Behörde hat aufgrund einiger Risse im Baustoff den Verdacht, dass eine Brücke unter Baumängeln leidet. Es bestehen jedoch Unsicherheiten, weil die Risse ebenso auf eine normale Abnutzung zurückgeführt werden könnte.

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Einordnung des Falls

Vertiefung: Abgrenzung zum Gefahrenverdacht (Fall)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Besteht eine konkrete Gefahr?

Nein, das ist nicht der Fall!

Eine Gefahr meint eine Sachlage, in der bei ungehindertem Ablauf aus dem Blickwinkel eines objektiven Beobachters ex ante (hM) in absehbarer Zeit mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Schaden für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung eintreten wird. Sollte sich der Verdacht bestätigen, so wäre eine Gefahr anzunehmen. Allerdings ist es ebenso möglich, dass die Risse eine normale Abnutzungserscheinung sind. Eine hinreichende Wahrscheinlichkeitsprognose ist daher noch nicht möglich.
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2. Liegt eine Scheingefahr vor?

Nein, das trifft nicht zu!

Eine Scheingefahr liegt vor, wenn die handelnde Behörde irrig und fehlerhaft eine Gefahr annimmt und die Fehleinschätzung auf einer unvertretbaren und damit pflichtwidrigen Einschätzung der Situation beruht. Anders als bei einer Scheingefahr geht die Behörde nicht pflichtwidrig davon aus, dass eine Gefahr vorliege. Vielmehr bestehen noch so erhebliche Zweifel an der Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts, dass eine Gefahrenprognose noch nicht möglich ist. Nach der je-desto-Formel können die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeiten eines Schadenseintritts gesenkt sein. Nehmt bei einem unsicheren Kausalverlauf oder unsichere Tatsachengrundlage in diesem Fall nicht vorschnell einen Gefahrenverdacht an, sondern prüft sorgfältig, ob die geringe Wahrscheinlichkeit angesichts der besonderen Bedrohung ausreicht, eine Gefahr zu begründen.

3. Es liegt ein Gefahrenverdacht vor.

Ja!

Ein Gefahrenverdacht meint eine Sachlage, bei der tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, die lediglich den Verdacht einer Gefahr begründen, aber eine objektive Gefahrenlage mangels hinreichender Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts nicht tragen. Die Behörde hält es für möglich, dass die Brücke einsturzgefährdet ist. Dies fußt auf den Rissen am Baumaterial und damit auf tatsächlichen Anhaltspunkten. Somit liegt ein Gefahrenverdacht vor.

4. Ein Gefahrenverdacht ermächtigt nie zu ordnungsrechtlichen Maßnahmen.

Nein, das ist nicht der Fall!

Einige Standardermächtigungen lassen einen Gefahrenverdacht ausdrücklich ausreichen. Immer wenn es ausreicht, dass Tatsachen eine Annahme rechtfertigen (z.B. § 11 Abs. 1 Nr. 4 Brem PolG, § 29 Abs. 2 S. 1 ASOG Bln, § 39 Abs. 1 Nr. 2 PolG NRW), meint dies einen Gefahrenverdacht. Daneben ist umstritten, welche Maßnahmen auf Grundlage eines Gefahrenverdachts ergriffen werden können. Zumindest Gefahrerforschungsmaßnahmen, die der weiteren Aufklärung des Sachverhalts dienen, sind jedoch möglich. Ziel von Gefahrerforschungsmaßnahmen ist es, entweder den Verdacht zu erhärten (und dann eine Gefahr anzunehmen) oder den Verdacht zu widerlegen (und dann mangels Gefahr keine Gefahrenabwehrmaßnahmen zu ergreifen). Nach der Rechtsprechung des BVerfG können Polizei und Ordnungsbehörden auch Gefahrerforschungsmaßnahmen ergreifen, die in Grundrechte eingreifen, wenn sie der Aufklärung des Gefahrenverdachts dienen (Gefahrerforschungseingriffe). Zulässig sind hier aber nur vorläufige oder vorsorgliche – eben aufklärende – Maßnahmen. Ermächtigungsgrundlage ist hier dann die polizeiliche Generalklausel.
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