Zivilrecht

Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA)

Die echte GoA

Fremdheit des Geschäfts – subjektiv fremdes Geschäft

Fremdheit des Geschäfts – subjektiv fremdes Geschäft

21. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

G weiß, dass die S mit großer Leidenschaft Pandafiguren sammelt und jederzeit bereit ist, ihre Sammlung durch Ankäufe zu erweitern. Auf dem Antikmarkt erwirbt G im eigenen Namen von V eine Pandafigur, ohne mitzuteilen, dass er diese "für S" erwerben will. S hatte G weder beauftragt noch bevollmächtigt.

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Einordnung des Falls

Fremdheit des Geschäfts – subjektiv fremdes Geschäft

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Indem G von V eine Pandafigur gekauft hat, hat G "ein Geschäft besorgt" (§ 677 BGB).

Genau, so ist das!

Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA) begründet ein gesetzliches Schuldverhältnis. Sie liegt vor, wenn jemand (der Geschäftsführer) ein Geschäft für einen anderen (den Geschäftsherrn) besorgt, ohne von ihm beauftragt oder ihm gegenüber sonst dazu berechtigt zu sein. Geschäftsbesorgung ist hier wie im Auftragsrecht (§ 662 BGB) weit zu verstehen und umfasst jede fremdnützige tatsächliche oder rechtsgeschäftliche Tätigkeit, auch von kurzer Dauer.Durch den Kauf der Figur (§ 433 BGB) ist G rechtsgeschäftlich tätig geworden.
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2. Der Geschäftsführer besorgt das Geschäft "für einen anderen" (§ 677 BGB), wenn er das Geschäft jedenfalls nicht nur als eigenes, sondern auch als fremdes Geschäft führt.

Ja, in der Tat!

Der Geschäftsführer muss das Geschäft für einen anderen besorgen (§ 677 BGB). Dies erfordert den nach außen erkennbaren Willen und das Bewusstsein, für einen anderen tätig zu werden (Fremdgeschäftsführungswille). Dabei ist zu unterscheiden: objektiv fremde Geschäfte fallen schon äußerlich in einen fremden Interessenkreis, hier wird der Wille (widerleglich) vermutet. Subjektiv fremde Geschäfte sind neutral, der Wille muss positiv festgestellt werden. Bei "auch-fremden" Geschäften liegt die Übernahme im eigenen und im fremden Interesse. Der Wille wird nach der Rechtsprechung grundsätzlich auch hier vermutet, insbesondere wenn das Interesse des Anderen an der Vornahme der Handlung im Vordergrund steht (sehr strittig).

3. Indem G bei V die Pandafigur gekauft hat, hat G ein objektiv fremdes Geschäft besorgt. Der Fremdgeschäftsführungswille wird vermutet.

Nein!

Unter objektiv fremde Geschäfte fallen Tätigkeiten, die schon ihrem äußeren Erscheinungsbild nach in einen anderen Rechts- und Interessenkreis fallen, zB Hilfeleistungen, Gefahrabwendung und Zahlung fremder Schulden.G hat mit dem Kauf der Pandafigur keine Tätigkeit ausgeführt, die bereits ihrer Natur oder ihrer äußeren Erscheinung nach in einen anderen Rechts- und Interessenkreis fällt.

4. Indem G bei V die Pandafigur gekauft hat, hat G ein subjektiv fremdes Geschäft besorgt. Der Fremdgeschäftsführungswille muss positiv festgestellt werden.

Genau, so ist das!

Unter subjektiv fremde Geschäfte fallen Tätigkeiten, die nicht nach außen als fremdes erkennbar sind, weil man ihnen nicht ansehen kann, dass im Interessenkreis eines Dritten gehandelt wird. Man spricht auch von objektiv eigenen bzw. neutralen Geschäften. Hier muss der Fremdgeschäftsführungswille positiv festgestellt werden.Beim Kauf der Pandafigur konnte man G nicht ansehen, dass er im Interesse der S tätig geworden ist. Er besaß aber die innerliche Willensrichtung, es "für S" und damit für einen anderen zu tun. G hatte Fremdgeschäftsführungswillen.

5. G hat das Geschäft für S besorgt, "ohne von ihr beauftragt oder ihm gegenüber sonst dazu berechtigt zu sein" (§ 677 BGB).

Ja, in der Tat!

Die GoA setzt voraus, dass weder eine Beauftragung (§§ 662 ff. BGB) noch eine sonstige Berechtigung zur Übernahme der Geschäftsführung besteht. Diese kann sich zB aus einem Dienst-, Werk- oder Geschäftsbesorgungsvertrag, aus öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Beziehungen und Amtsverhältnissen (zB Insolvenzverwalter, gerichtlicher Sachverständiger) ergeben. Entscheidend muss sein, dass sich daraus gerade eine bzw. keine Legitimation gegenüber dem Geschäftsherrn ergibt.S hat G weder beauftragt, noch war G der S gegenüber sonst dazu berechtigt.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

GEAS

Geasoph

23.10.2021, 21:34:39

Also bei subjektiven Geschäften kommt es für den FGW auf die innere Willensrichtung an, die zB für den Vertragspartner aber nicht erkennbar sein muss, richtig ?

VIC

Victor

24.10.2021, 12:00:45

Genau!

BEEJUD

beejudberöpyi

12.3.2022, 00:59:36

Es ist doch gerade der Sinn des subjektiv-fremden Geschäfts, dass der FGW nach außen getragen wird. Deshalb müssen ja auch Fremdheit und FGW in diesem Fall zusammen geprüft werden. Wandt, Gesetzliche Schuldverhältnisse, 2020 m.w.N.

BASA

Barbara Salesch

2.7.2022, 14:44:53

Auch im Looschelders ist davon die Rede, dass bei subjektiv fremden Geschäften der Wille nach außen erkennbar in Erscheinung treten muss (Looschelders SR BT, § 46 Rn. 9)

Eichhörnchen I

Eichhörnchen I

17.10.2022, 13:40:37

Es scheint da umstritten zu sein, ob die Fremdgeschäftsführungsabsicht nach außen erkennbar hervorgetreten sein muss (h.M.) oder der innere Wille genügt. Nach einer (für mich schlüssigen Argumentation) sieht die Mindermeinung in der Anforderung eine unzulässige Vermischung von Beweisebene mit dem materiellen Recht (MüKoBGB/Schäfer, 8. Aufl. 2020, Rn. 50). Beste Grüße

VALA

Vanilla Latte

29.2.2024, 00:32:06

Aber an welcher Stelle wird hier der FGW nach außen hin erkennbar? Das ist doch erforderlich oder?

LELEE

Leo Lee

4.3.2024, 08:40:34

Hallo Vanilla Latte, vielen Dank für die sehr gute Frage! Du liegst mit deinem Gefühl richtig! Man braucht bei einem obj. Fremden Geschäft einen nach außen erkennbaren Willen, für einen anderen tätig zu werden. Hier muss es also für den V erkennbar sein, dass G für einen anderen den Gegenstand gerade kauft (was der G nicht getan hat). Folglich liegt kein obj. Fremdes Geschäft vor, da – wie du völlig richtig anmerkst – der FGW nicht nach außen hin erkennbar wird :). Falls ich deine Frage falsch verstanden habe, würde ich mich über eine kurze Rückmeldung freuen! Ansonsten kann ich hierzu die Lektüre vom MüKo-BGB 9. Auflage, F. Schäfer § 677 Rn. 44 f. sehr empfehlen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

FL

Flohm

26.3.2024, 10:30:55

Muss bei subj. fremden Geschäften der

Fremdgeschäftsführungswille

nach außen erkennbar sein? Er muss ja positiv festgestellt werden.

LELEE

Leo Lee

29.3.2024, 03:25:39

Hallo Flohm, vielen Dank für die sehr gute Frage! Bei einem subj. Fremden (auch „neutralen“) Geschäft muss der FGW insofern „nicht nach außen erkennbar sein“, als dieser entweder vermutet oder eben bewiesen werden muss! So wird bei einem ausschl. fremden Geschäft der FGW zu vermuten bzw. anzunehmen sein, wohingegen bei einem ausschl. eigenen Geschäft (nach außen hin) der FGW bewiesen bzw. dargelegt werden muss. Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre von MüKo-BGB 9. Auflage, F. Schäfer § 677 Rn. 53 ff. sehr empfehlen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

BL

Blotgrim

19.5.2024, 10:43:50

Aber wenn bei einem neutralen Geschäft wie hier der

Fremdgeschäftsführungswille

zu beweisen ist muss er dann nicht eigentlich nach außen treten, damit man ihn beweisen kann? Ich meine als Geschäftsführer kann ich im Nachhinein ja viel behaupten, was ich mir so gedacht habe. Reichen da solche Angaben wie hier im Sachverhalt und wie läuft das in der Praxis, da kann man ja nicht in den Kopf des Geschäftsführers reinschauen

WY

Wysiati

20.9.2024, 11:27:37

@[Blotgrim](167544) Ich kenne mich hier noch nicht sehr gut aus, deswegen gerne korrigieren. Meiner Meinung nach ist es so. Subjektive Aspekte im Gesetz eröffnen immer einen Bewertungsspielraum des Gerichts. Nicht ausdrücklich, aber implizit. Wie du schon sagst, man kann nicht in die Köpfe der Menschen sehen. Es ist also dann Aufgabe der Anwälte entsprechend zu argumentieren und des Richters zu entscheiden, was denn nun der Wille war. Dabei gibt es sicherlich nähere prozessrechtliche Vorschriften, die ich noch nicht kenne, jedenfalls wird dann eben alles herangezogen, mit dem man den Willen belegen könnte. Würdest du ein "Nach-außen-treten" verlangen, würde das den Bewertungsspielraum stark verringern und zwar auf alle Handlungen die objektiv messbar passiert sind. Heranziehen könnte man dann wohl bspw. nicht, dass zwei Menschen Freunde waren und dass Geschäft für den anderen Freund von Vorteil war, nicht aber für den Freund der Gf ist. Das könnte man sonst sicher dazu verarbeiten, dass der Gf Freund offensichtlich das Geschäft für den Gh Freund führen wollte. So würde ich den Unterschied zwischen objektiver und subjektiver Bewertung auf Prozessebene beschreiben. Grds. bleibt aber, dass man diese nicht mit der materiellen Ebene verwechseln darf. Es ist sicherlich nicht rein subjektiv, wenn etwas objektiv nach außen tritt. Vielleicht hilft diese Perspektive weiter.


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