Zivilrecht

Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA)

Die echte GoA

Objektiv fremdes Geschäft – Tatsächliches Handeln für einen anderen

Objektiv fremdes Geschäft – Tatsächliches Handeln für einen anderen

26. Dezember 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

G rettet den in der Elbe badenden E vor dem Ertrinken. Dabei verliert G ihre silberne Tiffany-Kette. Sie verlangt von E Schadensersatz.

Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

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Einordnung des Falls

Objektiv fremdes Geschäft – Tatsächliches Handeln für einen anderen

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. G hat hier keine rechtsgeschäftliche Handlung für E vorgenommen. Scheitert danach bereits das Vorliegen einer „Geschäftsbesorgung“ i.S.v. (§ 677 BGB)?

Nein!

Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA) begründet ein gesetzliches Schuldverhältnis. Sie liegt vor, wenn jemand (der Geschäftsführer) ein Geschäft für einen anderen (den Geschäftsherrn) besorgt, ohne von ihm beauftragt oder ihm gegenüber sonst dazu berechtigt zu sein. Geschäftsbesorgung ist wie im Auftragsrecht (§ 662 BGB) weit zu verstehen und umfasst jede tatsächliche oder rechtsgeschäftliche Tätigkeit, auch von kurzer Dauer.Es Rettung ist eine tatsächliche Tätigkeit der G.
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2. Der Geschäftsführer besorgt das Geschäft „für einen anderen“ (§ 677 BGB), wenn er das Geschäft jedenfalls nicht nur als eigenes, sondern auch als fremdes Geschäft führt.

Genau, so ist das!

Der Geschäftsführer muss das Geschäft für einen anderen besorgen (§ 677 BGB). Dies erfordert den nach außen erkennbaren Willen und das Bewusstsein, für einen anderen tätig zu werden (Fremdgeschäftsführungswille). Dabei ist zu unterscheiden: (1) Objektiv fremde Geschäfte fallen schon äußerlich in einen fremden Interessenkreis. Hier wird der Fremdgeschäftsführungswille (widerleglich) vermutet. (2) Subjektiv fremde Geschäfte sind neutral, der Fremdgeschäftsführungswille muss positiv festgestellt werden. (3) Bei „auch-fremden“ Geschäften liegt die Übernahme im eigenen und im fremden Interesse. Der Fremdgeschäftsführungswille wird nach der Rspr. grundsätzlich auch hier vermutet, insbesondere wenn das Interesse des Anderen an der Vornahme der Handlung im Vordergrund steht (sehr strittig

3. Indem G den E gerettet hat, hat G ein objektiv fremdes Geschäft besorgt. Der Fremdgeschäftsführungswille wird vermutet.

Ja, in der Tat!

Unter objektiv fremde Geschäfte fallen Tätigkeiten, die schon ihrem äußeren Erscheinungsbild nach in einen anderen Rechts- und Interessenkreis fallen, zB Hilfeleistungen, Gefahrabwendung und Zahlung fremder Schulden.Die Rettung des E ist eine Tätigkeit, die bereits nach ihrer äußeren Erscheinung in den Interessenkreis des E fällt.

4. G hat das Geschäft für E besorgt, „ohne von ihm beauftragt oder ihm gegenüber sonst dazu berechtigt zu sein“ (§ 677 BGB).

Ja!

Die GoA setzt voraus, dass weder eine Beauftragung (§§ 662 ff. BGB) noch eine sonstige Berechtigung zur Übernahme der Geschäftsführung besteht. Diese kann sich z.B. aus einem Dienst-, Werk- oder Geschäftsbesorgungsvertrag, aus öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Beziehungen und Amtsverhältnissen (zB Insolvenzverwalter, gerichtlicher Sachverständiger) ergeben. E hat G weder beauftragt, noch war G dem E gegenüber sonst dazu berechtigt. Aus im Allgemeininteresse bestehende Pflichten allein ergeben sich noch keine solche sonstige Berechtigung i.S.d. § 677 BGB. Wer also dem Opfer eines (Verkehrs-)unfalls hilft, führt auch dann auftragslos ein fremdes Geschäft, wenn er zur Nothilfe (§ 323c StGB) verpflichtet ist.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Isabell

Isabell

8.7.2020, 19:10:46

Wirkt sich die ggf. drohende Strafbarkeit wegen unterlassener Hilfeleistung hier gar nicht aus?

Eigentum verpflichtet 🏔️

Eigentum verpflichtet 🏔️

30.7.2020, 20:27:51

Hallo Isabell, Danke für deine Frage. § 323c StGB wirkt sich nach e.A. dahingehend aus, dass ein auch-

fremdes Geschäft

vorliegen soll. Die h.M. (BGHZ 33, 254 {sehr lesenswert}; Jauernig-Mansel 17. Aufl, 2018, § 677 Rn. 3) nimmt jedoch ein objektiv

fremdes Geschäft

an. Bzgl. der Frage "ohne Auftrag oder sonstige Berechtigung" begründen allgemeine öffentliche Pflichten wie die zur Hilfeleistung aus § 323c StGB kein gesetzliches Rechtsverhältnis, das die GoA ausschließen würde.

LexSuperior

LexSuperior

18.6.2023, 12:43:24

Im Ergebnis würde sich aber nichts ändern selbst wenn man der a.A. Folgen sollte und ein

auch fremdes Geschäft

annimmt. Bei diesem wird der FGW nach der Rspr. Ja auch widerlegbar vermutet (?)

Tigerwitsch

Tigerwitsch

16.3.2021, 22:55:42

Das heißt, sie kann hier Ersatz verlangen? (glaube, nach der Rechtspechung ist nicht nur Aufwendungsersatz, sondern auch SE möglich)

Speetzchen

Speetzchen

17.3.2021, 12:58:22

ja, nach dem weiten Aufwendungsbegriff fallen auch die typischen Schäden die bei

Geschäftsbesorgung

verursacht werden darunter. (Rechtsgedanke des § 110 I HGB) Lg

PPAA

Philipp Paasch

5.6.2022, 00:29:04

Die sich in dem Sachverhalt aufdrängende Fallfrage, ob G von E ihre Kette ersetzt verlangen kann, wird in den Lösungen überhaupt nicht thematisiert.

Nora Mommsen

Nora Mommsen

13.6.2022, 15:04:51

Hallo Philipp Paasch, es ist der Ansatz von Jurafuchs Inhalte Stück für Stück zu erarbeiten. Daher behandeln Aufgaben mitunter nur einen Teilaspekt eines Falls. Die weitergehenden Fragen findest du in den folgenden Kapiteln beantwortet. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team.

LO

Lorbeerbekränzte🦩

7.12.2022, 12:58:48

Dann wäre es vllt schöner, die Kette noch gar nicht zu erwähnen und denn Fall später abzuwandeln :)

MayonnaiseOperator

MayonnaiseOperator

29.2.2024, 14:47:53

@[Lorbeerbekränzte🦩](136056) Nun, dann würde es aber völlig unschlüssig für den Bearbeiter sein, wieso im Falle einer simplen Rettung plötzlich die GoA geprüft wird. Der Verlust der Kette legt ja eben erst nahe, dass hier zumindest eine GoA in Frage kommt.

Julian Kamp

Julian Kamp

16.2.2024, 16:46:22

Wäre ein Nichteingreifen hier nicht eine unterlassene Hilfelistung? Dann wäre die Person doch gesetzlich zum Eingreifen verpflichtet und die Voraussetzung der GoA „ohne Berechtigung“ nicht erfüllt.

FL

Flohm

26.3.2024, 10:19:36

Die Pflicht zur Hilfeleistung nach § 323c StGB begründet keine „Berechtigung“ i.S.d. § 677 BGB. Die Pflicht begründet keine Sonderbeziehung, sondern betrifft die Allgemeinheit. Guck dir mal den anderen Thread an, da wurde es schon thematisiert.

Sparvey Hecter (StGBae)

Sparvey Hecter (StGBae)

21.7.2024, 15:21:48

Gute Frage, aber die Antwort erscheint mir ebenso plausibel.


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