Form des Strafantrags und Nachholung

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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A beleidigt S (§ 185 StGB). S erscheint auf der Polizeistation und erklärt, sie stelle Strafantrag. Polizist P notiert dies stichwortartig, ohne dass S unterschrieb. Später erstellt P ohne S einen Aktenvermerk von ihrer Aussage und schreibt darunter: „bestätigt“. A wird später wegen Beleidigung verurteilt.

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Einordnung des Falls

Form des Strafantrags und Nachholung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Ein fehlender Strafantrag muss in der Revisionsinstanz mit der Verfahrensrüge geltend gemacht werden.

Nein, das trifft nicht zu!

Das Vorliegen eines Strafantrages ist Verfahrensvoraussetzung, soweit dieser nicht durch das öffentliche Interesse ersetzt werden konnte und wurde. Da die Beleidigung ein absolutes Antragsdelikt darstellt (§ 194 Abs. 1 S. 1 StGB), kann der Strafantrag nicht durch die Bejahung des öffentlichen Interesses ersetzt werden. Somit ist das Vorliegen eines Strafantrags als Verfahrensvoraussetzung von Amts wegen zu prüfen und nicht nur auf eine entsprechende Rüge hin.
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2. Ein Strafantrag muss immer unterschrieben sein, damit er wirksam ist.

Nein!

Der Strafantrag ist schriftlich zu stellen, bei Staatsanwaltschaft und Gerichten auch zu Protokoll (§ 158 Abs. 2 StPO). Es ist regelmäßig die Unterschrift des Antragsstellers erforderlich, damit sich die Strafverfolgungsbehörden anhand einer Urkunde im Wege des Freibeweises Klarheit über dessen Identität verschaffen können. Dieser Zweck ist im Einzelfall auch ohne Unterschrift erfüllt, wenn (1) aus dem Schriftstück zweifelsfrei ersichtlich ist, von wem die Erklärung herrührt, (2) und feststeht, dass es sich nicht nur um einen Entwurf handelt, sondern der Antrag mit Wissen und Wollen des Berechtigten der zuständigen Stelle zugeleitet wurde.

3. Hat S formgerecht den Strafantrag gestellt (§ 158 Abs. 2 StPO).

Nein, das ist nicht der Fall!

Aus den Schriftstücken muss zweifelsfrei ersichtlich sein, dass die Erklärung inhaltlich von S herrührt und er damit seinen unbedingten Strafverfolgungswillen zum Ausdruck brachte. Die Notizen des P hat S nicht unterschrieben. Der spätere Aktenvermerk aufgrund Ps Notizen und die Bestätigung durch P genügen der Schriftform nicht, da hieraus keine hinreichende Klarheit darüber gewonnen werden kann, ob der Inhalt des Schriftstücks in dieser Form von S herrührt. Ein seltener Fall des wirksamen Strafantrags ohne Unterschrift wurde bejaht, wenn ein Strafantrag auf Tonband aufgezeichnet und dieser in ein nicht unterschriebenes Protokoll übertragen wurde. Hier lässt sich im Wege des Freibeweises ohne Zweifel durch Abgleich mit der Aufzeichnung entnehmen, dass der Berechtigte Strafantrag gestellt hat.

4. Kann der Strafantrag auch in der Hauptverhandlung nachgeholt werden, wenn die Frist des § 77b Abs. 1 StGB zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgelaufen ist?

Ja, in der Tat!

Es ist zulässig, den Strafantrag bei „einem Gericht” zu stellen. Dies bedeutet nicht nur, dass ein Antrag bei jedem Amtsgericht zulässig ist, sondern auch dass in einem anhängigen Verfahren bei dem mit der Sache befassten Gericht Strafantrag gestellt werden kann. Solange die Drei-Monats-Frist (§ 77b Abs. 1 StGB) noch nicht abgelaufen ist, kann der Antrag in der Hauptverhandlung und sogar noch in der Revisionsinstanz gestellt werden. Einen Fall zur examensrelevanten Konstellation des Online-Strafantrags findet ihr: hier!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

ALE

alex411

13.8.2024, 10:47:20

Die Norm, auf der die Lösung des Falles beruht ist geändert worden, sodass die Lösung unter Bezugnahme auf diese nicht mehr passt.


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