Altersdiskriminierung - immaterieller Schaden

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Die S-GmbH schreibt eine Teilzeit-Stelle für eine junge, engagierte Englischlehrkraft (m/w/d) mit abgeschlossenem Hochschulstudium aus. Die 50-jährige Englischlehrerin B bewirbt sich. Stattdessen wird die 30-jährige C eingestellt. In den an B zurückgesendeten Bewerbungsunterlagen ist Bs Geburtstag markiert.

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Einordnung des Falls

Altersdiskriminierung - immaterieller Schaden

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. B könnte aufgrund der unterbliebenen Anstellung gegen die S-GmbH ein Anspruch auf Entschädigung ihres immateriellen Schadens aus § 15 Abs. 2 AGG zustehen.

Genau, so ist das!

Der Entschädigungsanspruch aus § 15 Abs. 2 AGG setzt voraus: I. Anwendbarkeit des AGG II. Verstoß gegen Benachteiligungsverbot (§ 7 Abs. 1 AGG) III. Rechtzeitige schriftliche Geltendmachung (§ 15 Abs. 4 AGG) IV.Rechtsfolge: Entschädigung (§ 15 Abs. 2 AGG)
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2. Das AGG ist anwendbar und eine Benachteiligung der B liegt vor.

Ja, in der Tat!

B ist als Bewerberin Beschäftigte im Sinne des AGG (§ 6 Abs. 1 S. 2 Var. 1 AGG). Die S-GmbH ist als juristische Person, die Arbeitnehmer beschäftigt, Arbeitgeber (§ 6 Abs. 2 S. 1 Var. 2 AGG). Der persönliche Anwendungsbereich ist eröffnet. Der Zugang zu unselbstständiger Arbeit fällt zudem in den sachlichen Anwendungsbereich des AGG (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 AGG). Es sprechen eine Reihe von Indizien (Markierung, Stellenanzeige, Einstellung jüngerer Bewerberin) für eine ungerechtfertigte, unmittelbare Benachteiligung wegen Bs Alters (§ 22 AGG, Beweislastumkehr) und damit einem Verstoß, gegen ein Benachteiligungsverbot (§ 7 Abs. 1 AGG).

3. B kann den Entschädigungsanspruch innerhalb der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren geltend machen (§ 15 Abs. 4 AGG).

Nein!

Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche aus dem AGG müssen grundsätzlich innerhalb einer Frist von zwei Monaten geltend gemacht werden (§ 15 Abs. 4 AGG). Die Frist beginnt zu laufen, sobald der Beschäftigte von der behaupteten Diskriminierung Kenntnis erlangt.Zum Zeitpunkt ihrer Ablehnung und der Rücksendung der Unterlagen beginnt die zweimonatige Ausschlussfrist zu laufen.Die Frist ist tarifdispositiv, d.h. Tarifvertragsparteien können vereinbaren, diese zu verkürzen oder zu verlängern (§ 15 Abs. 4 S. 1 Hs. 2 AGG).

4. Unabhängig davon, ob B bei diskriminierungsfreier Auswahl berücksichtigt worden wäre, steht ihr ein Entschädigungsanspruch von bis zu drei Monatsgehältern zu (§ 15 Abs. 2 AGG).

Genau, so ist das!

Für die diskriminierende Nichteinstellung hat der Gesetzgeber eine Höchstgrenze von drei Monaten („Kappungsgrenze“) normiert (§ 15 Abs. 2 S. 2 AGG).Die Kriterien, die die Höhe der Entschädigung bestimmen ähneln denen des Schmerzensgeldes (vgl. § 253 Abs. 2 BGB). Abzustellen ist insoweit auf: - den Grad des Verschuldens, - die Schwere und Art der Beeinträchtigung, - Nachhaltigkeit und Fortdauer der Interessen des Bewerbers sowie - Anlass und Beweggründe für das Handeln des Arbeitgebers.Aufgrund der geringeren Anforderungen spielt der Entschädigungsanspruch in der Praxis eine weitaus größere Rolle, als der materielle Schadensersatzanspruch aus § 15 Abs. 1 AGG.Damit erfasst § 15 Abs. 2 AGG lt. dem zweiten Satz nur jene Konstellationen, in denen eine Einstellung nicht erfolgt wäre. Die restlichen Konstellationen sind hingegen vom § 15 Abs. 1 AGG erfasst!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Skra8

Skra8

31.10.2023, 15:08:51

Bei der Frage, ob B den Entschädigungsanspruch innerhalb der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren geltend machen kann, wird auf die Zweimonatsfrist des § 15 Abs. 4 AGG verwiesen. Ich vermisse hier die Bezugnahme auf § 15 Abs. 4 Alt. 2 AGG, denn durch die derzeitige Formulierung, wird suggeriert, dass diese Frist uneingeschränkt gelte.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

8.11.2023, 13:37:06

Hallo Skra8, vielen Dank für Deinen Hinweis. Wir haben einen Vertiefungshinweis dazu aufgenommen, dass es Tarifvertragsparteien frei steht, hiervon abzuweichen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

LI

Lisa

11.11.2023, 13:01:02

Bei der Frage zu § 15 II AGG steht, der Schadensersatzanspruch wäre unabhängig davon, ob bei benachteiligungsfreier Auswahl eine Einstellung erfolgt wäre, auf maximal drei Monatsgehälter begrenzt. Ich verstehe den Gesetzestext aber so, dass die Begrenzung nur dann besteht, wenn der/die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl *nicht* eingestellt worden wäre - im Umkehrschluss würde dann keinerlei Begrenzung bestehen, wenn bei benachteiligungsfreier Auswahl eine Rinstellug erfolgt wäre (was in der Praxis idR natürlich schwer nachweisbar wäre). Könntet Ihr mir da ggf. noch einen klarstellenden Hinweis zu geben, was nun richtig ist? Danke !!

LELEE

Leo Lee

11.11.2023, 15:33:31

Hallo Lisa, Vielen Dank für den Hinweis! In der Tat erfasst § 15 II 2 AGG spezifisch die von dir genannte Konstellation. Der Rest wird dann vom § 15 I AGG (verschuldensabhängig) erfasst. Wir haben dies nun als Klausurhinweis ergänzt und können vertiefend auch die Lektüre von MüKo-BGB 9. Auflage, Thüsing § 15 AGG Rn. 19 sehr empfehlen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

Johannes Nebe

Johannes Nebe

14.2.2024, 10:38:13

Zwei Verständnisfragen: (1) Warum betont Leo Lee, dass der Schadensersatz bei § 15 I AGG verschuldensabhängig ist? Das ist er bei Abs. 2 doch auch, oder? (2) Im Klausurhinweis wird für die Konstellation, dass der Bewerber nicht eingestellt worden wäre, auf den zweiten Satz des § 15 II AGG Bezug genommen. Ich dachte, es kommt dabei auf den Hinweis in Satz 1 an, dass der Schaden kein Vermögensschaden sein muss.

Johannes Nebe

Johannes Nebe

15.2.2024, 11:12:00

Teil (1) meiner Frage ziehe ich zurück. Der Schadensersatz nach § 15 II AGG ist verschuldensunabhängig. 🙄


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