Zivilrechtliche Nebengebiete
Arbeitsrecht
Begründung und Mängel des Arbeitsverhältnisses
Altersdiskriminierung - immaterieller Schaden
Altersdiskriminierung - immaterieller Schaden
19. Mai 2025
9 Kommentare
4,8 ★ (20.021 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Die S-GmbH schreibt eine Teilzeit-Stelle für eine junge, engagierte Englischlehrkraft (m/w/d) mit abgeschlossenem Hochschulstudium aus. Die 50-jährige Englischlehrerin B bewirbt sich. Stattdessen wird die 30-jährige C eingestellt. In den an B zurückgesendeten Bewerbungsunterlagen ist Bs Geburtstag markiert.
Diesen Fall lösen 79,5 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Altersdiskriminierung - immaterieller Schaden
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. B könnte aufgrund der unterbliebenen Anstellung gegen die S-GmbH ein Anspruch auf Entschädigung ihres immateriellen Schadens aus § 15 Abs. 2 AGG zustehen.
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. Das AGG ist anwendbar und eine Benachteiligung der B liegt vor.
Ja, in der Tat!
3. B kann den Entschädigungsanspruch innerhalb der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren geltend machen (§ 15 Abs. 4 AGG).
Nein!
4. Unabhängig davon, ob B bei diskriminierungsfreier Auswahl berücksichtigt worden wäre, steht ihr ein Entschädigungsanspruch von bis zu drei Monatsgehältern zu (§ 15 Abs. 2 AGG).
Genau, so ist das!
Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!
Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Skra8
31.10.2023, 15:08:51
Bei der Frage, ob B den Entschädigungsanspruch innerhalb der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren geltend machen kann, wird auf die Zweimonatsfrist des § 15 Abs. 4 AGG verwiesen. Ich vermisse hier die Bezugnahme auf § 15 Abs. 4 Alt. 2 AGG, denn durch die derzeitige Formulierung, wird suggeriert, dass diese Frist uneingeschränkt gelte.

Lukas_Mengestu
8.11.2023, 13:37:06
Hallo Skra8, vielen Dank für Deinen Hinweis. Wir haben einen Vertiefungshinweis dazu aufgenommen, dass es Tarifvertragsparteien frei steht, hiervon abzuweichen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Lisa
11.11.2023, 13:01:02
Bei der Frage zu § 15 II AGG steht, der
Schadensersatzanspruch wäre unabhängig davon, ob bei benachteiligungsfreier Auswahl eine Einstellung erfolgt wäre, auf maximal drei Monatsgehälter begrenzt. Ich verstehe den Gesetzestext aber so, dass die Begrenzung nur dann besteht, wenn der/die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl *nicht* eingestellt worden wäre - im Umkehrschluss würde dann keinerlei Begrenzung bestehen, wenn bei benachteiligungsfreier Auswahl eine Rinstellug erfolgt wäre (was in der Praxis idR natürlich schwer nachweisbar wäre). Könntet Ihr mir da ggf. noch einen klarstellenden Hinweis zu geben, was nun richtig ist? Danke !!
Leo Lee
11.11.2023, 15:33:31
Hallo Lisa, Vielen Dank für den Hinweis! In der Tat erfasst § 15 II 2 AGG spezifisch die von dir genannte Konstellation. Der Rest wird dann vom § 15 I AGG (ver
schuldensabhängig) erfasst. Wir haben dies nun als Klausurhinweis ergänzt und können vertiefend auch die Lektüre von MüKo-BGB 9. Auflage, Thüsing §
15 AGGRn. 19 sehr empfehlen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

Johannes Nebe
14.2.2024, 10:38:13
Zwei Verständnisfragen: (1) Warum betont Leo Lee, dass der
Schadensersatz bei § 15 I AGG ver
schuldensabhängig ist? Das ist er bei Abs. 2 doch auch, oder? (2) Im Klausurhinweis wird für die Konstellation, dass der Bewerber nicht eingestellt worden wäre, auf den zweiten Satz des § 15 II AGG Bezug genommen. Ich dachte, es kommt dabei auf den Hinweis in Satz 1 an, dass der
Schadenkein Vermögens
schadensein muss.

Julian
30.4.2025, 11:38:37
Hallo Lisa, ich sehe das genau so wie du und so ist es nach der einschlägigen Kommentarliteratur auch zu verstehen: Die (für den AG günstige) Begrenzung auf drei Monate greift nur, wenn der AN sowieso, nicht eingestellt worden wäre, unabhängig von der Diskriminierung. Der Telos der Norm ist, dass der AG von Vorhinein nicht diskriminieren soll, weswegen ihm eine ver
schuldensunabhängige SE Pflicht auferlegt wird. Sollte der Arbeitnehmer nun aber gerade wegen der Diskriminierung nicht eingestellt worden sein und hätte er aufgrund der besten Eignung, Voraussetzung, Werdegang etc. vernünftigerweise eingestellt werden müssen (Nachweis schwierig) so ist dem AN eine angemessene Entschädigung ohne Begrenzung zuzumessen. ( Eckert DStR 2006, 1991) @Leo Lee ich habe mir deinen Kommentarhinweis dazu durchgelesen und bin enttäuscht, nicht nur betrifft Randnummer den Fall der tatsächlichen Nicht-Besetzung der Stelle und die daraus resultierende mögliche verminderte SE Pflicht des AG, da NIEMAND die Stelle bekommen hat, sondern auch ist die Behauptung, dass sich die restlichen SE Ansprüche, nach denen Lisa gefragt hat nicht der Randnummer/ff. ergeben, auch ist die Antwort falsch (Begründung s.o.)

Juraddicted
13.5.2025, 15:28:56
Danke Dir Julian für Deine Mühe! Ich habe mich dasselbe, wie Lisa, gefragt. Eine ergänzende Frage: angenommen, es scheitert ausschließlich an der (diskriminierten) Eigenschaft: ändert das etwas an der Einordnung als immaterieller oder wird es ein materieller
Schaden? Vielen Dank :) Liebe Grüße
Julian
13.5.2025, 16:15:19
Hallo Juraddicted, gute Frage, aber m.E. nach müsste es sich (bezogen auf den SE Wegen nicht Einstellung) weiterhin um einen Nicht Vermögens
schadenhandeln. Die Unterscheidung zwischen den
Schadensarten beruht ja nicht auf den zugrundeliegenden AGL, sondern je nachdem wie der geschädigte den
Schadenerlitten hat. Der Entschädigungsanspruch bezieht sich ja gerade auf die Verletzung der Persönlichkeit/Ehre/Diskriminierungsfreiheit..., diese bleiben unabhängig von der Höchstgrenze immaterielle Schäden. Trz. können AN natürlich auch noch die MATERIELLEN Schäden gem. 15 I sich ersetzen lassen, so lange sich der AG ein Ver
schulden vorzuwerfen hat. Ich hoffe ich konnte dir helfen :)