Zivilrecht

Kaufrecht

Nacherfüllung

Unberechtigtes Mangelbeseitigungsverlangen

Unberechtigtes Mangelbeseitigungsverlangen

30. Juni 2025

9 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

K kauft bei V einen Katzenfutterautomaten. Als K diesen erstmals verwenden will, springt er nicht an. K verlangt von V Nacherfüllung. V schickt die Technikerin T, die feststellt, dass K den Stecker nicht richtig in die Steckdose gesteckt hat. Die dem V angefallenen Kosten für Hinfahrt und Untersuchung durch T betragen €100.

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Einordnung des Falls

Unberechtigtes Mangelbeseitigungsverlangen

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. K war berechtigt, von V Nacherfüllung zu verlangen.

Nein, das ist nicht der Fall!

Der Nacherfüllungsanspruch setzt voraus, dass die Kaufsache bei Gefahrübergang mangelhaft war (§§ 437 Nr. 1, 439 BGB). Da der Automat nicht mangelhaft war, hat K keinen Nacherfüllungsanspruch. Sein Nacherfüllungsverlangen war daher unberechtigt.
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2. V kann seine Kosten von K nach § 439 Abs. 2 BGB ersetzt verlangen.

Nein, das trifft nicht zu!

§ 439 Abs. 2 BGB ist nur Anspruchsgrundlage des Käufers für Ersatz von zum Zwecke der Nacherfüllung erforderliche Aufwendungen (§ 439 Abs. 2 BGB). V kann als Verkäufer daher nicht über § 439 Abs. 2 BGB Ersatz seiner Untersuchungskosten verlangen.

3. Mit dem unberechtigten Nacherfüllungsverlangen verletzt K seine vertragliche Rücksichtnahmepflicht (§ 241 Abs. 2 BGB).

Ja!

Nach hM verletzt eine Vertragspartei, die von der anderen Vertragspartei etwas verlangt, das nach dem Vertrag nicht geschuldet ist, ihre Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) und begeht damit eine Pflichtverletzung (§ 280 Abs. 1 S. 1 BGB). Das unberechtigte Nacherfüllungsverlangen stellt insoweit eine Rücksichtnahmepflichtverletzung dar, die zu einer Schadensersatzhaftung des Käufers führen kann (§§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB).

4. Der Käufer hat ein unberechtigtes Nacherfüllungsverlangen stets zu vertreten (§ 280 Abs. 1 S. 2 BGB).

Nein, das ist nicht der Fall!

Der Käufer trägt nicht bei jedem unberechtigten Nacherfüllungsverlangen das Risiko einer Fehleinschätzung mit der Folge der Schadensersatzhaftung. Er muss für seine Exkulpation bloß im Rahmen seiner Möglichkeiten sorgfältig überprüfen, ob die Mangelerscheinung auf eine Ursache zurückzuführen ist, die nicht dem Verantwortungsbereich des Verkäufers zuzuordnen ist. Ist also wirklich ungewiss, ob wirklich ein Mangel vorliegt, darf der Käufer Mängelrechte geltend machen, ohne Schadensersatzpflichten befürchten zu müssen, wenn sich sein Verlangen letztlich als unberechtigt herausstellt.

5. Hat der Käufer das unberechtigte Nacherfüllungsverlangen nicht zu vertreten, muss der Verkäufer alle Aufwendungen letztendlich selbst tragen.

Nein, das trifft nicht zu!

Liegt kein Vertretenmüssen des Käufers vor, kann der Verkäufer Aufwendungs- Wertersatz für seine Diagnose- und Reparaturaufwendungen verlangen. Anspruchsgrundlage kann dafür entweder (1) die berechtigte GoA im Rahmen eines auch-fremden Geschäfts (§§ 683, 670 BGB) oder (2) ein Bereicherungsanspruch aus Leistungskondiktion (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB) sein. Ob tatsächliche ein fremdes Geschäft angenommen werden kann, ist allerdigs fraglich. Der bereicherungsrechtliche Anspruch beschränkt sich zudem auf die Bereicherung des Käufers und umfasst somit nicht sämtliche Kosten des Verkäufers.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Jopies

Jopies

28.9.2021, 17:26:53

Ich habe nicht ganz verstanden wo jetzt der große Unterschied in der Lösung ist. Wenn der Käufer sein unberechtigtes Verlangen zu vertreten hat wird er SE-Pflichtig. Wenn nicht wird er ersatzpflichtig aus GoA oder

Bereicherungsrecht

?

TAY

Taylaw

10.10.2021, 17:24:56

Ich fände es auch hilfreich, wenn das nochmal vertieft erläutert werden würde, ich kann den Unterschied spontan nämlich auch nicht entdecken. Und ich habe mich auch gefragt, was genau als erlangtes Etwas gewertet werden würde 🤔

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

5.11.2021, 12:57:13

Hallo ihr beiden, der BGH hatte bislang leider noch keinen Fall zu entscheiden, in dem der Käufer sein unberechtigtes Mängelbeseitigungsverlangen nicht selbst zu vertreten hatte. Vor diesem Hintergrund ist tatsächlich fraglich, ob man in diesem Fall überhaupt einen Fall der GoA annehmen kann (so aber Medicus/Lorenz,

Schuld

recht BT, § 4 RdNr. 41). Problematisch dabei ist, dass zum Zeitpunkt der Anfahrt und der Diagnose der Verkäufer ja lediglich eine eigene Verbindlichkeit erfüllen wollte. Das wurde von der Rechtsprechung zwar lange Zeit als unerheblich deklariert und dennoch ein auch-fremdes Geschäft bejaht und auch der

Fremdgeschäftsführungswille

n. Im Hinblick auf die Schönheitsreparaturen-Entscheidungen des BGH, wo er entschieden hat, dass der Mieter, der im Vertrauen auf eine unwirksame Reparaturklausel seine Wand streicht, keinen

Aufwendungsersatz

über die GoA hat, ist er davon allerdings etwas abgerückt. Im Hinblick auf das

Bereicherungsrecht

ist die Perspektive eine andere. Das

Schadensrecht

kompensiert den gesamten

Schaden

eines Geschädigten und damit auch seinen entgangenen Gewinn. Das

Bereicherungsrecht

dagegen ist darauf angelegt, eine unberechtigte Bereicherung des Bereicherten wieder abzuschöpfen. Der

Schaden

des V (Aufwendungen für Diagnose/Reparatur, ggfs. anderer entgangener Auftrag) muss indes nicht mit der Bereicherung des K übereinstimmen (Behebung seines Problems mit dem Stecker). Für den Verkäufer ist das

Schadensrecht

insofern günstiger. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

EL

Elisa

20.2.2023, 08:18:14

Ich blick gerade nicht mehr durch: Muss der Käufer die 100€ jetzt bezahlen oder nicht?

TI

Timurso

20.2.2023, 09:44:52

In diesem Fall relativ eindeutig ja. Er hat nicht sorgfältig genug überprüft, ob der Stecker richtig eingesteckt ist und somit trifft ihn ein Ver

schuld

en (was ohnehin vermutet wird).

AN

annsophie.mzkw

27.9.2024, 15:29:09

Was hat der Käufer denn in dem Fall erlangt?

MEG

Megx

26.11.2024, 13:33:11

Die Antwort darauf hätte ich auch gern! :) Ich würde vielleicht schätzen, dass der Käufer die "Funktionsfähigkeit" bzw. Nutzungsmöglichkeit des Gerätes erlangt. Der Käufer konnte den Automaten hier nicht nutzen, bis der Verkäufer ihn darauf hinwies, dass er den Stecker einstecken muss. Erst durch diese Leistung ist die Nutzbarkeit ermöglicht...das kommt mir zugegeben aber auch etwas konstruiert vor.

AN

annsophie.mzkw

26.11.2024, 20:11:09

@[Megx](216108) Ich habe nochmal überlegt, vermutlich ist die K einfach um das Tätigwerden des V (Einstecken des Steckers =

etwas erlangt

) bereichert, obwohl er ja gar nicht zur

Nacherfüllung

verpflichtet war (= ohne Rechtsgrund). Da das nicht in natura herausgegeben werden kann, müsste V gegen K ein

Wertersatzanspruch

nach §

818 II BGB

haben.

G0d0fMischief

G0d0fMischief

10.6.2025, 11:17:11

@[annsophie.mzkw](244917) aber kann man hier wirklich von einem vermögenswerten Vorteil sprechen? Das Tätigwerden als solches hat ja im vorliegenden Fall keinen wert, weil es die wirtschaftliche Lage des K ja nicht verbessert bzw. den status quo wiederherstellt. Weil wenn du auf das Einstecken des Steckers abstellst, dann wird der

Wertersatz

sich ja auch auf diese objektive Handlung beschränken, sodass ungeachtet der Qualifikation des V nicht viel bei rumkommen wird oder? Vielleicht kann man auf die „Fehler-Diagnose“ als solche abstellen und dann als objektiven Wert quasi das herausverlangen, was üblicherweise eine solche Diagnose kostet, dann könnte man auch die vergeblichen Fahrkosten miteinbeziehen, weil diese ja üblicherweise Teil der Kostenberechnung für die Fehlerdiagnose sind.


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"Fiktive" Mängelbeseitigungskosten können im Kaufrecht weiterhin verlangt werden

K kauft von V ein bebautes Grundstück für €80.000. Sie vereinbaren im Kaufvertrag, dass V verpflichtet ist, später auftretende Feuchtigkeitsmängel im Schlafzimmer zu beseitigen. Nach Übergabe tritt im Schlafzimmer Feuchtigkeit auf. K fordert V erfolglos unter Fristsetzung zur Beseitigung auf. Als V weiter untätig bleibt, verlangt K von ihm Zahlung der voraussichtlichen Mängelbeseitigungskosten ohne Umsatzsteuer in Höhe von €8.000.

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