Erfüllung einer Verbindlichkeit
14. Juli 2025
37 Kommentare
4,8 ★ (24.125 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
A und B haben formwirksam einen notariell beurkundeten Kaufvertrag über ein Grundstück geschlossen (§§ 433, 311b Abs. 1 S. 1 BGB). Da A sehr beschäftigt ist, bevollmächtigt er B, ihn bei der Auflassung (§§ 873, 925 BGB) zu vertreten.
Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Erfüllung einer Verbindlichkeit
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Ein Verpflichtungsgeschäft über die Übertragung oder den Erwerb des Eigentums an einem Grundstücks ist formpflichtig, bedarf nämlich der notariellen Beurkundung (§§ 311b Abs. 1 S. 1 BGB, 128 BGB).
Ja!
2. Die Stellvertretung bei der Auflassung (§§ 873, 925 BGB) ist zulässig.
Genau, so ist das!
3. B fehlt es an der Vertretungsmacht für die Erklärung der Auflassung für A, da es sich um ein Insichgeschäft handelt (§ 181 BGB).
Nein, das trifft nicht zu!
Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!
Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Mona32145
11.5.2021, 09:02:00
Worin liegt hier die
Erfüllung einer Verbindlichkeit?

Lukas_Mengestu
11.5.2021, 11:15:44
Hallo Mona, A ist aufgrund des
Kaufvertrages verpflichtet, B das Grundstück zu übereignen. Zur Erfüllung dieser Verbindlichkeit bedarf es zunächst der
Auflassung(=dingliche Einigung beim Grundstückserweb, § 925 Abs. 1 BGB). Da die
Auflassungsomit dazu dient, die
schuldrechtliche Verpflichtung auf Übertragung des Grundstücks zu erfüllen, ist hier eine Vertretung durch B möglich und nicht als Insichgeschäft (§
181 BGB) ausgeschlossen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
QuiGonTim
7.4.2022, 16:07:45
Wie wäre der Fall zu beurteilen, wenn A und B den
Kaufvertragnicht notariell beurkunden lassen hätten? Versteht man 311 Abs. 1 S. 2 BGB derart, dass die Formvorschrift des 311 Abs. 1 S. 1 BGB ihre Funktionen im Rahmen der
Auflassung„nachholen“ kann, so kann diese Heilung im Falle der Selbstkontrahierung nicht vollzogen werden. Die Funktionen der Formvorschrift würden lediglich auf B wirken, der dann nach der Wertung des
181 BGBeinem die Vertretungsmacht ausschließenden Interessenkonflikt unterliegt. M.E. würde es also hier den Wertungen des Gesetzes widersprechen, eine wirksame
Übereignunganzunehmen. Was wäre der richtige Anknüpfungspunkt? Ein Ausschluss der Heilung gem. 311 Abs. 1 S. 2 BGB oder eine unwirksame Stellvertretung mangels Vertretungsmacht?

Lukas_Mengestu
8.4.2022, 14:45:53
Hallo QuiGonTim, schöne Abwandlung :D Aber keine Sorge, auch hierfür lässt sich eine Lösung finden. In der Tat kommt man hier über die "
Erfüllung einer Verbindlichkeit" nicht wirklich weiter. Denn soweit diese schwebend unwirksam ist, ist sie nicht geeignet über §
181 BGBhinwegzuhelfen. Allerdings ist die
Erfüllung einer Verbindlichkeitnicht die einzige Möglichkeit §
181 BGBauszuhebeln. Der Vertretene kann dem Vertreter schlicht und ergreifend gestatten, ein Insichgeschäft vorzunehmen. Die Gestattung ist insoweiit ein einseitiges
Rechtsgeschäftund erfolgt durch eine empfangsbedürftige Willenserklärung des Vertretenen gegenüber dem Vertreter. Die Vertretungsmacht des Vertreters wird damit erweitert. Dies muss nicht zwingend ausdrücklich erfolgen. Vielmehr ist von einer konkludenten Gestattung besonders in Fällen auszugehen, in denen das Vertretergeschäft, für das eine Vollmacht erteilt wurde, nur als Insichgeschäft möglich ist (Schubert, in: MüKo-BGB, 9.A. 2021, § 181 RdNr. 77). Diesen Fall haben wir hier vorliegen, d.h. selbst wenn der
Kaufvertragformunwirksam wäre, so gelangt man hier zur wirksamen
Auflassungund einer Heilung des Vertrages. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
QuiGonTim
8.4.2022, 14:48:22
@[Lukas Mengestu](136780) Danke für die Klärung. Da habe ich wohl etwas zu kompliziert gedacht.

Lukas_Mengestu
10.4.2022, 12:55:58
@QuiGonTim, sehr gerne :-)

FW
5.11.2024, 22:35:35
Hi, irgendwie finde ich das Ergebnis nicht vertretbar. Vom Wortlaut her liegt zwar nach § 181 kein Insichgeschäft vor, da die Abgabe der
Auflassungserklärung nur die
Erfüllung einer Verbindlichkeitist. Jedoch finde ich kann hier durchaus eine Interessenkollision gesehen werden. Der Notar soll ja gerade beide Parteien über die
Gefahren und rechtlichen Konsequenzen aufklären und nur wenn beide sich dann einig sind, wird die
Auflassungeinvernehmlich erklärt. Zwar ist die Stellvertretung per se beim §.925 nicht ausgeschlossen ( „beide Teile“), da keine höchstpersönliche Anwesenheit verlangt wird, jedoch kann in dieser Konstellation durchaus ein Interessenkonflikt entstehen. Wenn sich z.B. erst beim Notar herausstellt, dass das Grundstück mit einer Hypothek belastet ist oder an einen Dritten vermietet wird, besteht doch die
Gefahr, dass der Verkäufer dennoch die
Auflassungserklärung im Namen des Käufers abgibt, selbst wenn dies für diesen nachteilig ist. Denn für den Verkäufer ist das ja irrelevant. Ein objektiver Dritter als Stellvertreter würde hier jedoch mehr die Interessen des Käufers berücksichtigen.
cornelius.spans
4.12.2024, 21:28:05
Hi, dass das hier durchgeführte
Rechtsgeschäft(
Auflassung) ausschließlich in der
Erfüllung einer Verbindlichkeitbesteht, lässt nur die Rechtsfolge des §
181 BGBentfallen. Der Vertreter kann also ausnahmsweise wirksam ein Insichgeschäft vornehmen. Es liegt aber weiterhin ein Insichgeschäft vor. §
181 BGBwill auch Interessenkonflikte sowie unter derartigen Umständen entstandene
Rechtsgeschäfte nicht grundsätzlich verhindern. Die Norm hat eher eine Warn- bzw. Schutzfunktion für den Vertretenen. Besonders "gefährlich", also für Interessenskonflikte anfällig sind Verpflichtungsgeschäfte, da hierbei Leistung und Gegenleistung vereinbart werden. Aber selbst hier sind Insichgeschäfte zulässig. Der Vertretene muss dies aber besonders "gestatten" (§
181 BGB). Ist dies nicht erfolgt, ist der Vertreter ohne Vertretungsmacht; die Folgen eines Vertragsschlusses ergeben sich dann aus den §§ 177, 179 BGB. Erfüllungsgeschäfte sind weniger gefährlich, da hier nur bereits zuvor vereinbarte Verbindlichkeiten erfüllt werden. Deshalb lässt §
181 BGBhier Insichgeschäfte auch ohne besondere Gestattung durch den Vertretenen zu. Natürlich muss der Vertreter aber auch hier Vertretungsmacht haben, damit die Willenserklärung(en) der Vertreters für und gegen den Vertretenen gelten (§ 164 I BGB). Es liegt also weiterhin beim Vertretenen, ob er das Risiko eines Insichgeschäfts eingeht; er muss sich ja nicht oder zumindest nicht von dieser Person vertreten lassen. MfG
Lt. Maverick
10.4.2025, 09:34:37
Generell sollte man aber bedenken, dass die
Auflassungnicht formbedürftig ist, was sich aus einem Umkehrschluss aus § 873 II BGB ergibt. Das heißt der Gesetzgeber sieht im Rahmen der
Auflassungkeine besondere Schutzbedürftigkeit. Einer Schutzbedürftigkeit wurde im Rahmen des Verpflichtungsgeschäfts, dem
Kaufvertrag, bereits durch notarielle Beurkundung ausreichend Rechnung getragen. Damit konnte die Schutz-, Warn- und Belehrungsfunktion eingehalten werden. Im
Kaufvertragist im Regelfall ein Passus enthalten, der darauf hinweist, dass das Grundstück frei von Belastungen veräußert wird. Das betrifft aber eben nicht die
Auflassung, denn Inhalt dieser ist nur, dass das Grundstück vom Verkäufer auf den Käufer übergehen soll. Dies darf dann eben nicht an Bedingungen oder Verpflichtungen geknüpft sein (z.B. Lastenfreiheit). Viel häufiger begegnet man in der Praxis dem Fall, dass
Kaufvertragund
Auflassungin einer Urkunde notariell beurkundet werden. Dabei kann es sein, dass Verkäufer oder Käufer die jeweils andere Partei vertritt und ein Insichgeschäft gemäß §
181 BGBgegeben ist. Ausnahme hiervon ist die vollmachtlose Vertretung. Bei einer vollmachtlosen Vertretung ist §
181 BGBschon gar nicht anwendbar, weil die Norm „einen Vertreter“ voraussetzt und damit lediglich schwebende Unwirksamkeit gegeben ist. Ein
Rechtsgeschäftnach §
181 BGBist nicht nichtig, sondern schwebend unwirksam. Denn das Gesetz sieht in §
181 BGBeine Ausnahme der Vertretungsmacht vor. Unabhängig davon ob oder ob keine Vertretungsmacht besteht, bei §
181 BGB—> schwebende Unwirksamkeit. Dann kann der Vertretene genehmigen, jedoch ist bei vorgeschriebener notarieller Beurkundung die Genehmigung an die entsprechende Form gebunden.
SM2206
12.7.2025, 22:31:44
Das stimmt so nicht. "Vertreter" ist, wer eine eigene Willenserklärung im eigenen Namen abgibt. Ob Vertretungsmacht besteht oder nicht, ändert nichts daran, dass man unter diesen Voraussetzungen "Vertreter" ist. Das folgt schon aus § 177 I, der den Vertreter ohne Vertretungsmacht eben als "Vertreter" bezeichnet.
Lt. Maverick
12.7.2025, 22:43:53
@[SM2206](200598) Das stimmt leider nicht. §
181 BGBstellt eine Begrenzung der Vertretungsmacht dar und diese setzt gerade Vertretungsmacht voraus. Wer ohne Vertretungsmacht handelt, dem kann die fehlende Vertretungsmacht damit auch nicht über §
181 BGBeingeschränkt werden. Macht doch auch keinen Sinn, wer falsus procurator ist und keine Genehmigung erteilt bekam, wieso sollte er dann eine Genehmigung nach §
181 BGBerhalten, wenn das Grundgeschäft schon unwirksam ist? Jauernig/Mansel BGB § 181 Rn. 1; MüKoBGB/Schubert BGB § 181 Rn. 48-50.
SM2206
12.7.2025, 22:51:57
Ok, scheint streitig zu sein, im Staudinger Rn. 9 steht das Gegenteil, dort wird auch die von dir zitierte Stelle aus dem MüKo als a.A. zitiert.
SM2206
12.7.2025, 23:03:04
Im Übrigen besteht die
Gefahrvon Interessenkonflikten ja auch beim Vertreter ohne Vertretungsmacht. Ich nehme an, die von dir zitierten Autoren wollen § 181 in diesem Fall unangewendet lassen, weil das
Rechtsgeschäftin diesem Fall ohnehin nicht wirksam ist, weil eben die Vertretungsmacht fehlte. Die von mir angegebene Stelle scheint aber h.M. zu sein gemessen an der Dichte der Zitate.
Lt. Maverick
12.7.2025, 23:10:04
Ich denke die Abgrenzung besteht eher hinsichtlich der Genehmigung nach § 177 BGB und §
181 BGB, also ob § 177 BGB zugleich Befreiung von §
181 BGBzur Folge hat. Haben wir keine Zustimmung des Vertretenen, dann ist das Grundgeschäft schon nicht wirksam, sodass sich die Frage des §
181 BGBnicht stellt. Nur wenn eine Genehmigung des vollmachtlosen Vertretergeschäfts besteht, muss geprüft werden, ob die Genehmigung §
181 BGBumfasst oder ob es einer separaten Zustimmung hinsichtlich der Befreiung vom Insichgeschäft bedarf.
SM2206
12.7.2025, 23:21:55
Der separaten Befreiung von §
181 BGBbedürfte es im Fall des Vertreters ohne Vertretungsmacht aber nur dann, wenn §
181 BGBanwendbar wäre. Das ist er nur, wenn „Vertreter“ i.S.d. §
181 BGBauch den Vertreter ohne Vertretungsmacht meint. Das habe ich ursprünglich bejaht. Dass das streitig ist, wusste ich natürlich nicht.
Agnessa
27.3.2025, 13:01:51
Der Vertrag wird doch gerade bei dem Notar geschlossen, d.h. erst mit dem notariellen Vertragsschluss werden gegenseitige Verbindlichkeiten begründet. Erfüllung wäre doch erst die Eigentumsverschaffung. Wo liegt mein Denkfehler?
Findet Nemo Tenetur
24.5.2025, 15:47:20
Für mich klingt die letzte Aufgabe+Antwort so, als läge bereits kein Insichgeschäft vor. § 181 liest sich aber doch so, dass im beschriebenen Fall zwar ein Insichgeschäft vorliegt, der Vertreter dieses aber ausnahmsweise dennoch vornehmen kann. Kann es jemand aufklären?

Paulah
30.5.2025, 20:06:43
Die letzte Aufgabe heißt: B fehlt es an der V e r t r e t u n g s m a c h t für die Erklärung der
Auflassungfür A, da es sich um ein Insichgeschäft handelt (§
181 BGB). Die Antwort darauf ist: Die Aussage stimmt nicht Das ist richtig und zwar genau mit der Begründung, die du auch genannt hast. B hat Vertretungsmacht, obwohl es sich um ein Insichgeschäft handelt, es aber um die
Erfüllung einer Verbindlichkeitgeht.
Findet Nemo Tenetur
30.5.2025, 20:12:47
ahhh jetzt verstehe ich; vielen Dank @[Paulah](135148) für die gute Erklärung!!