Zurechnung einer Leistung wegen Rechtsscheins

16. Juli 2025

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem

K und V schließen einen Kaufvertrag über eine Gitarre (§ 433 BGB). V muss diese erst von D kaufen. Er vereinbart mit D, dass dieser an K liefern soll, widerruft dies aber wegen Unklarheit über die Wirksamkeit des Vertrages mit K. Der Widerruf kommt allerdings nicht bei D an. D liefert an K.

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Einordnung des Falls

Zurechnung einer Leistung wegen Rechtscheins

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. K hat Eigentum (§ 929 S. 1 BGB) und Besitz (§ 854 S. 1 BGB) an der Gitarre erlangt (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB).

Ja, in der Tat!

„Etwas“ im Sinne von § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB ist jede vorteilhafte Rechtsposition. Man kann vier Kategorien unterscheiden: (1) Rechte (z.B. Eigentum), (2) vorteilhafte Rechtsstellungen (z.B. Besitz), (3) Befreiung von Verbindlichkeiten, (4) erlangte Nutzungen. K hat durch die Lieferung tatsächliche Sachherrschaft, also Besitz (§ 854 Abs. 1 BGB) erlangt. Zum Eigentumserwerb: V und K haben sich dinglich geeinigt (§ 929 S. 1 BGB). V hat zwar K die Gitarre nicht selbst übergeben. Da die Lieferung des D auf Geheiß des V erfolgte, liegt im Verhältnis V-K eine Übergabe vor. Dadurch, dass D die Anweisung des V befolgt, wird äußerlich erkennbar, dass V eine tatsächliche Einwirkungsbefugnis auf die Sache hat (sog. Geheißerwerb). V's Berechtigung ergibt sich daraus, dass D vorher dem V Eigentum verschafft hat. Die Lieferung des D an K auf Geheiß des V bewirkt auch im Verhältnis D-V eine „Übergabe“ (§ 929 S. 1 BGB). Die beiden Übereignungen scheitern auch jeweils nicht am „Einigsein im Zeitpunkt der Übergabe“, da die Einigung zwar widerruflich ist bis zur Übergabe, ein etwaiger Widerruf aber auch für den Empfänger erkennbar sein muss.
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2. K hat Eigentum (§ 929 S. 1 BGB) und Besitz (§ 854 S. 1 BGB) an der Gitarre "durch Leistung des V" erlangt (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB).

Ja!

Eine Leistung ist jede bewusste und zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens. Für das Leistungsbewusstsein ist ein rechtsgeschäftlicher Wille nicht erforderlich. Es genügt natürliche Einsichtsfähigkeit. Damit eine Leistung des V vorliegt, müsste die Lieferung des D an K dem V zuzurechnen sein. Dafür ist grundsätzlich eine wirksame Zweckvereinbarung zwischen D und V erforderlich, eine „Anweisung“. Auf Grund des Widerrufs fehlt es an einer solchen. Nach der Rspr. fällt die Leistungsbewirkung durch D bei einer widerrufenen Anweisung dennoch in den Risikobereich des V (§§ 170ff. BGB analog). Hierfür bedürfe es weder einer Sorgfaltspflichtverletzung, noch eines Verschuldens. Dies folge aus dem Veranlasserprinzip, wobei eine wertende Abwägung vorzunehmen sei. Der Anweisungsempfänger müsse zudem gutgläubig sein, darf also das Fehlen einer (wirksamen) Anweisung nicht kennen. Dies führt zu einer Rückabwicklung entlang der Kausalverhältnisse. Eine Direktkondiktion im Zuwendungsverhältnis findet nicht statt.
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