Strafrecht

BT 3: Straftaten gegen Freiheit u.a.

Nötigung, § 240 StGB

Sitzblockade Teil I: Gewaltausübung "1. Auto"

Sitzblockade Teil I: Gewaltausübung "1. Auto"

7. November 2024

4,8(2.455 mal geöffnet in Jurafuchs)

[...Wird geladen]

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs
Tags
Klassisches Klausurproblem

Der Demonstrant T stört sich an der aktuellen Umweltpolitik seiner Stadt. Kurzerhand blockiert er die einzige Zufahrtstraße zum Rathaus, die die ansässigen Politiker vor einer Sitzung mit mehreren Autos gemeinsam passieren wollen, indem er sich mitten auf die Straße setzt.

Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

...Wird geladen

Einordnung des Falls

Sitzblockade Teil I: Gewaltausübung "1. Auto"

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 1 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Indem T sich auf die Straße setzt, übt er am Führer des ersten Fahrzeugs nach der Rspr. "Gewalt" aus (§ 240 Abs. 1 Var. 1 StGB).

Nein!

Der klassische Gewaltbegriff setzt voraus, dass der Täter (1) durch körperliche Kraftentfaltung (2) Zwang ausübt, indem er auf den Körper eines anderen einwirkt, (3) um geleisteten oder erwarteten Widerstand zu überwinden. Nach dem BVerfG ist eine Zwangswirkung auf Seiten des Opfers, die rein psychischer Natur ist, nicht ausreichend für "Gewalt". Eine solche Begriffsauslegung verstoße gegen das Analogieverbot (Art. 103 Abs. 2 GG). Indem T sich auf die Straße setzt, übt er dadurch keinen körperlichen Zwang beim Führer des ersten Fahrzeugs aus. Es handelt sich dabei lediglich um psychisch vermittelten Zwang, welcher sich körperlich beim Fahrzeugführer auswirkt. Bei einer Sitzblockade kommt es aus der Sicht des Täters nicht zu einer nennenswerten Entfaltung körperlicher Kraft. Dem Fahrer ist es zwar möglich, den Demonstranten zu überfahren, er hält jedoch an, um diesen nicht zu verletzen. Hier wäre eine andere Begründung wohl auch vertretbar, da ein sitzender Körper nicht lediglich ein psychisches, sondern zugleich auch ein physisches Hindernis darstellt.
Dein digitaler Tutor für Jura

7 Tage kostenlos* ausprobieren

* Nach dem Probeabo ab 7,99€ /Monat (weitere Infos). Ich akzeptiere die AGB und habe die Datenschutzerklärung zur Kenntnis genommen.

Jurafuchs
Eine Besprechung von:
Jurafuchs Brand
facebook
facebook
facebook
instagram

Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!


Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

LEN

Lenny

26.6.2021, 11:53:38

Guten Tag, die Gewalt enthält ja schon objektiv ein subjektives Element Absicht. T will die Zufahrt verhindern. Was ist nun, wenn Personen wieder umdrehen wollen, es aber wegen dem Stau nicht mehr können? Liegt da objektiv schon Gewalt vor? Das Absichtselemeng bezüglich des konkreten Wegfahrens wäre ja nicht gegeben, stimmt das? Ich wäre sehr dankbar um Meinungen, da ich insbesondere den Gewaltbegriff sehr komplex finde.

VIC

Victor

29.6.2021, 16:02:23

Auch dann hätte ich gesagt liegt Gewalt vor. Diesmal jedoch indem er den Stau provoziert und den ersten Wagen zur

Duldung

des Stehenbleibens zwingt. Diesmal nutzt er die anderen Fahrzeuge zur Durchsetzung.

LEN

Lenny

29.6.2021, 20:18:20

Hallo Victor, danke für die Antwort, du meinst also, es wäre dann zwar Gewalt, die jedoch nicht unmittelbar wirkt, sondern in Form einer mittelbaren Täterschaft, oder?

VIC

Victor

30.6.2021, 06:18:04

Genau! Rein theoretisch könnte das Auto ja weiter nach vorne fahren bzw. seinen Weg fortsetzen (auch wenn es ihm nicht zumutbar ist).

LEN

Lenny

30.6.2021, 07:26:33

Vielen Dank, Victor, jetzt habe ich das begriffen.

BL

Blotgrim

27.6.2022, 09:26:27

Ich stoße mich ehrlich gesagt etwas an dem Vertiefungshinweis, dass man die Sitzblockade als physisches Hindernis und somit als Gewalt sehen kann. Denn mit der Ansicht umgeht man meiner Meinung nach ein bisschen die Idee der Rspr. die primär psychische Wirkung von Sitzblockaden nicht als Gewalt zuzulassen

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

29.6.2022, 21:33:38

Hallo Blotgrim, du hast natürlich recht, dass die Rechtsprechung und herrschende Meinung bei den Sitzblockaden im Wesentlichen auf die psychische Wirkung durch die Blockierer abstellt, da die physische Zwangswirkung auf den Autofahrer marginal ist. Er könnte die Sitzblockade schlicht überfahren. Aber auch wenn die physische Wirkung lediglich gering ist, so besteht sie im Grunde. Lediglich darauf zielt der Vertiefungshinweis ab. In der Klausur ist man dennoch gut beraten, sich der mittlerweile herrschenden Meinung anzuschließen und in der Sitzblockade keine "Gewalt" gegen den ersten Autofahrer anzunehmen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

JUR

Juri

9.2.2023, 23:29:20

Ist das nicht widersprüchlich, wenn bei dem Fall weiter oben, bei dem jemand für einen anderen einen Parkplatz freihält, eine Nötigung bejaht wird?

Constanze.Jauch

Constanze.Jauch

17.4.2023, 21:04:41

Liebe Juri, indem Fall mit dem blockierten Parkplatz wurde eine Nötigung nicht bejaht. Dort wird ja aufgeführt, dass der Mensch dem Auto physisch und erworben ist und deswegen keine Gewalt ausübt. Liebe Grüße

JO

JohnnyLbd

21.6.2024, 10:23:24

Warum ist ein zb angeklebter Mensch kein physisches Hindernis ? ich mein klar liegt hier ein psychisches Hindernis vor ohne frage. Aber ein Auto in der ersten reihe könnte zB auch durch das auto der zweiten reihe natürlich je nachdem wie stark weggeschoben werden. Damit wäre das wegschieben sofern den möglich ja auch nur ein psychisches und kein physisches Hindernis ? Meinungen dazu ?

Kein Gott, kein Staat, kein Patriarchat

Kein Gott, kein Staat, kein Patriarchat

21.6.2024, 10:53:18

Ich denke, dass der Unterschied darin liegt, dass das erste Auto über den Menschen drüberfahren könnte, während dem zweiten Auto nur möglich ist gegen das erste Auto zu fahren. Klar könnte man jetzt den Fall bilden, dass das erste Auto ein Smart und das zweite ein 10 Tonnen schwerer LKW ist. Nichtsdestotrotz müsste er den Smart anschieben bzw. zur Seite schieben, was somit immer noch ein physisches Hindernis darstellt.

HAGE

hagenhubl

12.10.2024, 10:18:40

Das ist doch inzwischen ein alter Hut.


Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und mit 15.000+ Nutzer austauschen.
Kläre Deine Fragen zu dieser und 15.000+ anderen Aufgaben mit den 15.000+ Nutzern der Jurafuchs-Community
Dein digitaler Tutor für Jura

7 Tage kostenlos* ausprobieren

* Nach dem Probeabo ab 7,99€ /Monat (weitere Infos). Ich akzeptiere die AGB und habe die Datenschutzerklärung zur Kenntnis genommen.