Strafrecht
Examensrelevante Rechtsprechung SR
Entscheidungen von 2021
Vorsatz oder Fahrlässigkeit bei Autorennen: Täter vertraut auf kollisionsvermeidendes Verhalten der anderen
Vorsatz oder Fahrlässigkeit bei Autorennen: Täter vertraut auf kollisionsvermeidendes Verhalten der anderen
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
T verabredet sich am Abend mit F zu einem Autorennen. T fährt dabei auf der viel befahrenen Gegenfahrspur (167 km/h). O biegt auf diese Fahrspur ein, wobei sie ein Stoppschild übersieht. Als T die O einbiegen sieht, bremst er. Dennoch kommt es zur Kollision. O stirbt. T war davon ausgegangen, dass die Fahrer am Stoppschild stehen bleiben und die Gefahr dadurch erkennen und vermeiden würden.
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Einordnung des Falls
Vorliegend beschäftigt sich der BGH mit der Abgrenzung von Vorsatz zur bewussten Fahrlässigkeit bei Autorennen. Hiernach soll bei riskantem Verhalten im Straßenverkehr bei der Beurteilung, ob Vorsatz vorliegt, auch die Vorstellungen des Angeklagten über das Verhalten der anderen Verkehrsteilnehmer miteinbezogen werden. Gehe der Angeklagte davon aus, dass andere Verkehrsteilnehmer die Gefahr erkennen und sich dementsprechend kollisionsvermeidend verhalten, könne das voluntative Element des Vorsatzes fehlen. Der Täter wisse zwar von der Gefahr der Tatbestandsverwirklichung (kognitives Element), vertraue aber auf dessen ausbleiben (voluntatives Element).
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 8 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Könnte T sich wegen Mordes an O strafbar gemacht haben (§§ 212 Abs. 1, 211 StGB)?
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. Hat T die O mit einem gemeingefährlichen Mittels getötet (§§ 212 Abs. 1, 211 Abs. 1, Abs. 2 Gr. 2 Var. 3 StGB)?
Ja, in der Tat!
3. Hat T den Todeserfolg kausal und objektiv zurechenbar herbeigeführt?
Ja!
4. Müsste T zur Verwirklichung des Tatbestandes des § 212 Abs. 1 StGB auch vorsätzlich gehandelt haben?
Genau, so ist das!
5. Liegt nach h.M. bedingter Vorsatz bereits vor, wenn der Täter den Eintritt für möglich hält?
Nein, das trifft nicht zu!
6. Kann bei riskanten Verhaltensweisen im Straßenverkehr eine vom Täter als solche erkannte Eigengefährdung dafür sprechen, dass er nur fahrlässig handelte?
Ja!
7. T hat schon allein aufgrund der objektiven Gefährlichkeit der Tathandlung zumindest bedingt vorsätzlich gehandelt?
8. T handelte aufgrund der Gesamtumstände jedenfalls bedingt vorsätzlich?
Nein, das trifft nicht zu!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
frausummer
25.7.2022, 08:39:52
Hätte man in der obj. Zurechnung das überfahrene Stop Schild von O thematisieren müssen im Sinne eines
Dazwischentreten Dritter?
Abdulkadir
27.7.2022, 18:31:17
Nein
Nora Mommsen
2.8.2022, 11:59:07
Hallo frausummer, danke für deine Frage. Die Rspr. durchbricht bei Dazwischen Dritter teilweise den von ihr aufgestellten Grundsatz, wonach es nur auf die generelle Voraussehbarkeit des Enderfolges ankomme (vgl. u. 180), dahingehend, dass der Täter solche Geschehnisabläufe nicht zu vertreten habe, die so sehr außerhalb aller Lebenserfahrung liegen, dass er auch bei der nach den Umständen des Falles
gebotenen Sorgfalt nicht mit ihnen zu rechnen brauchte. Ärztliche Behandlungsfehler sind bei grober Pflichtwidrigkeit seitens des Arztes nicht mehr zurechenbar. O ist hier allerdings gar nicht Dritter, sondern nur selber Opfer. Daher ist das Dazwischentreten als Dritter nicht anzusprechen. Auch ist das Übersehen/Überfahren eines Stoppschildes nicht ein so außerhalb aller Lebenserfahrung liegender
Kausalverlauf, dass er die
objektive Zurechnungausschließt. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
LDS
4.9.2023, 09:32:44
Mir ist nicht ganz klar, warum das Mordmerkmal „gemeingefährliches Mittel“ angenommen wurde, ohne eine genauere Feststellung inwiefern eine Mehrzahl von Personen betroffen war, zum Zeitpunkt als T keine Kontrolle mehr über das „gemeingefährliche Mittel“ Auto hatte?
LDS
4.9.2023, 09:35:37
Also mir fehlen entsprechende Angaben im Sachverhalt um eine Mehrzahl bejahen zu können.
Leo Lee
9.9.2023, 10:07:45
Hallo LDS, vielen Dank für den Hinweis! Wir haben nun den Sachverhalt entsprechend angepasst :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo