2. Kündigung durch den Besteller, § 648 S. 1 BGB
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
B ist Innenarchitekt. In seiner schicken Küche lässt er sich von dem Fliesenleger U bunte Fliesen verlegen. Nachdem U fertig ist, gefallen B die Farben doch nicht mehr. B erklärt die Kündigung.
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Einordnung des Falls
2. Kündigung durch den Besteller, § 648 S. 1 BGB
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Der Besteller kann den Werkvertrag vor Vollendung jederzeit ohne besondere Gründe kündigen (§ 648 S. 1 BGB).
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. Trotz Kündigung bleibt der Vergütungsanspruch des Werkunternehmers bestehen.
Ja!
3. B hat wirksam gekündigt.
Nein, das ist nicht der Fall!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
iustus
31.5.2021, 21:31:30
Ist „Vollendung“ iSv tatsächliche Fertigstellung zu begreifen ohne Abnahme oder bedarf es auch noch die Abnahme? Weil es gibt ja auch noch die Abnahme durch Vollendung.
Tigerwitsch
1.6.2021, 13:10:54
Ob eine Vollendung des Werkes vorliegt, die das freie Kündigungsrecht des Bestellers ausschließt, ist nach den für § 646 BGB geltenden Kriterien zu beurteilen (vgl. nur Busche, in: MüKo BGB, 8. Aufl. 2020, § 648 Rn. 11). Danach hat das Werk im Wesentlichen vertragsgemäß hergestellt worden zu sein. Die Vollendung stellt einen tatsächlichen Vorgang dar, dh grundsätzlich sind alle geschuldeten Leistungen erbracht (Busche, aaO, § 646 Rn. 3). Das gilt selbst dann, wenn das vollendete Werk noch mit Mängeln behaftet ist (Voit, in: Hau/Poseck [Hrsg.], BeckOK BGB, 58. Edition Stand 01.05.2020, § 646 Rn. 5; Palandt/Sprau, § 646 Rn. 1 f.) Teilweise wird vertreten, dass der Besteller auch noch im Zeitraum zwischen Vollendung und (tatsächlicher) Abnahme kündigen kann (so Voit, aaO, § 648 Rn. 3 m.w.N.: Vollendung des Werkes sei vollständige mangelfreie Herstellung, die erst mit Abnahme erreicht sei; vgl. auch Peters, in: Staudinger [Hrsg.], BGB, Neubearbeitung 2019, § 648 Rn. 14).
Isabell
25.3.2022, 21:58:54
Genau deswegen finde ich das "jederzeit" aus der Frage davor irreführend. Denn jederzeit heißt, dass es gerade keine zeitliche Beschränkung gibt, während es hier eben doch die Beschränkung "vor Vollendung" gibt.
Lukas_Mengestu
28.3.2022, 11:34:06
Hi Isabell, in der Frage am Anfang wird letztlich nur der Gesetzeswortlaut wiederholt. Auch dort findet sich die Einschränkung "vor Vollendung" auch wenn diese nicht durch besondere Formatierung von uns hervorgehoben wurde. Ist es so etwas klarer? Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Isabell
31.3.2022, 16:40:57
Unglaublich, was solche Hervorhebungen ausmachen. Dankeschön!
evanici
1.9.2023, 16:29:49
Ich tue mir ein bisschen schwer mit der Formulierung, dass eine Vertragspartei grundsätzlich jede Art von Vertrag kündigen kann, wenn ein Rücktrittsgrund vorliegt (Erklärung in einer der ersten Fragen). Ich meine, grundsätzlich geht es ja grob jeweils um die Vertragsbeendigung, aber kann man Kündigung und Rücktritt auch angesichts der Rechtsfolgen über einen Kamm scheren (ex nunc vs. ex tunc)? Könntet ihr das noch ein wenig spezifizieren?
Leo Lee
2.9.2023, 20:09:22
Hallo evanici, beachte, dass hier zwar die Voraussetzungen, jedoch nicht die Rechtsfolgen über einen Kamm geschert werden. Denn wie bei der Kündigung wirkt auch der Rücktritt ex nunc! Hierzu kann ich die Lektüre von MüKo-BGB 8. Auflage, Gaier Vor § 346 Rn. 17 und 36 empfehlen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo
Nils
7.10.2024, 18:00:00
Ich bin auch der Meinung, dass eigentlich nur Dauerschuldverhältnisse gekündigt werden können. Das sieht auch § 314 Abs. 1 S. 1 BGB ausdrücklich vor: „Dauerschuldverhältnisse kann jeder Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen.“
HockHex
10.10.2024, 00:42:25
Aber ein Werkvertrag kann ja dauerschulverhältnishaften Charakter haben, bzw. wird diesen idR sogar haben (siehe das erste Beispiel mit den drei rot zu streichenden Räumen). Ansonsten gilt das von Leo Lee gesagte, das über einen Kamm scheren bezieht sich auf die Rechtsfolgen. Die Kündigung ist eben das Pendant zum Rücktritt bei Dauerschuldverhältnissen und weil ein Werkvertrag oft Elemente von beidem hat gibt es beide Möglichkeiten.