Zivilrecht
Examensrelevante Rechtsprechung ZR
Entscheidungen von 2021
Mitverschulden eines Kindes am Unfall mit Kfz
Mitverschulden eines Kindes am Unfall mit Kfz
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Der 11-jährige K steht sehr nahe am Bordsteinrand und wartet darauf, dass die Fußgängerampel grün wird. A fährt mit dem SUV ihres Kumpels dicht an K vorbei. Dabei erwischt sie K mit dem Außenspiegel. K bricht sich beim Sturz das Bein und liegt 3 Wochen im Krankenhaus. K will Schmerzensgeld.
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Einordnung des Falls
Mitverschulden eines Kindes am Unfall mit Kfz
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 12 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. K könnte einen Anspruch auf Schmerzensgeld gegen A haben, wenn die Voraussetzungen der §§ 18 Abs. 1, 11 S. 2 StVG vorliegen.
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. Ist A Fahrzeugführerin des SUV?
Ja, in der Tat!
3. Hat K einen Personenschaden erlitten?
Ja!
4. Ist die Verletzung des K bei Betrieb des Kfz entstanden?
Genau, so ist das!
5. Haftet A auch, wenn sie an dem Unfall kein Verschulden trifft (§ 18 Abs. 1 S. 2 StVG)?
Nein!
6. Indem A eng am Bordstein vorbeifuhr, hat sie sowohl die allgemeine Sorgfaltspflicht (§ 1 Abs. 2 StVO) als auch die gegenüber Kindern zu beachtende besondere Rücksichtnahmepflicht im Verkehr (§ 3 Abs. 2a StVO) verletzt.
Genau, so ist das!
7. Kann sich A im Hinblick auf den Unfall exkulpieren (§ 18 Abs. 1 S. 2 StVG)?
Nein, das trifft nicht zu!
8. Steht K dem Grunde nach ein Anspruch auf Schadensersatz zu?
Ja!
9. Da die Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde nach vorliegen, kann K Schmerzensgeld verlangen (§ 11 S. 2 StVG).
Genau, so ist das!
10. Für die Bemessung der Schmerzensgeldhöhe ist das Mitverschulden des Geschädigten egal.
Nein, das trifft nicht zu!
11. Hat K den Unfall mitverursacht, Indem er sich sehr nah am Bordsteinrand aufgestellt hat?
Ja!
12. Ist ein Mitverschulden des K ausgeschlossen, da er erst 11 Jahre alt ist?
Nein, das ist nicht der Fall!
Jurastudium und Referendariat.
Fundstellen
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
🦊²
13.6.2022, 20:07:42
Hey, Kann mir vllt. jemand den Wortlaut des § 9 StVG erläutern? Irgendwie werde ich mit dieser Norm nicht warm. Welchen tatsächlich einfachen Fall deckt die Norm denn ab? Allerbeste Grüße - 🦊²
Cecilie
15.6.2022, 11:33:00
Die Norm verweist für den Fall des mitverschuldens eines nicht motorisierten Dritten auf die §§ 254 Bgb. Also wenn der Geschädigte weder kfz-Halter noch fahrer ist, also Fußgänger, Fahrradfahrer Beifahrer. Und § 9 StVG am Ende regelt einen Sonderfall: wenn der Geschädigte eines Sachschaden (sagen wir A’s Fahrrad ist bei einem Unfall mit einem Auto kaputt gegangen) gar nicht die
Sachherrschaftüber die Sache hatte (weil sein Freund D mit dem Fahrrad unterwegs war), dann kommt es auf das Verschulden desjenigen an, der die tatsächliche Gwalt über die Sache hatte. Also kommt es dann im Rahmen des Mitverschuldens gem § 9 iVm § 254 BGB logischerweise auf das Verschulden des D, also des Freundes an. Folge ist dann dass der Anspruch des Eigentümers der Sache aus § 7 / § 18 stvg durch § 9 stvg ivm § 254 BGB gemindert wird. Ein Anspruch aus § 823 BGB hingegen nicht, es sei denn § 278 BGB greift ein.
Cecilie
15.6.2022, 11:37:37
Also Sachverhalt wäre hier quasi: D ist mit dem Fahrrad von A unterwegs und baut dann einen Unfall mit Halter/ Fahrer X. Dabei wird das Fahrrad des A beschädigt. X zu 80% schuld, D zu 20%. Ansprüche des A gg. X wegen des Schadens am Fahrrad?
🦊²
19.7.2022, 10:13:18
@[Cecilie](131105) tut mir leid, deine Antwort ist mir jetzt erst aufgefallen - vielen lieben Dank für deine Mühe und die aufschlussreiche Erklärung!🥳🙌 Liebe Grüße 🦊 ²
Elee
6.7.2024, 23:02:40
Ließe sich mit Hinweis darauf, dass K an einer Fußgängerampel wartete, auch vertreten, dass Kˋs Verhalten noch nicht die Schwelle des (Mit)Verschuldens erreicht? Oder liegt der Schwerpunkt des Vorwurfs darin, dass K nicht auf das Fahrzeug geachtet hat, während ein umsichtiger Fußgänger gebührenden Abstand zum Fahrbahnrand (auch an Ampeln) gehalten hätte, sobald sich ein Fahrzeug nähert, insbesondere wenn dieses erkennbar zu dicht am Fahrbahnrand fährt?
david1234
11.7.2024, 11:11:09
Hi! Vertretbar wird hier alles sein, dass OLG nimmt ja selbst „nur“ 20% an, dementsprechend musst du es gut argumentieren, die besseren Gründe sprechen in meinen Augen aber für ein mitverschulden, da das Kind 11 Jahre alt ist und wie gesagt sehr Nahe dort stand. VG
acdc
22.8.2024, 08:27:59
Von § 254 BGB kenne ich den Streitstand, ob das Mitverschulden iRv § 254 BGB bei Minderjährigen analog § 828 (h.M) oder analog § 278 (t.d.Lit) zu bestimmen ist. Wäre der Streitstand hier auch relevant?