Zivilrecht

Sonstige vertragliche Schuldverhältnisse

Darlehensvertrag, §§ 488ff. BGB

Vorgeschriebenen Angaben nach Artikel 247 §§ 6 bis 13 EGBGB

Vorgeschriebenen Angaben nach Artikel 247 §§ 6 bis 13 EGBGB

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Herr H und Bankmitarbeiterin B einigen sich schriftlich über ein Darlehen von €50.000 mit einem jährlichen Zins von 1,5% zur Finanzierung von Hs neuem Auto. Weitere Angaben enthält der Vertrag nicht. B zahlt das Darlehen an H aus.

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Einordnung des Falls

Vorgeschriebenen Angaben nach Artikel 247 §§ 6 bis 13 EGBGB

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. F und B haben einen Verbraucherdarlehensvertrag nach § 491 BGB geschlossen.

Genau, so ist das!

Verbraucherdarlehensverträge sind nach § 491 BGB entgeltliche Darlehensverträge zwischen einem Unternehmer als Darlehensgeber und einem Verbraucher als Darlehensnehmer. Der Darlehensgeber ist Unternehmer, wenn er in Ausübung seiner gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit das Darlehen gewährt (§ 14 Abs. 1 BGB). Der Darlehensnehmer ist Verbraucher, wenn er den Darlehensvertrag nicht zu einem Zweck abschließt, der überwiegend seiner gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet wird (§ 13 BGB). Für solche Verträge gelten die §§ 491-505d BGB. B handelt in Stellvertretung der Bank, die nach § 14 Abs. 1 BGB als Unternehmer das Darlehen gewährt. H will mit dem Darlehen sein neues Auto finanzieren und handelt daher als Verbraucher nach § 13 BGB. F und B haben einen Verbraucherdarlehensvertrag geschlossen.
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2. Der Vertrag zwischen H und B verstößt gegen die Schriftform des § 492 Abs. 1 BGB.

Nein, das trifft nicht zu!

Zum Schutz des Verbrauchers gilt beim Verbraucherdarlehensvertrag das Schriftformerfordernis des §492 Abs. 1 BGB. Abweichend von § 126 Abs. 2 S. 1 BGB können Angebot und Annahme beim Verbraucherdarlehensvertrag in getrennten Urkunden erklärt werden. Die Erklärung des Darlehensgebers bedarf entgegen § 126 Abs. 1 BGB nicht der eigenhändigen Unterschrift, wenn sie durch eine automatische Einrichtung erstellt wird (§ 492 Abs. 1 S.2-3 BGB). F und B haben den Vertrag schriftlich geschlossen, sodass nicht gegen das Schriftformerfordernis in § 492 Abs. 1 BGB verstoßen wurde.

3. Der Vertrag enthält nicht die nach § 492 Abs. 2 BGB erforderlichen Mindestangaben.

Ja!

Die vom Darlehensnehmer zu unterzeichnende Vertragserklärung muss nach § 492 Abs. 2 BGB iVm. Art. 247 §§ 6, 10-13 EGBGB neben den Angaben zum Darlehensgeber und zu den Hauptvertragsbedingungen bestimmte Mindestangaben enthalten wie etwa den Nettodarlehensbetrag, den Sollzinssatz, den effektiven Jahreszins, die Vertragslaufzeit, die zu bestellenden Sicherheiten, den Hinweis auf einen Anspruch eines Tilgungsplans oder das Verfahren bei Kündigung. Fehlende oder unvollständige Angaben können nach Maßgabe des § 492 Abs. 6 auch noch nach Vertragsschluss nachgeholt werden. Geschieht dies nicht ist der Vertrag nach § 494 Abs. 1 BGB grundsätzlich nichtig. Der Vertrag zwischen H und B enthält nicht alle Mindestangaben nach § 492 Abs. 2 BGB iVm. Art. 247 §§6, 10-13 EGBGB, sodass der Vertrag zunächst nach §494 Abs. 1 BGB nichtig ist.

4. Der Formmangel wurde mit Auszahlung des Darlehens an H geheilt und H kann das Darlehen jederzeit kündigen.

Genau, so ist das!

Nach § 494 Abs. 2 BGB wird ein Verbraucherdarlehensvertrag trotz Formmangels wirksam, wenn der Darlehensnehmer das Darlehen empfängt oder in Anspruch nimmt. Allerdings ermäßigt sich der vereinbarte Sollzinssatz auf den gesetzlichen Zinssatz (§ 246 BGB), wenn die Angabe des Sollzinssatzes, des effektiven Jahreszinses oder des Gesamtbetrags fehlt (§ 494 Abs. 2 S. 2 BGB).Fehlen Angaben zur Laufzeit oder zum Kündigungsrecht, ist der Darlehensnehmer jederzeit zur Kündigung berechtigt (§ 494 Abs. 6 S. 1 BGB). Fehlen Angaben zu Sicherheiten, können solche nicht gefordert werden (§ 494 Abs. 6 S. 2 BGB mit Ausnahmeregelung). Das Darlehen wurde von B bereits an H ausgezahlt, sodass der Formmangel aufgrund der fehlenden Angaben nach § 494 Abs. 2 BGB geheilt wurde. Da der Vertrag keine Angaben zur Laufzeit oder zum Kündigungsrecht enthielt, ist H jederzeit zur Kündigung berechtigt.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Isabell

Isabell

4.3.2022, 17:16:47

Ist die Heilung mit den Grundgedanken des Verbraucherschutzes vereinbar? Damit tue ich mich ein wenig schwer.

ri

ri

4.3.2022, 20:19:24

Nach 495 ivm 355 gibt es noch ein Widerrufsrecht für den Verbraucher, mit dem sich der Verbraucher vom Vertrag lösen kann. Was genau meinst du mit dem Grundgedanken des Verbraucherschutzes?

Isabell

Isabell

4.3.2022, 22:47:37

Man will ja die Unwucht durch die unterschiedlich starken Positionen (Unternehmer wird regelmäßig der starken und der Verbraucher der geschwächten Position zugerechnet) in einen Ausgleich bringen. Dieses ausgleichende Moment fehlt mir hier. Aber ich bin in diesen Rechtskreisen auch nicht so tief drin. Mir kann also durchaus etwas wegen schnöden Nichtwissen entgehen 😅

ri

ri

4.3.2022, 22:50:30

Was würdest du ergänzen / ändern? Beziehungsweise was fehlt dir hier als Recht für den Verbraucher genau?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

7.3.2022, 09:21:55

Hallo Isabell, vielen Dank für die Nachfrage. Der Zweck der Vorschriften ist in der Tat die Stärkung der Rechte des "schwachen" Verbrauchers. Die Regelungen zu Form und Inhalt dienen dabei verschiedenen Ausgleichsmechanismen. So soll a) ein evtl. bestehendes Informationsdefizit des Verbrauchers ausgeglichen werden (insbs. über Kosten der Kreditaufnahme/Vergleich mit anderen Angeboten), b) der Verbraucher aufgeklärt & gewarnt werden, c) die Beweisbarkeit der Vereinbarungen sichergestellt werden und d) insgesamt ein Übereilungsschutz erreicht werden (vgl. Knops, in: BeckOGK-BGB, 1.1.2022, § 492 RdNr. 7). Kurzum, es soll sichergestellt werden, dass der Verbraucher nicht versehentlich in einem für ihn ungünstigen Darlehensvertrag festhängt. Diesem Ziel könnte man nun einerseits dadurch erreichen, dass der Vertrag komplett nichtig ist (so ja zunächst die Rechtsfolge des § 494 Abs. 1 BGB). Ohne die Heilungsregelung des § 494 Abs. 2 BGB wäre der Verbraucher aber gezwungen, ein ausgezahltes Darlehen direkt zurückzuerstatten. Regelmäßig wird er aber ein Interesse an dem Darlehen haben. Sein Schutz wird dadurch hinreichend gewährleistet, dass die Konditionen des Darlehens sich verbessern, soweit die entsprechende Information fehlt (z.B. geringerer Zinssatz, jederzeitiges Kündigungsrecht, keine Stellung von Sicherheiten). Der Übereilungsschutz wird - wie ri schon eingeworfen hat - zudem durch die

Widerrufsmöglichkeit

ausreichend abgesichert. Insofern würde ich auch sagen, dass die Verbraucherin hier eigentlich ganz gut abgesichert ist :-) Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Isabell

Isabell

7.3.2022, 09:25:52

Danke euch beiden. Mit euren Gedanken bin ich da noch einmal rangegangen und konnte dem gutfolgen. Störgefühl verschwunden 😁

Jan MS

Jan MS

26.10.2023, 15:45:01

verstößt der Vertrag nicht gegen die Formvorschrift des § 494 I i.V.m EGBGB? In Absatz 2, der hier zitiert wurde, geht es doch um die Heilung.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

27.10.2023, 09:57:59

Hallo Jan, vielen Dank für die Nachfrage. An dieser Stelle musst Du genau zwischen der Formvorschrift und der daraus resultierenden Rechtsfolge unterscheiden. Die Formvorschrift des Verbrauchervertrages findest Du in § 492 Abs. 1 BGB bzw. § 492 Abs. 2 BGB iVm Art. 247 §§ 6, 10 EGBGB. Welche Rechtsfolge der Verstoß nach sich zieht, ergibt sich sodann aus § 494 Abs. 1 BGB, der grundsätzlich die Nichtigkeit anordnet. Geheilt werden kann der Verstoß dann, sofern das Darlehen ausgezahlt wurde (§ 494 Abs. 2 BGB). Die gleiche Regelungstechnik kennst Du auch schon aus anderen Kontexten, so normiert zB § 311b Abs. 1 S. 1 BGB die notarielle Beurkundung von Kaufverträgen. Die Rechtsfolge der Nichtigkeit folgt dann aber nicht aus § 311b Abs. 1 S. 1 BGB, sondern aus § 125 BGB. § 494 BGB ist gegenüber § 125 BGB eine Spezialregelung für den Verbraucherdarlehensvertrag und geht insoweit vor (MüKoBGB/Weber, 9. Aufl. 2023, BGB § 494 Rn. 14). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

FL

Flohm

12.3.2024, 14:42:16

Ich weiß, die Frage passt nicht zu dem Fall, ich weiß aber nicht wo ich sie sonst stellen soll, da es leider keine Fälle zum Verzug des Darlehensnehmer gibt. Wenn der Darlehensnehmer nicht rechtzeitig die Zinsen zahlt, hat der Darlehensgegeber ggf. einen Anspruch aus §§280 I, II, 286, aber Verzugszinsen (§288) werden nicht geschuldet wegen des Zinseszinsverbot aus §289. Jetzt zum Verbraucherdarlehensvertrag: Beim Zahlungsverzug d. Darlehensnehmer verweist §497 I 1 auf §288 I. Also würde man das Zinseszinsverbot umgehen. Stimmt das so? Ich glaube ich habe da einen Denkfehler. Es kann ja nicht sein, dass der Darlehensgeber bei Verbraucherverträgen kein Zinseszinsverbot hat bei nicht Verbraucher-Verträgen aber schon. (auch wenn der Verbraucher durch §497 II wieder etwas geschützt wird.) Schön wäre es, wenn es auch noch einen Fall zum Verzug beim Darlehensvertrag gäbe.

PK

P K

19.3.2024, 19:35:04

Ich habe das mal nachgeschaut. Zu den nach § 497 Abs. 1 BGB geschuldeten Beträgen gehören tatsächlich auch Zinsen, so dass es im Ergebnis zu einem Zinses-Zins kommt. Der Fall ist gegenüber § 289 BGB aber insofern anders als der Zins ja die Gegenleistung für die Bereitstellung der Darlehensvaluta ist. Sind Raten vereinbart, so erleidet die Bank insoweit einen Verzugsschaden, weil sie das Geld aus den Raten nicht anderweitig anlegen/verwenden kann. Zinsen sind in dem Zusammenhang letztlich nur ein pauschalierter Schadensersatz; die Rspr. erlaubt insbes. Banken auch in anderen Zusammenhängen eine abstrakte Berechnung des Schadens oder entgangener Nutzungen, weil Banken das "Geld mit Sicherheit loswerden würden". Von diesen Verzugszinsen gibt es aber wiederum keine Zinsen; das stellt § 497 Abs. 2 BGB sicher.

Christian Quaritsch

Christian Quaritsch

22.9.2024, 21:54:22

In der Beantwortung von Frage 3 sollte m.E noch auf die Norm des § 500 Abs. 1. S. 1 BGB verwiesen werden.


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