Öffentliches Recht

Grundrechte

Körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 GG)

Haar- und Barterlass der Bundeswehr – verfassungsgemäße Grundlage

Haar- und Barterlass der Bundeswehr – verfassungsgemäße Grundlage

24. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Nach dem Haar- und Barterlass der Bundeswehr muss das Haar männlicher Soldaten am Kopf anliegen oder so kurz sein, dass Ohren und Augen nicht bedeckt werden. Das Haar darf bei aufrechter Kopfhaltung Uniform- und Hemdkragen nicht berühren. Soldat S sieht seine Grundrechte verletzt.

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Einordnung des Falls

Haar- und Barterlass der Bundeswehr – verfassungsgemäße Grundlage

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Soldaten können sich auf Grundrechte berufen.

Ja, in der Tat!

Seit der Strafgefangenenentscheidung des BVerfG ist anerkannt, dass die Grundrechte auch in den sog. Sonderstatusverhältnissen (Schüler (Art. 7 GG), Soldaten/Zivildienstleistende (Art. 12a, 17a GG), Beamte/Richter (Art. 33 Abs. 5 GG), Strafgefangene) uneingeschränkt gelten. S ist eine natürliche Person. Der persönliche Schutzbereich des Rechts auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 GG) ist eröffnet. Früher war die Geltung der Grundrechte bei solchen Verhältnissen historisch begrenzt oder gar ausgeschlossen.
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2. Das Recht auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 GG) schützt die Gesundheit des Grundrechtsträgers.

Ja!

Der sachliche Schutzbereich des Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 GG) schützt die körperliche Integrität im biologisch-physiologischen Sinn. Darunter wird zunächst zweifellos die körperliche Gesundheit verstanden. Auch die psychische Gesundheit ist erfasst. Das Recht auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 GG) hängt eng mit dem Recht auf Leben (Art. 2 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 GG) zusammen.

3. Auch Haare sind vom sachlichen Schutzbereich des Rechts auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 GG) erfasst.

Genau, so ist das!

Die körperliche Unversehrtheit umfasst die körperliche Integrität im biologisch-physiologischen Sinn. Hierzu zählen auch die Haare, die zum menschlichen Körper gehören. Der Haar- und Barterlass schreibt vor, wie das Haar zu tragen ist. Der sachliche Schutzbereich des Rechts auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 GG) ist eröffnet.

4. Ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 GG) liegt nur dann vor, wenn dem Grundrechtsträger Schmerzen zugefügt werden.

Nein, das trifft nicht zu!

Nach h.M. erfasst der Schutzbereich der körperlichen Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 GG) körperliche Eingriffe, die mit einer Zufügung von Schmerzen oder mit einer Gesundheitsbeschädigung verbunden sind oder sich als üble unangemessene Behandlung von nicht unbeträchtlichem Gewicht darstellen. Es sind also nicht nur Eingriffe erfasst, bei denen Schmerzen zugefügt oder empfunden werden.

5. Der Haar- und Barterlass greift in das Grundrecht des S auf körperliche Unversehrtheit ein.

Nein!

Das Kürzen der Kopfhaare stellt nur dann eine üble, unangemessene Behandlung von nicht unbeträchtlichem Gewicht dar, wenn dies zu einer Entstellung oder Verunstaltung führt. Aus dem Haar- und Barterlass ergeben sich solche Folgen jedenfalls nicht automatisch. Ein Eingriff in das Recht auf körperliche Unversehrtheit des S liegt nicht vor. Es liegt jedoch ein Eingriff in das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG) vor.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

ri

ri

18.7.2021, 01:33:04

Dass Schmerzen für die SB-Eröffnung nicht nötig sind, kann man sich damit merken, dass es Menschen gibt, die keine Schmerzen fühlen können. Die könnten sich nicht mehr auf das Recht auf körperliche Unversehrtheit berufen. Zu den Sonderstatusverhältnissen: Ist es nicht leicht euphemistisch formuliert, wenn es heißt, die GR gelten UNEINGESCHRÄNKT, aber in den obigen Fällen zur Wohnungsfreiheit festgestellt wurde, dass Gefängniszellen keine Wohnung sind? Damit entfällt doch das GR.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

13.12.2021, 11:05:22

Hallo Ri, vielen Dank für den Hinweis. Uneingeschränkt in diesem Kontext meint, dass nicht allein aufgrund des Sonderstatusverhältnis generell die Anwendbarkeit der Grundrechte entfällt. Aber in der Tat spielt das Sonderstatusverhältnis bei der Eröffnung des Schutzbereiches im Einzelnen eine Rolle, weswegen Räume und Kasernen oder Gefängniszellen nicht als Wohnung iSd Art. 13 GG geschützt sind und jedenfalls insoweit der Grundrechtsschutz eingeschränkt ist (es gilt immer noch das allgemeine Persönlichkeitsrecht und insoweit die Pflicht auf Achtung des Privatlebens). Beste Grüße, Lukas- für das Jurafuchs-Team

iudexaquo

iudexaquo

15.10.2022, 12:45:36

Gibt es auch die Möglichkeit einen shuffle Modus einzuführen? Entweder Rechtsgebietübergreifend oder innerhalb der einzelnen Lerneinheiten, zB Grundrechte.

IS

IsiRider

16.10.2022, 19:52:18

Das wäre so toll!

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

17.10.2022, 11:47:24

Hallo ihr beiden, vielen Dank für den Hinweis. Geht es euch beim Shuffle Modus um das erneute Durchspielen der Inhalte oder bereits um das ertmalige Lernen? Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

iudexaquo

iudexaquo

17.10.2022, 11:50:14

Eher um das erneute Durchspielen der Inhalte :)

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

17.10.2022, 15:39:23

Das könnte in der Tat noch eine nützliche Ergänzung zum bestehenden Wiederholungsbutton sein. Wir nehmen das einmal mit auf unsere To-Do-Liste auf :-) Danke euch fürs Mitdenken!

kaan00

kaan00

10.1.2024, 17:33:21

Gibt es die Möglichkeit eigentlich inzwischen? Wäre super zum Wiederholen =)

FL

Flohm

21.6.2024, 09:07:10

Die Spaced Repetition Funktion geht in die Richtung der Shuffle Funktion. Auch wenn die Reihenfolge da nicht ganz willkürlich ist :)

woelkchen

woelkchen

25.1.2023, 16:53:35

Könnte man einen Eingriff dennoch bejahen, wenn es den S aus seiner rein subjektiven Sicht entstellt oder verunstaltet? Inwiefern spielt das persönliche Empfinden da eine Rolle? Bei einer Frau würde man im Gegensatz dazu einen Eingriff in Art. 2 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 GG bzgl. der Haare wohl problemlos bejahen können.

Nora Mommsen

Nora Mommsen

27.1.2023, 14:20:10

Hallo woelkchen, danke für deine Fragen. Bei der Beurteilung ist von einer objektiven Betrachtungsweise auszugehen. Subjektive empfundene Verunstaltung muss daher außen vor bleiben. Einen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit ist auch bei Frauen abzulehnen. Dessen Schutzbereich erfasst körperliche Eingriffe, die entweder mit einer Zufügung von Schmerzen oder mit einer Gesundheitsbeschädigung verbunden sind oder sich als üble unangemessene Behandlung von nicht unbeträchtlichem Gewicht darstellen. Eine solche Behandlung kann in dem Schneiden der Kopfhaare nur liegen, wenn dies zu einer Entstellung oder Verunstaltung führt. Dies bei einer Kurzhaarfrisur anzunehmen erscheint zu weit gegriffen. Es ist zwar üblich, dass Frauen lange Haare tragen - aber keineswegs eine Seltenheit dass Frauen auch Kurzhaarfrisuren tragen. Ein Eingriff in das

APR

liegt hingegen genau wie bei Männern vor. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

woelkchen

woelkchen

28.1.2023, 17:30:15

Okay, danke für die ausführliche Erklärung und die schnelle Antwort 😊

MAS

Max S.

8.8.2024, 11:15:02

Wie leitet sich dieser Maßstab ab? Nach der Definition muss es sich kurz gesagt um eine nicht unerhebliche Beeinträchtigung der körperlichen Integrität handeln. Anküpfung ist also das Körperliche. Inwieweit passt da die Entstellung/Verunstaltung als Erheblichkeitsschwelle bzw. wie lässt sich dieser Maßstab erklären? Das ist doch eher ein ästhetischer Aspekt.

Jakob G.

Jakob G.

17.8.2024, 22:01:13

Aus § 223 Var. 2 StGB, Körperverletzung.

Jakob G.

Jakob G.

17.8.2024, 22:04:09

Var. 1 natürlich.


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