Körperliche Unversehrtheit und Wasserwerfer

4. Juli 2025

3 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Die Polizei löst eine gewalttätige Versammlung auf und fordert die Teilnehmer zum Gehen auf. Gewaltbereite Demonstranten kommen der Aufforderung nicht nach. Nach erfolgloser Androhung setzt die Polizei Wasserwerfer ein. Demonstrant D erleidet Hämatome.

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Einordnung des Falls

Körperliche Unversehrtheit und Wasserwerfer

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der sachliche Schutzbereich des Rechts auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 GG) ist eröffnet.

Genau, so ist das!

Der sachliche Schutzbereich des Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 GG) schützt die körperliche Integrität im biologisch-physiologischen Sinn. Auch die psychische Gesundheit ist erfasst. Die Wasserwerfer wirken auf die körperliche Integrität des D ein. Der sachliche Schutzbereich des Rechts auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 GG) ist eröffnet. Der persönliche Schutzbereich des Rechts auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 GG) ist bei natürlichen Personen stets eröffnet, sodass du diesen Punkt kurzhalten kannst.
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2. Das Einsetzen der Wasserwerfer stellt einen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit dar.

Ja, in der Tat!

Ein Eingriff ist jedes staatliche Handeln, das dem Einzelnen ein Verhalten, das in den Schutzbereich eines Grundrechts fällt, ganz oder teilweise unmöglich macht (moderner Eingriffsbegriff). Die Polizei setzt die Wasserwerfer ein, um die Versammlung aufzulösen. Dabei erleidet der D jedoch Hämatome. Ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit des D liegt vor.

3. Die körperliche Unversehrtheit ist vorbehaltlos gewährleistet. Eingriffe können nur durch kollidierendes Verfassungsrecht gerechtfertigt werden.

Nein!

Nach dem Gesetzesvorbehalt des Rechts auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 S. 3 GG) können Eingriffe in das Recht auf körperliche Unversehrtheit auf Grund eines Gesetzes gerechtfertigt sein. Die Bundesländer haben in ihren Vollstreckungsgesetzen Regelungen für Maßnahmen des unmittelbaren Zwangs geschaffen. Der Einsatz der Wasserwerfer ist eine solche Maßnahme des unmittelbaren Zwangs. Die Polizei kann diese nutzen, um einen Platzverweis durchzusetzen.

4. Der Eingriff in das Grundrecht des D aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 GG ist verfassungsrechtlich gerechtfertigt.

Genau, so ist das!

Die Regelungen für Maßnahmen des unmittelbaren Zwangs fordern die (1) Vollstreckbarkeit des Verwaltungsakts und die vorherige (2) Androhung der Vollstreckungsmaßnahme. Zudem muss der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt werden. Die Vollstreckbarkeit des Platzverweises (= Verwaltungsakt) folgt aus § 80 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (der Platzverweis ist eine unaufschiebbare Anordnung eines Polizeivollzugsbeamten). Entsprechend den Vorgaben des Landesgesetzes wurde der Einsatz des Wasserwerfers vorher angedroht. Die Maßnahme war schließlich auch verhältnismäßig. Insbesondere scheidet das Wegtragen der Demonstranten als milderes Mittel wegen des großen Aufwandes und der unabsehbaren Gefahren für die Polizeibeamten durch gewaltbereite Demonstranten aus. Der Eingriff in die körperliche Unversehrtheit des D ist gerechtfertigt.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

QUIG

QuiGonTim

12.1.2025, 15:10:56

Warum wird hier auf §

80 VwGO

verwiesen. Die Regelungen zur aufschiebenden Wirkungen haben doch nur im Widerspruchs- oder

Anfechtungsklage

verfahren Bedeutung. Beide sind vorliegend nicht gegeben.

MenschlicherBriefkasten

MenschlicherBriefkasten

21.3.2025, 16:37:04

Weil der

Platzverweis

ein VA wäre. Normalerweise hat ein Widerspruch gegen den VA

aufschiebende Wirkung

. Diese entfällt hier aber nach § 80 I S. 1 Nr. 2 VwGO. Denke das soll hier einfach nur klargestellt werden, dass wenn hier einer aus dem Kessel Widerspruch einlegen würde, dies keine Wirkung hätte, sondern der

Platzverweis

sofort mittels Wasserwerfer vollstreckt werden kann.

LMA

Lt. Maverick

3.4.2025, 21:22:29

Der Einsatz des

Verwaltungszwang

es muss zulässig sein. In den landesrechtlichen Regelungen zum Polizei- und Ordnungsrecht ist eine maßgebliche Voraussetzung für die Zulässigkeit des Zwangs, dass der dem Zwang zugrundeliegende Verwaltungsakt a) unanfechtbar geworden ist oder b) ein Rechtsbehelf keine

aufschiebende Wirkung

hat. Im vorliegenden Fall wurde ein

Platzverweis

(Verwaltungsakt) ausgesprochen. Auf Grundlage dieses

Platzverweis

es übte die Behörde unmittelbaren Zwang durch Einsatz der Wasserwerfer aus. Der

Platzverweis

war aber zum Zeitpunkt des Wasserwerfereinsatzes nicht unanfechtbar geworden. Der Adressat könnte also gegen den

Platzverweis

einen Rechtsbehelf einlegen und somit von der aufschiebenden Bedingung profitieren. Die Polizei hätte ihn damit nicht von Ort und Stelle bekommen wegen des

Suspensiveffekt

s. § 80 II S. 1 Nr. 2 VwGO stellt deshalb klar, dass die

aufschiebende Wirkung

bei unaufschiebbaren Maßnahmen der Polizei entfällt. Andernfalls könnte die Funktionsfähigkeit der Polizei- und Ordnungsbehörden in

Gefahr

ensituationen nicht mehr gewährleistet werden.


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