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Entscheidungen von 2021

Beschränkung des räumlichen Umfangs einer angemeldeten Versammlung wegen erwarteter Gewalt bei Gebäuderäumung

Beschränkung des räumlichen Umfangs einer angemeldeten Versammlung wegen erwarteter Gewalt bei Gebäuderäumung

23. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Um die titulierte Räumung des Szenelokals M zu sichern, untersagt die Polizei die Nutzung des angrenzenden Straßenzugs für Versammlungen für 2 Tage mittels für sofort vollziehbar erklärter Allgemeinverfügung. A will gegen die Räumung und die Einschränkung an sich demonstrieren.

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Einordnung des Falls

Beschränkung des räumlichen Umfangs einer angemeldeten Versammlung wegen erwarteter Gewalt bei Gebäuderäumung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 16 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. A hat Widerspruch gegen die Allgemeinverfügung erhoben. Im Eilrechtsschutz ist ein Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung (§ 80 Abs. 5 S. 1 Alt. 2 VwGO) statthaft.

Ja, in der Tat!

Die statthafte Antragsart richtet sich nach dem Begehren in der Hauptsache (§§ 122 Abs. 1, 88 VwGO). Der Eilrechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO hat Vorrang (§ 123 Abs. 5 VwGO). In der Hauptsache begehrt A die Aufhebung eines Verwaltungsakts in Gestalt einer Allgemeinverfügung (§ 35 S. 2 VwVfG), es besteht eine Anfechtungssituation. Die aufschiebende Wirkung entfällt wegen der Anordnung der sofortigen Vollziehung (§ 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO). Statthaft ist daher der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung (§ 80 Abs. 5 S. 1 Alt. 2 VwGO) des Widerspruchs gegen die Allgemeinverfügung.
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2. Der Antrag ist teilweise begründet, wenn die Sofortvollzugsanordnung formell rechtswidrig ist.

Ja!

Die Sofortvollziehungsanordnung muss formell ordnungsgemäß sein. Dies setzt insbesondere voraus, dass eine ordnungsgemäße Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung erfolgt ist (§ 80 Abs. 3 S. 1 VwGO). Die Folgen formeller Fehler sind umstritten. Nach e.A. soll das Gericht auch bei bloß formellen Fehlern die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung anordnen. Die h.M. hebt dagegen überwiegend lediglich die Vollziehungsanordnung auf. Dafür spricht, dass die Behörde in diesem Fall die Anordnung nochmal fehlerfrei erlassen kann und hieran nicht durch ein entgegenstehendes Urteil gehindert ist.

3. Das Interesse an der sofortigen Vollziehung muss schriftlich begründet werden (§ 80 Abs. 3 S. 1 VwGO). Die pauschale Wiedergabe der Begründung des Verwaltungsakts genügt dafür regelmäßig nicht.

Genau, so ist das!

Die Begründung der Anordnung einer sofortigen Vollziehung (§ 80 Abs. 3 S. 1 VwGO) setzt eine konkrete und substantiierte Darlegung der Gründe voraus, aus denen sich aus Behördensicht das im vorliegenden Fall überwiegende öffentliche Vollzugsinteresse ergibt. Im Gefahrenabwehrrecht sind hieran allerdings keine zu hohen Anforderungen zu stellen. VG: Diese Anforderungen sind hier gerade noch erfüllt. Die Begründung macht sich die ausführliche Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalls zu Eigen und stützt sich auf das öffentliche Interesse an der Verhinderung von Straftaten und eine effektive und zeitnahe Gefahrenabwehr (RdNr. 27f.).

4. Rechtsgrundlage für die Allgemeinverfügung ist § 15 Abs. 1 Versammlungsgesetz des Bundes (VersG).

Nein, das trifft nicht zu!

Das in Berlin über Art. 125a Abs. 1 GG weiterhin anwendbare Versammlungsgesetz des Bundes wurde durch das am 28.02.2021 in Kraft getretene Versammlungsfreiheitsgesetz Berlin (VersFG Bln) abgelöst. Nach § 14 Abs. 1 VersFG Bln kann die zuständige Behörde eine Versammlung beschränken oder verbieten, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Maßnahmen erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit bei Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet ist. Die Regelung ist § 15 Abs. 1 VersG nachgebildet.

5. Die Allgemeinverfügung ist bereits rechtswidrig, da sie der Erlaubnisfreiheit von Versammlungen (hier im Fall § 13 VersFG Bln ) widerspricht.

Nein!

Die Durchführung einer Versammlung bedarf keiner behördlichen Erlaubnis. Dies erstreckt sich auch auf sonstige Genehmigungen für die Benutzung öffentlicher Verkehrsflächen (ausdrücklich in § 13 VersFG Bln geregelt). Aber Beschränkungen mit der Umschreibung einer Sperrfläche für Versammlungen an bestimmten Orten zu einem konkreten Anlass dürfen in Form einer Allgemeinverfügung ergehen. VG: So liegt der Fall hier. Mit der Allgemeinverfügung wird nicht eine Versammlung verboten, sondern Versammlungen werden mit Bezug zu einem konkreten Sachverhalt hinsichtlich ihrer Modalitäten (Zeit und Ort) beschränkt. Ein Widerspruch zu § 13 VersFG Bln besteht nicht (RdNr. 18).

6. Der Tatbestand des § 14 Abs. 1 VersFG Bln ist erfüllt, wenn eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit vorliegt.

Nein, das ist nicht der Fall!

Eine Maßnahme nach § 14 Abs. 1 VersFG Bln setzt eine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit voraus. Eine solche liegt bei einer hohen Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts für ein geschütztes Rechtsgut vor. Die zuständige Behörde muss eine auf konkreten Tatsachen beruhende Gefahrenprognose erstellen. Bloße Verdachtsmomente oder Vermutungen genügen nicht. Die öffentliche Sicherheit umfasst die Unversehrtheit der Rechtsordnung und der staatlichen Einrichtungen sowie zentrale Rechtsgüter wie Leben, Gesundheit, Freiheit, Ehre, Eigentum und Vermögen (Individualrechtsgüter) (RdNr. 20).

7. Wegen einer möglichen Behinderung der Räumung und Verletzung des Gerichtsvollziehers und seiner Hilfspersonen sind die Unversehrtheit der Rechtsordnung und Individualrechtsgüter betroffen.

Ja, in der Tat!

Die Räumung des Szenelokals beruht auf einem rechtskräftigen Titel. Sofern diese durch Versammlungsteilnehmer behindert wird, ist die Durchsetzung der Rechtsordnung beeinträchtigt. Kommt es im Laufe der Versammlung zu irgendeiner Form von Ausschreitungen, welche sich gegen den Gerichtsvollzieher oder dessen Hilfspersonen richten, ist eine Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit nicht auszuschließen. Insoweit sind Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit betroffen.

8. Bei vorangegangenen Räumungen von Szeneobjekten war es regemäßig zu Störungen sowie Ausschreitungen gegen Beamte gekommen. Rechtfertigt dies die Prognose, dass eine unmittelbare Gefahr für die Unversehrtheit der Rechtsordnung und Individualrechtsgüter besteht?

Ja!

Die Räumung des Szenelokals betrifft die aktuelle Debatte über die voranschreitende Gentrifizierung in Berlin und die damit in Verbindung stehenden Räumungen anderer linker Szeneobjekte. Die Polizei kann die Gefahrenprognose auf ihre in diesen Zusammenhang gesammelten Erfahrungen stützen. Danach werden Räumungsmaßnahmen regelmäßig gestört, behindert oder vereitelt. Ebenso sind Ausschreitungen gegenüber den handelnden Beamten (Flaschenwürfe und tätliche Angriffe) zu erwarten. Daraus ergeben sich begründete Anhaltspunkte dafür, dass es auch bei der Versammlung gegen die Zwangsräumung zu Störungen kommen wird (RdNr. 22f.).

9. Die Versammlung gegen die Einschränkung der Versammlungsmöglichkeiten soll am Vortag der Räumung stattfinden. Daher besteht bei dieser Versammlung keine unmittelbare Gefahr für die Rechtsgüter.

Nein, das ist nicht der Fall!

Das Thema dieser Versammlung bezieht sich zwar vor allem auf die Beschränkung der Versammlungsmöglichkeiten. Aber aus den Erfahrungen der Polizei ergibt sich die Prognose, dass sich die Menschenansammlung verfestigt und die erst am Folgetag stattfindende Räumung behindert. Daher besteht auch hier eine unmittelbare Gefahr zumindest für die Unversehrtheit der Rechtsordnung (RdNr. 22).

10. Zwar haben die Betreiber des Lokals zum Widerstand aufgerufen, dem sich auch überregionale Gruppen angeschlossen haben. Frühere von A veranstaltete Versammlungen liefen aber immer friedlich ab. Die Gefahrprognose ist daher fehlerhaft.

Nein, das trifft nicht zu!

In der Vergangenheit friedlich verlaufende Versammlungen des A sind nicht ausschlaggebend. Die Räumung des Lokals als Symbolobjekt der linken Szene stellt für die Versammlungsteilnehmer eine emotionale Thematik dar. Zudem haben die Betreiber des Lokals dazu aufgerufen, den Widerstandswillen gegen die Räumung auszudrücken. Diesem Aufruf haben sich auch überregionale Gruppierungen angeschlossen. Daher ist es nicht ausgeschlossen, dass auch gewaltbereite Störer außerhalb des Teilnehmerkreises der Versammlung vor Ort sind und Störungen verursachen. Dies wird nur durch die örtliche Beschränkung der Versammlungsmöglichkeit verhindert (RdNr. 24).

11. Der Tatbestand von § 14 Abs. 1 VersFG Bln ist erfüllt. Auf Rechtsfolgenseite muss die Beschränkung insbesondere verhältnismäßig sein.

Ja!

§ 14 Abs. 1 VersFG Bln räumt der zuständigen Behörde Ermessen ein. Die Maßnahme muss verhältnismäßig sein. Voraussetzung hierfür ist die Verfolgung eines legitimen Zwecks durch ein geeignetes, erforderliches und angemessenes Mittel. Die Beschränkung dient mit der Durchsetzung der Rechtsordnung und dem Schutz der dabei handelnden Personen einem legitimen Zweck. Sie ist geeignet und erforderlich, da den oben genannten Gefahren nur durch eine ungehinderte Durchführung der Zwangsräumung effektiv begegnet werden kann. Die Angemessenheit erfordert eine umfassende Abwägung der gegenüberstehenden Interessen.

12. Unmittelbar an die Sperrzone angrenzend und im Abstand von 40 Meter, kann die Versammlung stattfinden. Ist die Beschränkung der Versammlungsmöglichkeiten insoweit zur Sicherung einer ungehinderten Zwangsräumung angemessen?

Genau, so ist das!

Sie stellt einen geringen Eingriff dar, der den Zweck der Versammlungen nicht beeinträchtigt. Die Versammlungen können mit einem Abstand von 40 Metern zum Lokal und auch unmittelbar an die Sperrzone angrenzend stattfinden. Der Bezug zum Szeneobjekt bleibt dadurch erhalten. In den anliegenden Gebäuden befinden sich auch keine vergleichbaren Objekte, auf die sich die Versammlungen beziehen könnten. Die Vielfalt der möglichen Störungen (z.B. Würfe mit Flaschen oder Pflastersteinen und tätliche Angriffe) spricht für den Abstand. Zudem muss der Polizei eine Vorbereitungszeit eingeräumt werden. Die Regelung ist daher angemessen (RdNr. 25).

13. Die Allgemeinverfügung ist nach summarischer Prüfung offensichtlich rechtmäßig. Damit das öffentliche Aussetzungsinteresse überwiegt, ist aber ein besonderes Vollzugsinteresse erforderlich.

Ja, in der Tat!

Ist die Allgemeinverfügung offenkundig rechtmäßig, ist der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nur unbegründet, wenn ein besonderes Vollzugsinteresse besteht. Die Rechtmäßigkeit einer Allgemeinverfügung allein rechtfertigt nicht deren sofortigen Vollzug. Das besondere Vollzugsinteresse ergibt sich regelmäßig aus dem Zweck der Regelungsmaterie. So liegt es auch hier. Wegen der unmittelbar bevorstehenden Zwangsräumung kann bei offenkundiger Rechtmäßigkeit der Allgemeinverfügung der Abschluss des Widerspruchsverfahrens nicht abgewartet werden (RdNr. 29).

14. Der Antrag ist begründet.

Nein!

Nach summarischer Prüfung ist die Beschränkung der Versammlungsmöglichkeiten durch die Allgemeinverfügung offenkundig rechtmäßig. Wegen der unmittelbar bevorstehenden Zwangsräumung besteht auch das erforderliche besondere Vollzugsinteresse. Das öffentliche Vollzugsinteresse überwiegt daher das Aussetzungsinteresse des A.

15. Ein Hilfsantrag, die aufschiebende Wirkung nur für den Straßenabschnitt direkt gegenüber dem Lokal wiederherzustellen, hätte aufgrund der oben aufgeführten Erwägungen ebenfalls keinen Erfolg.

Genau, so ist das!

Ein entsprechender Hilfsantrag wäre nach § 80 Abs. 5 S. 1 Alt. 2 VwGO statthaft und im Wege der Eventualantragshäufung (§ 44 VwGO analog) zulässig. In der Sache greifen die Argumente zur Sicherung der Zwangsräumung und dem Schutz des Gerichtsvollziehers und dessen Hilfspersonen ebenso (RdNr. 30).

16. Der Antrag ist materiell begründet, soweit nach freier richterlicher Abwägung das Aussetzungsinteresse des A das öffentliche Vollzugsinteresse überwiegt.

Genau, so ist das!

Bei einer formell rechtmäßigen Anordnung der sofortigen Vollziehung ist der Antrag (§ 80 Abs. 5 S. 1 Alt. 2 VwGO) begründet, soweit das Interesse des A an der Aussetzung der Allgemeinverfügung das öffentliche Interesse an deren Vollzug überwiegt. Dafür sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache maßgeblich. Das Aussetzungsinteresse überwiegt, wenn die Allgemeinverfügung nach summarischer Prüfung offenkundig rechtswidrig ist (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO). An dem sofortigen Vollzug einer rechtswidrigen Allgemeinverfügung kann kein öffentliches Interesse bestehen.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Vallowitz

Vallowitz

9.8.2021, 10:34:30

Hallo! Warum stellen wir hier auf 80 II Nr.4 VwGO und nicht auf 80 II Nr.2 VwGO ab? Vielen lieben Dank ☺️

Ferdinand

Ferdinand

9.8.2021, 11:19:01

§ 80 II 1 Nr. 2 VwGO erfasst nur unaufschiebbare Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten (Puttler in Sodan/Ziekow, Nomos Kommentar zur VwGO). Das bedeutet einerseits, dass Maßnahmen, die „am Schreibtisch“ getroffen werden, nicht erfasst sind (da keine VOLLZUGSbeamten). Andererseits ist bei schriftlich erlassenen Maßnahmen davon auszugehen, dass die Zeit reicht, um eine Anordnung nach § 80 II 1 Nr. 4 VwGO zu erlassen (widerlegbare Vermutung). Das schließt im Regelfall aus, dass es sich um eine „unaufschiebbare“ Maßnahme handelt.

Vallowitz

Vallowitz

9.8.2021, 11:25:47

Vielen herzlichen Dank für die schnelle Hilfe 🤩

Yüksel Toprak

Yüksel Toprak

15.8.2021, 15:47:05

Danke für die schnelle Hilfe.

TeamRahad 🧞

TeamRahad 🧞

17.10.2021, 10:22:57

Nach allem, was ich gelernt habe, ist der Obersatz zur

Begründetheit

nicht ganz präzise/vollständig. Er müsste m.E. lauten: Der Antrag ist begründet, wenn die

Sofortvollzug

sanordnung formell rechtswidrig ist und soweit (...). In der darauffolgenden Frage wird ja auch mit 80 III zunächst die formelle

Rechtmäßigkeit

der SVA geprüft. Kann natürlich gut sein, dass das anderswo, insbesondere in anderen Bundesländern, anders gehandhabt wird :)

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

17.10.2021, 18:34:52

Vielen Dank, TeamRahad. Wirklich klasse Hinweis, denn in der Tat war der Obersatz so nur auf die materielle

Begründetheit

gemünzt. Das ist glücklicherweise auch mal in allen Bundesländern gleich :D. Wir haben die Aufgabentexte deswegen noch einmal bearbeitet. Ein wenig Vorsicht würde ich allerdings bei der Verwendung der Konjunktion "und" walten lassen. Denn die Fehler müssen nicht zwingend kumulativ vorliegen. Allerdings ist auch etwas umstritten, welche Folge es hat, wenn die Anordnung lediglich formell fehlerhaft ist (s. neuer Vertiefungstext). Einer meiner Ausbilder war damals übrigens Fan von der folgenden Wendung für die Gerichtsklausur: "Nach § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragsstellers ganz oder teilweise wiederherstellen, wenn diese aufgrund der Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO entfällt. Bei bloß formellen Verstößen der Vollzugsanordnung kann dasa Gericht die Anordnung des

Sofortvollzug

s auch aufheben. Letzteres war vorliegend nicht geboten, da .... [Prüfung der formellen

Rechtmäßigkeit

, insb. Begründungspflicht] Inhaltlich (bzw. materiell) erfolgt die Entscheidung des Gerichts unter Berücksichtigung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache unter Abwägung der widerstreitenden Interessen des Antragsgegners, den erlassenen Verwaltungsakt möglichst umgehend vollziehen zu können, und des Antragsstellers, von diesem Vollzug zunächst verschont zu bleiben (im Anschluss daran noch die Varianten+Rechtsfolge: nach summarischer Prüfung a) offensichtlich rechtswidriger VA, b)offensichtlich rechtmäßiger VA + Vollziehungsinteresse, c) weder rechtmäßig, noch rechtswidrig) Gemessen an diesen Maßstäben überwiegt hier das öffentliche Vollzugsinteresse (bzw. das private Aussetzungsinteresse) [+Begründung]" Damit hat man (sehr ausführlich) den Prüfungsmaßstab dargelegt, worauf gerade im Eilrechtsschutz besonders geachtet wird. Vielleicht hilft es Dir ja auch :) Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

PPAA

Philipp Paasch

13.7.2022, 23:51:01

Klingt mal nach einem richtig durchdachten Obersatz, klasse. 👍

JO

jomolino

12.4.2022, 14:17:59

Wie kann man denn die Gefahrenprognose hier bei den Corona Demos bzgl. Der Missachtung der Maskenpflicht, mit der hier in Vergleich setzen. Bei den Corona Demos war es ja so, dass argumentiert wurde dass allein der Verstoß bei Demos des gleichen Veranstalters keinen hinreichende Grundlage für eine entsprechende gefshrneprognose bietet, die zu einem verbot führen könnte. Hier reicht es dass sie ohne solche gewalttätigen Vorkommnisse glauben es könnte zu einer Verfestigung der Versammlung bis zum folgetag führen… Ist das nicht ein Fall von auf dem rechten Auge blind? Anders lässt sich mir das nicht erklären.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

13.4.2022, 19:11:38

Hallo nomamo, das ist auf jeden Fall eine spannende These. In dieser Pauschalität würde ich mich dem aber nur schwer anschließen können. Die Gefahrenprognose ist ja extrem von den jeweiligen Umstände des Einzelfalls abhängig. Im Hinblick auf Corona-Proteste sind eine Vielzahl von Entscheidungen ergangen, bei denen durchaus das Verhalten bei früheren Veranstaltungen in den Blick genommen wurde (vgl. VGH München, BeckRSS 2020, 14520; VGH Mannheim, BeckRS 2020, 8755). Aber sicher ist bei jeder Entscheidung kritisch zu prüfen, ob hier in der Gesamtabwägung eine zutreffende Prognose gestellt wurde - oder eben nicht. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

GEM

GemäßigtSozialdemokratischerKoalabär

16.5.2022, 21:18:32

Bei teilweiser

Begründetheit

des Antrags: Wenn das Gericht statt die aufschiebende Wirkung wiederherzustellen nur die Anordnung der sofortigen Vollziehung aufhebt - wie würde man die Kosten aufteilen bzw. tenorieren?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

14.6.2022, 19:19:01

Hallo GemäßigtSozialdemokratischerKoalabär, auch im Hinblick auf die Kostenverteilung ist die Rechtsprechung nicht unbedingt stringent, sondern geht davon aus, dass obwohl der Antrag insoweit nur teilweise begründet ist, der Antragsgegner die vollen Kosten tragen muss (vgl. VGH München (20. Senat), Beschl. v. 06.09.2021 – 20 CS 20.2344, BeckRS 2021, 27770 = https://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-BECKRS-B-2021-N-27770?hl=true). Vertritt man dagegen, dass bereits formelle Fehler zur Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung führen, so ergibt sich dies ohne weiteres aus § 154 Abs. 1 VwGO. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team


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