Wiederholung Ortsteil: Zahlenmäßiges Gewicht 1

23. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Die kleinen ländlichen Gemeinden M und S (jeweils 5.000 Einwohner) grenzen aneinander an und sind durch eine Straße getrennt. Henri (H) möchte auf seinem Grundstück in M ein Wohnhaus errichten. Ein Bebauungsplan besteht nicht. Hs Grundstück liegt an der Straße und grenzt unmittelbar an S an. Die nähere Umgebung weist 20 Gebäude auf, darunter mehrere Wohngebäude, eine Kirche und eine Dorfkneipe. Allerdings stehen sämtliche Gebäude auf der anderen Seite der Straße in S.

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Einordnung des Falls

Wiederholung Ortsteil: Zahlenmäßiges Gewicht 1

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Hat die umliegende Bebauung in der Gemeinde S ein gewisses Gewicht und eine organische Siedlungsstruktur, um einen Ortsteil darzustellen?

Genau, so ist das!

Ein Ortsteil im Sinne von § 34 Abs. 1 S. 1 BauGB ist jeder Bebauungskomplex im Gebiet einer Gemeinde, der nach der Zahl der vorhandenen Bauten ein gewisses Gewicht besitzt und Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist. Das für einen Ortsteil erforderliche gewisse Gewicht der vorhandenen Bauten beurteilt sich im Einzelfall nach den siedlungsstrukturellen Gegebenheiten der Gemeinde. Das Merkmal der organischen Siedlungsstruktur erfordert eine angemessene Fortentwicklung der Bebauung innerhalb des gegebenen Bereichs. Eine organische Siedlungsstruktur ist abzulehnen bei einer Anhäufung von behelfsmäßigen Bauten oder einer völlig regellosen Bebauung, insbesondere bei einer Splittersiedlung. Die Ansammlung von 20 Wohngebäuden ist in Anbetracht der siedlungsstrukturellen Gegebenheiten der ländlichen Gemeinde S – gerade auch mit Blick auf die Zahl von 5.000 Einwohnern der Gemeinde – erkennbar von gewissem Gewicht. Die um die Kirche angeordnete Bebauung in der näheren Umgebung von Hs Grundstück ist beispielshaft für eine organischen Siedlungsstruktur. Eine regellose Bebauung oder eine Anhäufung behelfsmäßiger Bauten, die die organische Siedlungsstruktur ausschließen würde, besteht nicht. Bei der umliegenden Bebauung im Gemeindegebiet S handelt es sich um einen Ortsteil im Sinne des § 34 Abs. 1 S. 1 BauGB.
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2. H möchte sein Grundstück jedoch auf der anderen Seite der Straße im Gebiet der Gemeinde M bebauen. Stellt die nähere Umgebung der Gemeinde M für sich betrachtet einen Ortsteil im Sinne von § 34 Abs. 1 S. 1 BauGB dar?

Nein, das trifft nicht zu!

Ein Ortsteil im Sinne von § 34 Abs. 1 S. 1 BauGB ist jeder Bebauungskomplex im Gebiet einer Gemeinde, der nach der Zahl der vorhandenen Bauten ein gewisses Gewicht besitzt und Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist. Die nähere Umgebung der Gemeinde M weist keine Bebauung aus. Sie kann somit weder von gewissem Gewicht sein, noch eine organische Siedlungsstruktur darstellen. Es handelt sich dabei nicht um einen Ortsteil im Sinne des § 34 Abs. 1 S. 1 BauGB.

3. Ist die Bebauung der Gemeinde S für die Frage, ob es sich bei dem Grundstück des H im Gebiet der Gemeinde M um einen Ortsteil im Sinne von § 34 Abs. 1 S. 1 BauGB handelt, mit einzubeziehen?

Nein!

Der Ortsteil i.S.d. § 34 Abs. 1 S. 1 BauGB hat nicht nur eine rein tatsächliche Anknüpfung an optisch wahrnehmbare Verhältnisse, sondern findet seine rechtliche Grenzen in der kommunalen Planungshoheit (Art. 28 Abs. 2 GG). Über den gesetzlichen Zulässigkeitstatbestand des § 34 Abs. 1 S. 1 BauGB kann die Zulässigkeit von Vorhaben nur im Einvernehmen mit der Gemeinde gesteuert werden (vgl. § 36 BauGB). Da es sich bei § 34 BauGB um eine Planersatzregelung handelt, kann der Gemeinde im Rahmen der Bestimmung des Ortsteil als Bebauung von gewissem Gewicht nur das zugerechnet werden, was die Gemeinde selbst durch eigene Planung abwenden kann. Dies bedeutet, dass ein Ortsteil im Sinne des § 34 Abs.1 S.1 BauGB nur innerhalb des (unbeplanten) eigenen Gemeindegebiets entstehen kann. Hierbei handelt es sich bereits um vertiefte Kenntnisse des Bauplanungsrechts. Diese Problematik wird teilweise verortet beim Tatbestandsmerkmal des Bebauungszusammenhangs: § 34 Abs. 1 S. 1 BauGB setzt voraus, dass Ortsteile „im Zusammenhang“ bebaut sein müssen. An diesem Bebauungszusammenhang fehlt es, wenn sich die Bebauung – wie hier – über die Grenzen mehrerer Gemeinden hinaus erstreckt.

4. Liegt das Grundstück des H in der Gemeinde M innerhalb eines Ortsteils im Sinne von § 34 Abs. 1 S. 1 BauGB?

Nein, das ist nicht der Fall!

Ein Ortsteil im Sinne von § 34 Abs. 1 S. 1 BauGB ist jeder Bebauungskomplex im Gebiet einer Gemeinde, der nach der Zahl der vorhandenen Bauten ein gewisses Gewicht besitzt und Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist. Abzustellen ist dabei nur auf die Bebauung im jeweiligen Gemeindegebiet. Der Bebauungskomplex der Gemeinde S ist nicht zu berücksichtigen. Die nähere Umgebung der Gemeinde M ist mangels Bebauung weder von gewissem Gewicht, noch eine organische Siedlungsstruktur. Es handelt sich dabei nicht um einen Ortsteil im Sinne des § 34 Abs. 1 S. 1 BauGB.
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