Erkennbarkeit des Ausstellers – Bierdeckel

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Gastwirtin G verteilt in ihrer Kneipe für jedes Getränk auf einem Bierdeckel Striche. Anhand des Deckels rechnet G am Ende ab. T hat sechs Alster getrunken, aber nur Geld für zwei Alster dabei. Sie kratzt vier Striche vom Deckel weg. Unter dessen Vorlage zahlt T zwei Alster.

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Einordnung des Falls

Erkennbarkeit des Ausstellers – Bierdeckel

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Eine Strafbarkeit der T wegen Urkundenfälschung (§ 267 Abs. 1 StGB) setzt voraus, dass der Bierdeckel eine Urkunde ist.

Ja, in der Tat!

Die Deliktsbezeichnung "Urkundenfälschung" (§ 267 Abs. 1 StGB) umfasst drei Tatbestände: (1) Herstellen einer unechten Urkunde, (2) Verfälschen einer echten Urkunde und (3) Gebrauchen einer unechten oder verfälschten Urkunde. Geschütztes Rechtsgut ist die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Rechtsverkehrs. § 267 StGB ist ein abstraktes Gefährdungsdelikt. Eine Urkunde im Sinne des materiellen Strafrechts ist jede verkörperte menschliche Gedankenerklärung (Perpetuierungsfunktion), die zum Beweis im Rechtsverkehr geeignet und bestimmt ist (Beweisfunktion) und die ihren Aussteller erkennen lässt (Garantiefunktion).
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2. Der Bierdeckel ist eine verkörperte menschliche Gedankenerklärung.

Ja!

Eine menschliche Gedankenerklärung ist die willentliche Entäußerung zur Nachrichtenübermittlung geeigneter und bestimmter Zeichen durch einen Menschen. Sie ist verkörpert, wenn sie eine hinreichend feste Verbindung mit einem körperlichen Gegenstand aufweist und visuell erfassbar ist. Mit den Strichen enthält der Bierdeckel den Gedanken, wie viele Getränke der Gast bestellt hat. Die Striche sind auf der Pappform aufgebracht und somit dauerhaft auf einem Gegenstand fixiert und sichtbar.

3. Der Bierdeckel ist zum Beweis im Rechtsverkehr geeignet.

Genau, so ist das!

Zum Beweis für eine rechtlich erhebliche Tatsache geeignet (objektives Element) ist eine Gedankenerklärung bereits dann, wenn sie für sich allein oder in Verbindung mit anderen Umständen bei der Überzeugungsbildung mitbestimmend ins Gewicht fallen kann. Sie muss nicht vollen Beweis erbringen. Der Deckel kann über die Höhe des von G erhobenen Zahlungsanspruchs Auskunft geben und ist zum Beweis im Rechtsverkehr geeignet.

4. Der Bierdeckel ist zum Beweis im Rechtsverkehr bestimmt.

Ja, in der Tat!

Zum Beweis bestimmt (subjektives Element) ist eine Erklärung, wenn der Aussteller einen entsprechenden Willen bereits bei Herstellung der Urkunde hat (Absichtsurkunde oder originäre Urkunde) oder er oder ein Dritter nachträglich diesen Willen äußert (Zufallsurkunde oder nachträgliche Urkunde). Daran fehlt es bei Entwürfen. Der Aussteller muss nicht zielgerichtet handeln. Es reicht aus, dass er die Erklärung in den Rechtsverkehr einführt in dem Bewusstsein, dass ein anderer sie zu Beweiszwecken benutzen kann. Mit Aufzeichnen der Striche erklärt G, wie hoch die Zahlungsschuld des Gastes ist. Somit sind die Striche auch zum Beweis im Rechtsverkehr bestimmt.

5. Der Bierdeckel lässt seinen Aussteller erkennen.

Ja!

Eine Gedankenerklärung lässt ihren Aussteller erkennen, wenn sich die Identität des geistigen Urhebers zumindest für Beteiligte oder Eingeweihte aus der Urkunde selbst erschließt. Es genügt nicht, wenn die Feststellung nur anhand von Umständen möglich ist, die außerhalb der Urkunde liegen. Aussteller ist nach h.M. nicht derjenige, der sie körperlich hergestellt hat, sondern der geistig hinter der Erklärung steht (Geistigkeitstheorie).Zwar hat G den Deckel nicht unterzeichnet. Hier ergibt sich indes aus der Verkehrssitte in Gaststätten, dass der Gastwirt selbst oder die Bedienung als seine Vertretung Aussteller der Erklärung über die bestellten Getränke ist.
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