Offene Bild-/Tonaufzeichnung, Videoüberwachung

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Häufig zünden Hooligans in der Fankurve der Kickers 06 verbotene Feuerwerke. Beim Lokalderby gegen den Erzrivalen SC Kickgut filmt die Polizei deswegen offen die Tribüne, um rechtzeitig gegen das Zünden einschreiten zu können.

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Einordnung des Falls

Offene Bild-/Tonaufzeichnung, Videoüberwachung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. In den Polizeigesetzen der Länder finden sich mehrere Standardermächtigung zur Datenerhebung durch Bild- und Tonaufzeichnung.

Ja!

In den meisten Polizeigesetzen der Länder bestehen mehrere Standardermächtigung, die die Polizei zur Datenerhebung durch Bild- und Tonaufnahmen befugt. Es ist zwischen offener und verdeckter Datenerhebung zu differenzieren. Wichtigste Standardmaßnahmen der offenen Datenerhebung und somit am klausurrelevantesten sind Bild- und Tonaufnahmen bei öffentlichen Ansammlungen und Veranstaltungen (§ 31 bbgPolG, § 184 LVwG, § 32 Abs. 1 SOG MV) und die Videoüberwachung im öffentlichen Raum (§ 32 Abs. 2 SOG MV, Art. 33 Abs. 2 BayPAG, § 24a ASOG). Nicht in allen Bundesländer sind die Befugnisse zur Datenerhebung und -verarbeitung in dem jeweiligen Polizeigesetz geregelt, sondern in speziellen Datenverarbeitungsgesetze. In Hamburg gilt das hamPolDVG, im Saarland das SPolDVG.
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2. Die offene Datenerhebung mittels Bild-, Video- oder Tonaufnahmen stellt einen Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung dar (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG).

Genau, so ist das!

Die informationelle Selbstbestimmung ist eine spezielle Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts abgeleitet aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG. Jeder soll selbst darüber entscheiden, welche personenbezogenen Daten erhoben und wie diese verwendet werden. Die offene Anfertigung von Bild- und Tonaufnahmen stellen einen rechtfertigungsbedürftigen Eingriff in den Schutzbereich dieses Grundrechts dar. Obwohl die Person sich freiwillig in die Öffentlichkeit begibt, ist die Eingriffsschwelle spätestens durch das Aufzeichnen von Bild-, Video- oder Tonaufnahmen überschritten. Umstritten ist, ob die Eingriffsschwelle bei der Videobeobachtung ohne Aufzeichnung überschritten ist.

3. Die Polizei ist befugt, die Südtribüne zu filmen.

Ja, in der Tat!

Die Polizei darf nach den fast allen Polizeigesetzen/ Datenverarbeitungsgesetzen personenbezogene Daten von Teilnehmern von öffentlichen Veranstaltungen und Ansammlungen durch Bild- und Tonaufnahmen erheben. Teilwiese wird diese Befugnis zusammen mit der Datenerhebung ohne technische Mittel geregelt (Art. 33 Abs. 1 BayPAG, § 29 Abs. 1 BremPolG, § 16 Abs. 1 SOG LSA), teilweise bestehen gesonderte Ermächtigungsgrundlage (§ 184 Abs. 1 S. 1 LVwG, § 24 Abs. 4 ASOG, § 44 PolG BW). Allein in Hessen können personenbezogenen Daten bei öffentlichen Veranstaltungen und Ansammlungen nur ohne Einsatz technischer Hilfsmittel erhoben werden (§ 14 Abs. 1 HSOG). Sobald die Zusammenkunft der Personen eine Versammlungim Sinne vom Versammlungsgesetz ist, ist sind die Ermächtigungsgrundlagen des VersG NRW vorrangig anzuwenden.

4. Die Polizei darf zur Straftatverhütung den öffentlichen Raum filmen.

Ja!

In allen Polizeigesetzen/Datenverarbeitungsgesetzen der Länder befinden sich Ermächtigungsgrundlagen, welche die Polizei dazu befugt, bestimmte besonders gefährdete öffentliche Orte zu filmen (§ 16 Abs. 2 SOG LSA, § 44 PolG BW, § 29 Abs. 3 BremPolG). Je nach Polizeigesetz des Landes variieren auf materieller Ebene die Tatbestandsvoraussetzung. Gemein ist aber allen Polizeigesetzen, dass an dem überwachten Ort erfahrungsgemäß Straftaten begangen, vorbereitet oder verabredet werden.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

frausummer

frausummer

22.2.2023, 18:27:20

Zur Prävention mal eben das gesamte Stadtgebiet filmen funktioniert aber nach keinem Gesetz, oder?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

1.3.2023, 15:32:32

Hallo frausummer, derart weit gefasst ist in der Tat keines der Gesetze. Und selbst wenn dies tatbestandlich möglich wäre, dürfte eine solche Maßnahme spätestens bei der Verhältnismäßigkeit regelmäßig scheitern. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

/Q

/qwas

11.1.2024, 18:02:44

In meinem PolizeiR Lehrbuch steht, dass gegen die Wirksamkeit der EGL jedoch schwerwiegende verfassungsrechtliche Bedenken bestehen. Könnt ihr das auch in der Aufgabe erwähnen?

JURA

juravulpes

14.3.2024, 17:19:39

Vor allem müsste die korrekte Antwort hier lauten, dass die Aussage nicht stimmt, da die Polizei eben nicht dazu befugt ist, den öffentlichen Raum zur Verhütung von Straftaten zu filmen, ohne dass weitere einschränkende Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind.


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