+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Fluglaternen erhalten Auftrieb durch eine brennende Kerze. Sie sind während des Flugs wiederholt in Brand geraten und brennend abgestürzt. Die zuständige sächsische Landesbehörde verbietet generell das Steigenlassen von Fluglaternen durch Polizeiverordnung.

Einordnung des Falls

Aufstiegsverbot für Fluglaternen durch Polizeiverordnung

Dieser Fall lief bereits im 1./2. Juristischen Staatsexamen in folgenden Kampagnen
Examenstreffer 2019
Examenstreffer Baden-Württemberg 2019

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. K, der in seiner Freizeit gerne Fluglaternen steigen lassen will, wird durch das Verbot in seiner allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) verletzt. Ist das Verbot unverhältnismäßig?

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Nein, das trifft nicht zu!

Das Verbot ist verhältnismäßig, wenn es geeignet, erforderlich und angemessen ist (Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 14.A. 2017, vor Art. 1 RdNr. 46). BVerwG: Das generelle Aufstiegsverbot sei geeignet, um von Fluglaternen ausgehende Brandgefahren abzuwenden. Es sei erforderlich, weil nichts dafür ersichtlich sei, dass die Abwendung der von Fluglaternen ausgehenden Brandgefahr auf schonendere Weise – etwa durch Warnungen – gleich wirksam erreicht werden könne. Es sei angemessen, weil dem von K verfolgten Freizeitvergnügen (Art. 2 Abs. 1 GG) erhebliche Gefahren für wichtige Rechtsgüter (Art. 2 Abs. 2, 14 Abs. 1 GG) gegenüberstünden (RdNr. 26ff.).

2. Von Fluglaternen gehen typischerweise Gefahren für polizeiliche Schutzgüter aus, insbesondere für die Individualrechtsgüter Eigentum und körperliche Unversehrtheit.

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Ja!

BVerwG: Es sei hinreichend wahrscheinlich, dass durch in Brand geratene Fluglaternen Brände mit erheblichen Schäden ausgelöst werden. Dies beruhe auf der offenen Feuerquelle und den Baumaterialien der Fluglaternen sowie fehlenden Vorkehrungen gegen das Übergreifen des Feuers auf brennbare Gegenstände. Mangels Steuerbarkeit der Fluglaternen und ihrer Abhängigkeit von Wind- und Wetterverhältnissen sei weder der Flugverlauf vorhersehbar noch seien Ausweichmanöver möglich. Deshalb sei die Brandgefahr unbeherrschbar. Das Risiko ungehinderter Ausbreitung eines Feuers sei hoch, weil Ort und Umfang eines Brandes nicht vorhersehbar seien (RdNr. 24).

3. Der Erlass von gefahrenabwehrrechtlichen Polizeiverordnungen ist in den Landespolizeigesetzen der meisten Bundesländer im Wege einer Generalklausel geregelt.

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Genau, so ist das!

Die Polizei- und Ordnungsgesetze aller Länder außer Bayern enthalten Generalklauseln zum Erlass von Polizeiverordnungen bzw. ordnungsbehördlichen Verordnungen zur Gefahrenabwehr. Diese dienen der Gefahrenabwehr in abstrakt-genereller Art. Sie unterscheiden sich darin von Gefahrenabwehrmaßnahmen mit konkret-individueller Wirkung (Einzelverwaltungsakt) oder konkret-genereller Wirkung (Allgemeinverfügung) (Maurer/Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, 19.A. 2017, § 13 RdNr. 3, 5, § 9 RdNr. 15 ff.).In Bayern gibt es spezielle Verordnungsermächtigungen (§§ 16, 18ff. BayLStVG).

4. Der Erlass von Polizeiverordnungen nach einschlägigem Landespolizeirecht setzt das Vorliegen einer konkreten Gefahr für polizeiliche Schutzgüter voraus.

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Nein, das trifft nicht zu!

Polizeiverordnungen können erlassen werden, um abstrakte Gefahren für polizeiliche Schutzgüter abzuwehren. Eine abstrakte Gefahr liegt vor, wenn in einer Vielzahl unbestimmter Fälle eine situativ noch nicht näher bestimmbare Gefahr für polizeiliche Schutzgüter besteht. Per Polizeiverordnung erfasste Sachverhalte müssen sich dadurch auszeichnen, dass sie typischerweise gefährlich sind. Die Gefahrenprognose knüpft an die Häufigkeit der Schadensfälle und die Intensität der Schadensfolgen an (Gusy, Polizei- und Ordnungsrecht, 10.A. 2017, RdNr. 406ff.).

5. Die Abwehr von Gefahren, die von Fluglaternen ausgehen, fällt in den Anwendungsbereich des Luftverkehrsrechts des Bundes (§ 29 Abs. 1 S. 1 LuftVG). Landespolizeirecht ist nicht anwendbar.

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Nein!

Die Anwendung des LuftVG (§ 1 Abs. 1 LuftVG) setzt die Benutzung des Luftraums durch Luftfahrzeuge voraus (§ 1 Abs. 2 LuftVG, insb. Flugzeuge, Drehflügler, Frei- und Fesselballone). Die luftverkehrsrechtliche Gefahrenabwehr (§ 29 Abs. 1 LuftVG) dient der „Abwehr von betriebsbedingten Gefahren für die Sicherheit des Luftverkehrs“. BVerwG: Fluglaternen seien keine Luftfahrzeuge nach § 1 Abs. 2 LuftVG. Denn sie seien diesen in Bezug auf die Benutzung des Luftraums nicht vergleichbar. Insbesondere gingen von ihnen typischerweise keine vergleichbaren Gefahren für die Sicherheit des Luftverkehrs aus (RdNr. 15ff.).

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