Öffentliches Recht

Examensrelevante Rechtsprechung ÖR

Verwaltungsrecht BT: Polizei- und Ordnungsrecht

Abschleppen eines Fahrzeugs aus Feuerwehrzufahrt — Kostentragungspflicht? (BVerwG, Urt. v. 21.03.2024 – BVerwG 3 C 13.22)

Abschleppen eines Fahrzeugs aus Feuerwehrzufahrt — Kostentragungspflicht? (BVerwG, Urt. v. 21.03.2024 – BVerwG 3 C 13.22)

12. April 2025

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

K stellt seinen Pkw am 14.11.2018 vor der Zufahrt zu einer Aufstellfläche für Rettungs- und Löschfahrzeuge ab. Die Zufahrt ist gekennzeichnet durch ein Schild „Feuerwehrzufahrt“. Dieses hat der Eigentümer (E) des angrenzenden Grundstücks in Erfüllung einer Auflage zu seiner Baugenehmigung angebracht. Stadt S lässt Ks Pkw abschleppen.

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Einordnung des Falls

Abschleppen eines Fahrzeugs aus Feuerwehrzufahrt — Kostentragungspflicht? (BVerwG, Urt. v. 21.03.2024 – BVerwG 3 C 13.22)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 14 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Mit Bescheid vom 16.11.2018 setzt S gegenüber K die Abschleppkosten fest. Dagegen möchte K klagen. Ist die Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO) statthaft?

Genau, so ist das!

Die statthafte Klageart richtet sich nach dem Begehren des Klägers (vgl. § 88 VwGO). Begehrt der Kläger die Aufhebung eines wirksamen, belastenden Verwaltungsakts (§ 35 S. 1 VwVfG), ist die Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO) statthaft. K begehrt die Aufhebung des ihn belastenden Kostenbescheids. Dieser ist ein wirksamer Verwaltungsakt i.S.d. § 35 S. 1 VwVfG. Somit ist die Anfechtungsklage statthaft. In so eindeutigen Fällen reicht es in der Klausur aus, wenn Du die Verwaltungsakts-Eigenschaft unter Hinweis auf § 35 S. 1 VwVfG kurz feststellst. Beachte: Wenn der Pflichtige die Kosten schon bezahlt hat, liegt keine Erledigung des Kostenbescheids i.S.d. § 43 Abs. 2 VwVfG vor. Der Kostenbescheid bleibt wirksam, da er weiterhin den Rechtsgrund für das Behaltendürfen der erhobenen Kosten enthält. Gegen den Kostenbescheid wäre also trotz erfolgter Zahlung die Anfechtungsklage statthaft, nicht die Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 113 Abs. 1 S. 4 VwGO). Zudem kann der Kläger einen Annexantrag nach § 113 Abs. 1 S. 2 VwGO stellen, um das Geld zurückzubekommen.
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2. Ks Anfechtungsklage ist auch im Übrigen zulässig. Ist sie begründet, soweit der Kostenbescheid rechtswidrig und K dadurch in seinen Rechten verletzt ist?

Ja, in der Tat!

Im Rahmen der Zulässigkeit einer Klage kannst du unproblematische Punkte weglassen. Neben der statthaften Klageart solltest du lediglich immer (zumindest kurz) etwas zur Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO) sagen. Da die Zulässigkeit von Ks Klage insgesamt unproblematisch ist, schauen wir uns im Folgenden nur die Begründetheit an. Gemäß § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO ist die Anfechtungsklage begründet, soweit der angegriffene Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist. Die Rechtmäßigkeit von Verwaltungsakten prüfst Du in der Klausur in dem bekannten Dreischritt (1) Ermächtigungsgrundlage (2) Formelle Rechtmäßigkeit (3) Materielle Rechtmäßigkeit

3. Der Originalfall spielte sich in Hamburg ab. Könnte § 14 Abs. 3 S. 3 SOG die taugliche Ermächtigungsgrundlage für den Erlass des Kostenbescheids durch die Stadt S?

Ja!

Für den Erlass eines Kostenbescheids als belastenden Verwaltungsakt bedarf es wegen des Vorbehalts des Gesetzes einer Ermächtigungsgrundlage. Ermächtigungsgrundlagen für Kostenbescheide finden sich auf bundesrechtlicher Ebene (§ 19 VwVG) sowie auf landesrechtlicher Ebene (z.B. § 77 Abs. 1 S. 1 VwVG NRW, § 67 Abs. 1 S. 1 NVwVG, § 74 Abs. 1 S. 1 VwVG LSA). Ob Bundes- oder Landesrecht Anwendung findet, hängt von der handelnden Behörde ab. Hier handelt die Stadt S als Landesbehörde. Die taugliche Ermächtigungsgrundlage für den von ihr erlassenen Kostenbescheid ergibt sich daher aus dem Landesrecht. Im hiesigen Fall wird der Kostenbescheid auf § 14 Abs. 3 S. 3 SOG gestützt. Im Rahmen der Ermächtigungsgrundlage für den Kostenbescheid musst Du regelmäßig bereits problematisieren, welcher Rechtsnatur die Abschleppmaßnahme ist: Es könnte sich um eine Maßnahme der Verwaltungsvollstreckung (Ersatzvornahme oder unmittelbarer Zwang) oder um eine Sicherstellung handeln. Je nach Wahl der Rechtsnatur kommt eine andere Ermächtigungsgrundlage für den Kostenbescheid in Betracht. Mehr dazu findest Du hier.

4. S stützt den Kostenbescheid auf § 14 Abs. 3 S. 3 SOG (Hamburg). Ist dies die richtige Ermächtigungsgrundlage, wenn das Abschleppen eine Maßnahme des Verwaltungszwangs (= Ersatzvornahme) war?

Nein, das ist nicht der Fall!

Nach § 14 Abs. 3 S. 3 SOG fallen die Kosten der Sicherstellung (= polizeirechtliche Standardmaßnahme) dem nach §§ 8,9 SOG Verantwortlichen zur Last. Die Kosten für eine Ersatzvornahme (= Verwaltungszwang) kann die Behörde dagegen nach § 13 Abs. 2 S. 1 HmbVwVG vom Pflichtigen verlangen. Gemäß § 14 Abs. 1 S. 2 SOG wird ein verbotswidrig abgestelltes oder liegen gebliebenes Fahrzeug in der Regel sichergestellt, wenn es die Sicherheit oder Leichtigkeit des Verkehrs beeinträchtigt. Diese Regelung spricht dafür, dass es sich um eine Sicherstellung handelt, sodass § 14 Abs. 3 S. 3 SOG als Ermächtigungsgrundlage in Betracht kommt. Sofern eine gesetzliche Anordnung wie § 14 Abs. 1 S. 2 SOG nicht besteht, stellt sich das Problem der Abgrenzung von Sicherstellung und Ersatzvornahme als Maßnahme der Verwaltungsvollstreckung. Wie die Abgrenzung erfolgt, kannst Du Dir in unserem Kurs zum Verwaltungsrecht anschauen. „Abschleppfälle“ sind ein beliebtes Klausurthema. Schaue einmal nach, ob in Deinem Bundesland (gesetzliche) Besonderheiten bestehen.

5. Der Bescheid ist formell rechtmäßig ergangen. Ist es für die materielle Rechtmäßigkeit ohne Bedeutung, ob Ks Pkw rechtmäßig abgeschleppt wurde?

Nein, das trifft nicht zu!

Gemäß § 14 Abs. 3 S. 3 SOG fallen die Kosten der Sicherstellung und Verwahrung dem Verantwortlichen zur Last. Wegen des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, der aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) folgt, muss die zugrundeliegende kostenauslösende Maßnahme rechtmäßig gewesen sein. An dieser Stelle prüfst Du in der Klausur also inzident die Rechtmäßigkeit der Abschleppmaßnahme. Insgesamt kannst Du die materielle Rechtmäßigkeit eines Kostenbescheids wie folgt prüfen: (1) Rechtmäßigkeit der kostenauslösenden Maßnahme (2) Erstattungsfähigkeit der Kosten (3) Inanspruchnahme des Kostenschuldners (4) Ermessen

6. Die Abschleppmaßnahme müsste rechtmäßig sein. Handelt es sich hierbei um eine Sicherstellung (siehe § 14 Abs. 1 S. 2 SOG)?

Ja!

Mache Dir noch einmal klar, was Du hier prüfst: Im Rahmen der materiellen Rechtmäßigkeit des Kostenbescheids prüfst Du inzident die Rechtmäßigkeit der kostenauslösenden Maßnahme nach dem „gewohnten Muster“: (1) Ermächtigungsgrundlage Formelle Rechtmäßigkeit (3) Materielle Rechtmäßigkeit Gemäß § 14 Abs. 1 S. 2 SOG Hamburg wird ein verbotswidrig abgestelltes oder liegen gebliebenes Fahrzeug in der Regel sichergestellt, wenn es die Sicherheit oder Leichtigkeit des Verkehrs beeinträchtigt. Hier beeinträchtigt der von K abgestellte Pkw die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs. Bei der Abschleppmaßnahme handelt es sich somit um einen von § 14 Abs. 1 S. 2 SOG angeordneten Fall der Sicherstellung. Die Ermächtigungsgrundlage für die Sicherstellung findet sich in § 14 Abs. 1 S. 1 SOG. Weil Du in diesem Fall bereits – ausnahmsweise – im Rahmen der Ermächtigungsgrundlage für den Kostenbescheid etwas zu § 14 Abs. 1 S. 2 SOG schreiben musstest, kannst Du an dieser Stelle ggf. nach oben verweisen.

7. Damit die Sicherstellung von Ks Pkw nach § 14 Abs. 1 S. 1 lit. a) SOG rechtmäßig ist, müsste zunächst eine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bestanden haben.

Genau, so ist das!

Nachdem Du festgestellt hast, dass es sich bei der Maßnahme um eine Sicherstellung handelte, prüfst Du im nächsten Schritt, ob der Tatbestand für eine Sicherstellung erfüllt war. § 14 Abs. 1 S. 1 lit. a) SOG setzt tatbestandlich voraus, dass die Sicherstellung erforderlich ist, um eine unmittelbar bevorstehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren oder eine Störung derselben Rechtsgüter zu beseitigen. Eine unmittelbar bevorstehende Gefahr setzt eine konkrete Sachlage voraus, die bei ungehindertem Geschehensablauf in absehbarer Zeit mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden an den geschützten Rechtsgütern führen wird.

8. Eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit könnte hier in einem Verstoß gegen § 12 Abs. 1 Nr. 5 StVO liegen.

Ja, in der Tat!

Eine unmittelbar bevorstehende Gefahr setzt eine konkrete Sachlage voraus, die bei ungehindertem Geschehensablauf in absehbarer Zeit mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden an den geschützten Rechtsgütern führen wird. Der Begriff der öffentlichen Sicherheit umfasst (1) die Unversehrtheit der Rechtsordnung, (2) den Schutz von Individualrechtsgütern und (3) Bestand des Staates, seiner Einrichtungen und Veranstaltungen. Hier könnte die Unversehrtheit der Rechtsordnung durch einen Verstoß gegen § 12 Abs. 1 Nr. 5 StVO betroffen sein. Nach § 12 Abs. 1 Nr. 5 StVO ist das Halten unzulässig vor und in amtlich gekennzeichneten Feuerwehrzufahrten. Wenn Du die Gefährdung der Unversehrtheit der Rechtsordnung prüfst, prüfst Du inzident die konkrete Norm. Dabei solltest Du feststellen, (1) was die Norm ge- oder verbietet und (2) ob gegen diese Ge- oder Verbote in Deinem konkreten Fall verstoßen wurde.

9. Das Schild wurde von E, einer Privatperson, aufgestellt. Scheidet daher eine „amtliche Kennzeichnung” i.S.d. § 12 Abs. 1 Nr. 5 StVO von Anfang an aus?

Nein!

In diesem Fall kommt es maßgeblich darauf an, ob das Schild, vor dem K geparkt hat, überhaupt von § 12 Abs. 1 Nr. 5 StVO umfasst ist. Denn nur dann liegt in dem Parken vor der Einfahrt ein Verstoß gegen die objektive Rechtsordnung. § 12 Abs. 1 Nr. 5 StVO normiert ein Halteverbot vor und in „amtlich gekennzeichneten” Feuerwehrzufahrten. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn die Kennzeichnung durch eine Behörde in ihrer Eigenschaft als Hoheitsträger selbst vorgenommen wurde. Ausreichend ist allerdings auch, dass die Kennzeichnung auf einer behördlichen Anordnung beruht, aber letztlich von einer Privatperson umgesetzt wurde (OVG Hamburg, RdNr. 53). Eine behördliche Anordnung zur Kennzeichnung der Feuerwehrzufahrt ist hier gegeben: E wurde im Wege einer Auflage zu seiner Baugenehmigung von der zuständigen Bauaufsichtsbehörde angeordnet, die Zufahrt durch ein entsprechendes Schild zu kennzeichnen (OVG Hamburg, RdNr. 54). Das erstinstanzlich zuständige VG Hamburg war hingegen der Rechtsauffassung, das von der Privatperson aufgestellte Schild genüge nicht den Anforderungen des § 12 Abs. 1 Nr. 5 StVO, da es nicht im Sinne der Vorschrift amtlich gekennzeichnet sei. Der Wortlaut erfordere, dass gerade die Kennzeichnung amtlich erfolgt ist, d.h. von einer Behörde in ihrer Eigenschaft als Hoheitsträger vorgenommen wurde. Eine bloß amtliche Veranlassung reiche dafür nicht aus (VG Hamburg, Urt. v. 20.10.2016, Az. 16 K 5900/15, RdNr. 22).

10. § 12 Abs. 1 Nr. 5 StVO setzt allerdings eindeutig voraus, dass die amtliche Veranlassung aus dem Schild heraus erkennbar ist.

Nein, das ist nicht der Fall!

Rein nach dem Wortlaut „amtlich gekennzeichnet” könnte man annehmen, dass nur solche Feuerwehrzufahrten erfasst sind, deren Kennzeichnung einen amtlichen Charakter erkennen lässt. Eine grammatikalische Auslegung anhand dem Syntax der Norm spricht jedoch eher gegen dieses Normverständnis: Die vorausgesetzte Eigenschaft „amtlich gekennzeichnet” bezieht sich grammatikalisch auf die Feuerwehrzufahrt, nicht auf das Hinweisschild als solches. Auch Historie und Sinn und Zweck der Vorschrift belegen dies: Abgestellt wird in der Normbegründung auf die Erkennbarkeit der Feuerwehrzufahrt, nicht der Amtlichkeit der Kennzeichnung. (RdNr. 19-24). Dass die Amtlichkeit nicht aus dem Hinweisschild heraus erkennbar sein muss, ergibt sich auch daraus, dass dies auch bei Verkehrsschildern, denen eine straßenverkehrsbehördliche Anordnung nach § 45 StVO zugrunde liegt, nicht gefordert wird. Weshalb für das Hinweisschild hier höhere Anforderungen gelten sollten, ist nicht ersichtlich (RdNr. 25). Um in Deiner Klausur mit unbekannten Fragestellungen umzugehen und zu punkten, empfiehlt sich der saubere Umgang mit der Norm mittels der Auslegungsmethoden Wortlaut, Systematik, Sinn und Zweck, (ggf.) Historie, wie das BVerwG hier demonstriert.

11. Mithin liegt ein Verstoß gegen § 12 Abs. 1 Nr. 5 StVO vor. Hier kam es zu keiner konkreten Behinderung von Feuerwehrfahrzeugen. Fehlt es an der unmittelbaren Gefahr?

Nein, das trifft nicht zu!

Eine konkrete Verkehrsbehinderung muss beim Parken an Feuerwehrzufahrtszonen nicht vorliegen. Es genügt die negative Vorbildwirkung, die von einem verkehrswidrig abgestellten Fahrzeug regelmäßig ausgeht. Für die dauerhafte Freihaltung der Zufahrt spricht ein besonderes und gewichtiges öffentliches Interesse. Infolge der Unvorhersehbarkeit von Notsituationen muss jederzeit mit dem Einsatz von Feuerwehrkräften gerechnet werden (OVG Hamburg, RdNr. 22). Daher darf auch abgeschleppt werden, wenn berechtigte Feuerwehrfahrzeuge nicht konkret behindert werden und der Verkehrsverstoß nur von relativ kurzer Dauer ist. Dies verdeutlicht auch die Vorschrift des § 14 Abs. 1 S. 2 SOG, wonach Fahrzeuge „in der Regel sichergestellt wenn es die Sicherheit oder Leichtigkeit des Verkehrs beeinträchtigt oder eine Gefährdung, Behinderung oder Belästigung anderer Verkehrsteilnehmer nicht auszuschließen ist(…)”. Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass es gerade nicht einer konkreten Beeinträchtigung bedarf, sondern bereits die Möglichkeit einer Behinderung anderer Verkehrsteilnehmer genügt.

12. Auf Rechtsfolgenseite sieht § 14 Abs. 1 S. 2 SOG vor, dass Fahrzeuge „in der Regel” sichergestellt werden, wenn eine Behinderung nicht auszuschließen ist. Hat sich die Stadt ermessensfehlerhaft dazu entschlossen, einzugreifen?

Nein!

Zu unterscheiden sind das Entschließungsermessen („Ob“) und das Auswahlermessen („Wie“). Die Frage, ob das Tätigwerden der Stadt S ermessensfehlerhaft ist, betrifft hier das Entschließungsermessen. Gemäß § 14 Abs. 1 S. 2 SOG werden Fahrzeuge „in der Regel sichergestellt wenn es die Sicherheit oder Leichtigkeit des Verkehrs beeinträchtigt oder eine Gefährdung, Behinderung oder Belästigung anderer Verkehrsteilnehmer nicht auszuschließen ist(…)”. Hier handelt es sich um einen Fall des intendierten Ermessens. Die Ermessensentscheidung ist bereits durch die gesetzliche Regelung vorgeprägt: Im „Normalfall“ soll die Behörde tätig werden. In atypischen Fällen darf sie von der vorgezeichneten Entscheidung abweichen. Gründe dafür, warum im konkreten Fall kein Regel-, sondern ein Ausnahmefall gegeben gewesen sein könnte, sind nicht ersichtlich (OVG Hamburg, RdNr. 62). Dass die Stadt S das Abschleppen veranlasste, begegnet daher keinen Bedenken hinsichtlich ihres Entschließungsermessens. Auch hinsichtlich des Auswahlermessens sind keine Ermessensfehler ersichtlich. Die Abschleppmaßnahme erging damit insgesamt ermessensfehlerfrei.

13. Somit war die Abschleppmaßnahme rechtmäßig. Ist der Kostenbescheid nach § 14 Abs. 3 S. 3 SOG allein deshalb schon rechtmäßig und Ks Klage unbegründet?

Nein, das ist nicht der Fall!

Zudem müssen auch die erhobenen Kosten dem Grunde und der Höhe nach erstattungsfähig sein und der richtige Kostenschuldner in Anspruch genommen worden sein. Gemäß § 14 Abs. 3 S. 3 SOG ist dies der nach §§ 8, 9 SOG Verantwortliche. Schließlich müsste das Ermessen bezüglich des Kostenbescheides fehlerfrei ausgeübt worden sein. Die Kosten sind dem Grunde und der Höhe nach erstattungsfähig (RdNr. 30). Auch handelt es sich bei K als Halter des Pkw um den Zustandsstörer i.S.d. § 9 SOG und damit den richtigen Kostenschuldner gemäß § 14 Abs. 3 S. 3 SOG. Schließlich wurde das Ermessen hinsichtlich des Kostenbescheids fehlerfrei ausgeübt. Damit ist der Kostenbescheid rechtmäßig und Ks Anfechtungsklage ist unbegründet. Ob und in welcher Höhe Kosten erstattungsfähig sind, ergibt sich aus den landesrechtlichen Verordnungen, auf die die jeweiligen Landesgesetze verweisen (hier für Hamburg z.B. § 14 Abs. 3 Satz 3 SOG i.V.m. §§ 3 Abs. 1 Nr. 4, 5 Abs. 2 S. 1 Nr. 5, S. 2 GebG i.V.m. § 1 Abs. 1 GebOSiO).

14. Ks Klage hat somit keinen Erfolg.

Ja, in der Tat!

Gemäß § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO ist die Anfechtungsklage begründet, soweit der angegriffene Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist.Der Kostenbescheid ist rechtmäßig und verletzt den K nicht in seinen Rechten. Folglich ist seine Anfechtungsklage nicht begründet gemäß § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO und hat keinen Erfolg.
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