Öffentliches Recht
Examensrelevante Rechtsprechung ÖR
Verwaltungsrecht BT: Polizei- und Ordnungsrecht
Abschleppen eines Fahrzeugs aus Feuerwehrzufahrt — Kostentragungspflicht? (BVerwG, Urt. v. 21.03.2024 – BVerwG 3 C 13.22)
Abschleppen eines Fahrzeugs aus Feuerwehrzufahrt — Kostentragungspflicht? (BVerwG, Urt. v. 21.03.2024 – BVerwG 3 C 13.22)
28. Mai 2025
9 Kommentare
4,6 ★ (20.120 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
K stellt seinen Pkw am 14.11.2018 vor der Zufahrt zu einer Aufstellfläche für Rettungs- und Löschfahrzeuge ab. Die Zufahrt ist gekennzeichnet durch ein Schild „Feuerwehrzufahrt“. Dieses hat der Eigentümer (E) des angrenzenden Grundstücks in Erfüllung einer Auflage zu seiner Baugenehmigung angebracht. Stadt S lässt Ks Pkw abschleppen.
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Einordnung des Falls
Abschleppen eines Fahrzeugs aus Feuerwehrzufahrt — Kostentragungspflicht? (BVerwG, Urt. v. 21.03.2024 – BVerwG 3 C 13.22)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 14 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Mit Bescheid vom 16.11.2018 setzt S gegenüber K die Abschleppkosten fest. Dagegen möchte K klagen. Ist die Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO) statthaft?
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. Ks Anfechtungsklage ist auch im Übrigen zulässig. Ist sie begründet, soweit der Kostenbescheid rechtswidrig und K dadurch in seinen Rechten verletzt ist?
Ja, in der Tat!
3. Der Originalfall spielte sich in Hamburg ab. Könnte § 14 Abs. 3 S. 3 SOG die taugliche Ermächtigungsgrundlage für den Erlass des Kostenbescheids durch die Stadt S sein?
Ja!
4. S stützt den Kostenbescheid auf § 14 Abs. 3 S. 3 SOG (Hamburg). Ist dies die richtige Ermächtigungsgrundlage, wenn das Abschleppen eine Maßnahme des Verwaltungszwangs (= Ersatzvornahme) war?
Nein, das ist nicht der Fall!
5. Der Bescheid ist formell rechtmäßig ergangen. Ist es für die materielle Rechtmäßigkeit ohne Bedeutung, ob Ks Pkw rechtmäßig abgeschleppt wurde?
Nein, das trifft nicht zu!
6. Die Abschleppmaßnahme müsste rechtmäßig sein. Handelt es sich hierbei um eine Sicherstellung (siehe § 14 Abs. 1 S. 2 SOG)?
Ja!
7. Damit die Sicherstellung von Ks Pkw nach § 14 Abs. 1 S. 1 lit. a) SOG rechtmäßig ist, müsste zunächst eine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bestanden haben.
Genau, so ist das!
8. Eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit könnte hier in einem Verstoß gegen § 12 Abs. 1 Nr. 5 StVO liegen.
Ja, in der Tat!
9. Das Schild wurde von E, einer Privatperson, aufgestellt. Scheidet daher eine „amtliche Kennzeichnung“ i.S.d. § 12 Abs. 1 Nr. 5 StVO von Anfang an aus?
Nein!
10. § 12 Abs. 1 Nr. 5 StVO setzt allerdings eindeutig voraus, dass die amtliche Veranlassung aus dem Schild heraus erkennbar ist.
Nein, das ist nicht der Fall!
11. Mithin liegt eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit vor. Weiter setzt § 14 Abs. 1 S. 2 SOG Hamburg tatbestandlich die Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit voraus. Muss es dafür zu einer konkreten Behinderung von Feuerwehrfahrzeugen gekommen sein?
Nein, das trifft nicht zu!
12. Auf Rechtsfolgenseite sieht § 14 Abs. 1 S. 2 SOG vor, dass Fahrzeuge „in der Regel“ sichergestellt werden, wenn eine Behinderung nicht auszuschließen ist. Hat sich die Stadt ermessensfehlerhaft dazu entschlossen, einzugreifen?
Nein!
13. Somit war die Abschleppmaßnahme rechtmäßig. Ist der Kostenbescheid nach § 14 Abs. 3 S. 3 SOG allein deshalb schon rechtmäßig und Ks Klage unbegründet?
Nein, das ist nicht der Fall!
14. Ks Klage hat somit keinen Erfolg.
Ja, in der Tat!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Iridan
8.4.2025, 07:44:19
Hallo zusammen, in euren Aufgaben zu der Frage kommt ihr auch darauf, dass es an einer unmittelbaren Gefahr nicht fehle, da auch ohne Feuerwehreinsatz die Einfahrt aus Vorbildgründen freizuhalten sei. Allerdings ist das kein Problem der unmittelbaren Gefahr. Diese besteht ohnehin, da ja bereits aktiv eine Störung der öffentlichen Sicherheit gegeben ist. So wie ich das OVG verstanden habe, ging es bei der Frage der Vorbildfunktion um die Beeinträchtigung des Verkehrs, was eine Voraussetzung des intendierten Ermessens von § 14 Abs. 1 Satz 2 SOG ist.

Lorena.Giacco
10.4.2025, 08:43:52
Hallo @[Iridan](294872) und vielen Dank für Deinen Hinweis! Du hast völlig Recht, dass die unmittelbare Gefahr ohnehin besteht, da der Verstoß gegen § 12 Abs. 1 Nr. 5 StVO ja sogar eine Störung der öffentlichen Sicherheit begründet. Hier hat die bisherige Aufgabenstellung in die Irre geführt – das haben wir nun überarbeitet. Tatsächlich handelt es sich bei der Frage der Behinderung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs um eine (eigene) Tatbestandsvoraussetzung des § 14 Abs. 1 S. 2 SOG Hamburg, nicht ein Element der
Gefahr für die öffentliche Sicherheit. Beste Grüße, Lorena - für das Jurafuchs-Team
TrowaBarton
8.4.2025, 09:32:45
Moin, auf eine hamburger Norm abzustellen, ohne diese zu verlinken ist bestenfalls begrenzt sinnvoll. Den Optimalfall (eine zuordnung des Accounts zu einem Land mit Verlinkung der entsprechenden Normen in der Aufgabe) möchte ich gar nicht einfordern. Aber zumindest ein Hyperlink zur Norm, wie er bei anderen Aufgaben bisher gängig war, wäre wünschenswert.

Linne_Karlotta_
8.4.2025, 17:09:49
Hallo TrowaBarton, danke für deine Anmerkung. Aktuell haben wir leider keine technische Möglichkeit, die landesrechtlichen Normen automatisch zu verlinken (wie es bei den bundesrechtlichen Normen der Fall ist). Die händische Verlinkung bedeutet leider einen redaktionellen Mehraufwand, den wir aktuell – angesichts der vielen anderen Projekte, an denen wir für euch arbeiten – nicht priorisieren. Wir bitten daher um euer Verständnis, wenn die ein oder andere landesrechtliche Norm nicht verlinkt ist. Wir arbeiten daran, für die landesrechtlichen Inhalte zukünftig eine Lösung zu finden, mit der das Lernen noch besser funktioniert. Ich habe in dieser Aufgabe die Verlinkungen nun zumindest in den jeweiligen Fragen aufgenommen. Viele Grüße – Linne, für das Jurafuchs-Team
Dini2010
1.5.2025, 11:28:24
Ich behaupte mal, im schlimmsten Fall bekommt man es wohl auch mal hin, eine Norm eigenständig nachzuschlagen , was ja in den heutigen Zeiten eine Sache von wenigen Sekunden ist 😂
Sarahsahara
8.4.2025, 11:35:30
Wäre die Privatperson, die gemäß der Auflage das Feuerwehrzufahrtsschild anbringt, als Verwaltungshelfer zu qualifizieren? Dann wäre doch eine Zurechnung der Handlung zu der auflageerteilenden
Behördemöglich, sodass eine amtlichen Kennzeichnung und nicht nur eine amtliche Veranlassung vorläge?

Lorena.Giacco
9.4.2025, 15:40:38
Hallo @[Sarahsahara](296376) und danke für Deine gute Frage! Verwaltungshelfer sind Privatpersonen, die
hoheitliche Aufgaben wahrnehmen und in ihrer Aufgabenwahrnehmung unselbstständig sind, d.h. im Auftrag und nach Weisung einer
Behördearbeiten (vgl. Detterbeck, Allg. VerwaltungsR, RdNr. 194).. Sie handeln dabei nicht in eigenem Interesse, sondern unterstützen die Verwaltung bei der Durchsetzung
hoheitlicher Maßnahmen. Im vorliegenden Fall ist die
hoheitliche Maßnahmenicht das Aufstellen des Feuerwehrzufahrtsschildes selbst, sondern die Anordnung in der Baugenehmigung – also die Auflage, ein solches Schild anzubringen. Zwar könnte man meinen, dass das Handeln des Bauherrn im Auftrag und nach Weisung der
Behördegeschieht, weil es durch eine behördliche Auflage ausgelöst wurde. Allein dadurch wird er aber nicht automatisch zum Verwaltungshelfer: Er handelt nicht im Interesse oder im Auftrag der
Behörde, sondern erfüllt lediglich die ihm auferlegte Pflicht, um von seiner Baugenehmigung in rechtskonformer Weise (nämlich entsprechend § 5 Abs. 5 HBauO)
Gebrauch machenzu dürfen – also zur Verwirklichung seines eigenen (privaten) Nutzungsinteresses. Somit ist er nicht als Verwaltungshelfer tätig, sondern nur als privater Adressat eines Verwaltungsakts mit
Nebenbestimmung. Ich hoffe, das hilft! Beste Grüße, Lorena – für das Jurafuchs-Team

Gigachad1
26.4.2025, 02:22:51
Wie schwer kann es sein die Konsequenzen seiner Handlungen zu akzeptieren 😭
Susi<3
15.5.2025, 12:39:38
hier einmal wie wir es in NRW lösen würden: - Abschleppen ist in diesem Fall keine Sicherstellung nach
43 PolG NRW: vom Fahrzeug geht keine Gefahr aus (zB durch auslaufendes Öl), Ziel ist nicht
hoheitlicher Gewahrsam zu begründen sondern das Auto "umzustellen", daran hindert auch eine anschließende Verwahrung nichts (Parallelfall: bloßes Versetzen).
rechtsnaturist daher die
Ersatzvornahmeim Wege der Durchsetzung eines (vermeintlichen) VAs. - fraglich ist, ob
gestrecktes Verfahrennach 55 abs. 1 VwVG NRW vorliegt: das Straßenverkehrsschild "Feuerwehrzufahrt" müsste ein amtliches Verkehrszeichen i.S.d Anlage zu 41 StVO sein (
Allgemeinverfügung35 s. 2 vwvfg nrw) solch ein amtliches Zeichen existiert dort NICHT (guckt gerne selber nach!). Das Schild beruht lediglich auf DIN 4066, daraus ergibt sich aber kein
hoheitliches Wegfahrgebot. Daher 55 abs. 1 vwvg nrw (-) - also 55 abs. 2: wir brauchen hypothetischen VA. als grund-VA: "bitte fahr weg"/Wegfahrgebot. EGL ist dabei mangels Spezialregelung 14 OBG NRW - dann gilt was bereits gesagt wurde: Verstoß gegen 12 abs. 1 nr. 5 StVO gerne korrigieren/ergänzen