Strafrecht
Examensrelevante Rechtsprechung SR
Entscheidungen von 2022
Beleidigende Äußerungen über Renate Künast in sozialen Netzwerken - "Hassrede" im Internet
Beleidigende Äußerungen über Renate Künast in sozialen Netzwerken - "Hassrede" im Internet
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Blogger B postet auf Facebook ein Bild der Politikerin K, welches er mit einem verfälschten Zitat von ihr versieht, in dem sie sich angeblich für die Entkriminalisierung von Geschlechtsverkehr mit Kindern ausspricht. Als Reaktion postet Nutzer N den Kommentar „Pädophilen-Trulla“ unter den Ausgangspost.
Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Der Beschluss des KG Berlin befasst sich mit den Grenzen der Meinungsfreiheit und unzulässigen beleidigenden Kommentaren im Internet („Hassrede“). Geradezu lehrbuchhaft wird hier die Meinungsfreiheit des Facebook-Nutzers auf der einen Seite mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht von Renate Künast auf der anderen Seite abgewogen. Aufgrund der Verflechtung des Strafrechts und öffentlichen Rechts und dem Umstand, dass es ein sehr prominentes Opfer betrifft, ist der Fall höchst examensrelevant.
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 9 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. N könnte sich durch die Äußerung „Pädophilen-Trulla“ und des damit verbundenen Angriffs auf Ks Ehre wegen eines Äußerungsdelikts gem. § 185-187 StGB strafbar gemacht haben.
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. Konkret kommt hier einen Strafbarkeit wegen Beleidigung in Betracht, weil es sich bei der Äußerung „Pädophilen-Trulla“ um eine herabsetzende Meinungsäußerung handelt (§ 185 StGB).
Ja!
3. Für die Strafbarkeit des N wegen Beleidung gem. § 185 StGB kommt es grundsätzlich auf eine Abwägung zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht von K und dem Recht des N auf freie Meinungsäußerung an.
Genau, so ist das!
4. Die Äußerung „Pädophilen-Trulla“ stellt eine Formalbeleidigung bzw. Schmähung dar, sodass hier eine Abwägung entfällt.
Nein, das trifft nicht zu!
5. Für das Überwiegen der Persönlichkeitsrechte von K streitet, dass der Kommentar von N keinen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung geleistet haben.
Ja!
6. Zu Beginn des weiterverbreiteten Posts hatte der Blogger B angegeben, wegen seines Posts wegen Schmerzensgeld verklagt zu werden. Ist es N insoweit vorwerfbar, dass er die Authentizität des Zitats nichts selbst geprüft hat?
Genau, so ist das!
7. Zugunsten von K spricht, dass schriftliche Äußerungen im Internet weniger gravierend sind, als im analogen Raum.
Nein, das trifft nicht zu!
8. Für ein Überwiegen von Ks Interessen streitet ferner, dass ein hinreichender Schutz der Persönlichkeitsrechte von Politikern auch im öffentlichen Interesse liegt.
Ja!
9. Der Kommentar stellt damit eine strafbare Beleidung gemäß § 185 StGB dar.
Genau, so ist das!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
kaettie
1.9.2023, 10:25:30
Hallöchen! Leider kann man auf dem verlinkten Urteil (in dem Vertiefungshinweis, unterstrichen) nicht raufklicken :-)
Macke
26.10.2023, 16:51:36
Hier der Link, solange es noch nicht angepasst wurde: https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2021/12/rk20211219_1bvr107320.html
MusterschüLAW
21.9.2024, 00:29:32
Wenn das Zitat echt gewesen wäre, wäre der Kommentar von der Meinungsfreiheit gedeckt gewesen, richtig? Kommt dann nicht ein Tatbestandsirrtum in Frage?
MusterschüLAW
21.9.2024, 00:44:34
Wenn der Nutzer jetzt juristisch bewandert sein muss, um korrekt zu bewerten, was es heißt, auf Schmerzensgeld verklagt zu werden - also noch nicht auf die Zahlung verurteilt - und dann vorhersehen muss, dass sich die bisher geltende Rechtsprechung bzgl. der gesteigerten Recherchepflichten ändern und nicht mehr nur auf Journalisten erstrecken wird, dann wird freie Meinunungsäußerung ein Gut der juristischen Elite. Ich heiße den Kommentar über K damit nicht gut und möchte diese Ausdrucksweise nicht unterstützen. Ich sehe hier nur schlicht beim Blogger strafbares Verhalten und nicht beim Nutzer.
Leo Lee
28.9.2024, 11:27:07
Hallo MusterschüLAW, vielen Dank für diese sehr gute und wichtige Frage! Deine Frage ist insofern sehr besonders, als die Entscheidung viele komplizierte Aspekte anspricht. Einerseits ist es plausibel anzunehmen, dass wenn das Zitat "wahr" gewesen wäre, die Entscheidung mglw. aufgrund eines erhöhten Bezugs zur "Sache" anders entschieden worden wäre. Andererseits darf man nicht übersehen, dass "Trulla" eben eine für sich genommen beleidigende Begrifflichkeit ist, was insofern eine
Formalbeleidigungdarstellen würde (wie eben blöde Kuh oder Hurensohn, ungeachtet des Wahrheitsgehalt dieser Ausdrücke). Deshalb kann man nicht pauschal sagen, dass diese Wortkombination noch erfasst gewesen wäre, zumal die beiden Worte jeweils aus verschiedenen Gründen problematisch sind. Auch hier lautet also die Antwort: Es kommt darauf an (typisch Jura) :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo