Öffentliches Recht
Grundrechte
Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 GG)
kommerzielle Werbung (Wirtschaftswerbung), die der Meinungsbildung dient
kommerzielle Werbung (Wirtschaftswerbung), die der Meinungsbildung dient
14. Juli 2025
9 Kommentare
4,8 ★ (23.458 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Der schwäbische Lebensmittelhändler L wirbt mit dem Slogan "(Schwäbischer) Geiz ist geil!". Durch die Werbekampagne erhofft sich B sowohl mehr Aufmerksamkeit als auch mehr Umsatz. Der Kontrolleur der Werbeaufsicht W hält den Slogan für wettbewerbswidrig.
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Einordnung des Falls
kommerzielle Werbung (Wirtschaftswerbung), die der Meinungsbildung dient
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Der Werbeslogan "(Schwäbischer) Geiz ist geil" stellt eine Meinungskundgabe im Sinne von Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG dar.
Genau, so ist das!
2. Nach einer Ansicht ist Wirtschaftswerbung vom Schutzbereich der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG) generell ausgeschlossen.
Ja, in der Tat!
3. Nach einer anderen Meinung ist der Schutzbereich der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG) auch für kommerzielle Werbung (Wirtschaftswerbung) eröffnet.
Ja!
4. Nach der Rechtsprechung des BVerfG ist für Wirtschaftswerbung der Schutzbereich eröffnet, wenn sie wertenden, meinungsbildenden Inhalt hat.
Genau, so ist das!
5. Für die Wirtschaftswerbung mit dem Slogan "Geiz ist Geil" ist nach Ansicht des BVerfG der Schutzbereich der Meinungsfreiheit verschlossen.
Nein, das trifft nicht zu!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Matschegenga
11.12.2021, 16:42:48
Das vom BVerfG angelegte Erfordernis des "meinungsbildenden Inhalts" oder der "Angaben, die der Meinungsbildung dienen", erscheint mir redundant. Wenn beides nicht gegeben ist, dürfte wohl ohnehin keine Meinung vorliegen, ob
Wirtschaftswerbungoder nicht.

Lukas_Mengestu
13.12.2021, 10:50:21
Hallo Matschegenga, zugegebenermaßen wird die Abgrenzung, welche Werbung noch dem Schutzbereich unterfällt, durch diese Kriterien nicht wirklich vereinfacht. Insgesamt kann man sich aber grundsätzlich darauf besinnen, dass das das BVerfG recht großzügig mit der Eröffnung des Schutzbereiches im Bereich der Werbung ist (vgl. Benetton-Schockwerbung: BVerfG NJW 2001, 591). Eine Ausnahme hiervon hat es in jüngerer Zeit nur im Hinblick auf die Kennzeichnungspflicht von Tabakherstellern auf Zigarettenpackungen gemacht (vgl. BVerfGE 95, 173). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
QuiGonTim
19.1.2025, 21:27:42
Im Klausurhinweis heißt es, dass auch noch die Pressefreiheit zu prüfen sei. Wie genau geworben wird, geht aus dem Sachverhaltstext nicht hervor. Aus der Grafik lässt sich allein eine Plaktwerbung entnehmen. Fällt das Werben mittels Plakaten schon in den Schutzbereich der Pressefreiheit?

Lota Coffee
15.4.2025, 14:31:19
Das würde mich bei kommerzieller Werbung wundern. Presse hat doch eigentlich eine berichterstattende und informative Funktion und wird u.a. zu Public Relations (PR) abgegrenzt.
LessiN
24.4.2025, 13:08:16
push
RTLW
10.6.2025, 12:33:21
Jedenfalls fehlt auch die Verlinkung zu Art. 5 GG

dolo agitation
12.6.2025, 14:27:39
Ich konnte zu Plakatwerbung im Kontext der Pressefreiheit nichts finden. Interessant erscheint aber die bisherige Rechtsprechung aus anderen Kontexten. So schreibt das BVerfG in Rn. 39 folgenden Urteils https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2000/12/rs20001212_1bvr176295.html bezogen auf Werbung in einer Zeitschrift: "Der Schutzbereich der Pressefreiheit umfasst den gesamten Inhalt eines Presseorgans, darunter auch Werbeanzeigen (vgl. BVerfGE 21, 271 <278 f.>; 64, 108 <114>). Soweit Meinungsäußerungen Dritter, die den Schutz des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG genießen, in einem Presseorgan veröffentlicht werden, schließt die Pressefreiheit diesen Schutz mit ein: Einem Presseorgan darf die Veröffentlichung einer fremden Meinungsäußerung nicht verboten werden, wenn dem Meinungsträger selbst ihre Äußerung und Verbreitung zu gestatten ist. In diesem Umfang kann sich das Presseunternehmen auf eine Verletzung der Meinungsfreiheit Dritter in einer gerichtlichen Auseinandersetzung berufen.“ Angesichts dessen, dass es sich bei einem Plakat um ein reines Werbeprodukt handelt, liegt es für mich vorliegend fern die Pressefreiheit als betroffen anzusehen.

Nadim Sarfraz
20.6.2025, 17:09:18
Lieber @[QuiGonTim](133054), hallo @[
dolo agitation](299940), vielen Dank für die Diskussion. Das Bundesverfassungsgericht stellte in der „Südkurier-Entscheidung“ (1967) jedenfalls lar, dass die Pressefreiheit auch den Anzeigenteil eines Publikationsmedium umfasst, da Anzeigen ebenfalls Informationen und Meinungen enthalten (können), die zur Kommunikationsaufgabe der Presse gehören und wirtschaftliche, kulturelle und politische Gegebenheiten widerspiegeln. In einem späteren Urteil (1983, "Chiffreanzeigen-Fall") wurde dies bekräftigt: Der Anzeigenteil sei nicht nur für die Information der Leser bedeutsam, sondern auch für die wirtschaftliche Grundlage und damit die Unabhängigkeit der Presse wesentlich. Vor diesem Hintergrund würde ich es auch als fernliegend bewerten, den Schutzbereich der Pressefreiheit bei Plakatwerbung zu bejahen; in einer Klausur müsste die Pressefreiheit mE dann auch nicht angeprüft werden. Auch wenn der Aufgabentext keine Aussage darüber traf, ob der Schutzbereich dann tatsächlich einschlägig ist, haben wir ihn entsprechend angepasst. Liebe Grüße, Nadim für das Jurafuchs-Team
paul1ne
1.7.2025, 00:01:31