+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Mechanikerin M arbeitet oft unsorgfältig. Da A die M nicht ganz als Mitarbeiterin verlieren will, plant er sie auf die Pförtnerstelle zu versetzen. Dort erhielte M nur noch 80% des bisherigen Lohns. A spricht gegenüber M die Änderungskündigung aus. Das KSchG ist anwendbar.
Einordnung des Falls
Grundfall: Änderungskündigung
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Durch Erklärung einer wirksamen Änderungskündigung ist ein Druckmittel des Arbeitgebers, um die Änderung der vertraglich geregelten Arbeitsbedingungen einseitig durchzusetzen.
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Ja, in der Tat!
Die Änderungskündigung ist ein zusammengesetztes Rechtsgeschäft aus Kündigung und Änderungsangebot. Sie liegt vor, wenn das bisherige Arbeitsverhältnis vom Arbeitgeber gekündigt wird und zugleich die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Bedingungen angeboten wird (vgl. § 2 KSchG). Sofern die beabsichtigte Vertragsänderung vom Arbeitnehmer nicht akzeptiert wird, soll nach Arbeitgeberwillen das Arbeitsverhältnis insgesamt enden. Somit stellt die Änderungskündigung ein Druckmittel des Arbeitgebers dar, Vertragsänderungen einseitig durchzusetzen. Da in der Änderungskündigung auch eine Beendigungskündigung enthalten ist, unterliegt sie dem Schriftformerfordernis (§ 623 BGB), welches sich insbesondere auch auf das Änderungsangebot erstreckt.
2. Es gibt zwei unterschiedliche Varianten, die Änderungskündigung zu erklären.
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Ja!
Zum einen kann eine unbedingte Beendigungskündigung erklärt und gleichzeitig die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Bedingungen angeboten werden (vgl. § 2 Abs. 1 KSchG). Zum anderen kann der Arbeitgeber die Beendigungskündigung auch unter der aufschiebenden Bedingung (§ 158 Abs. 1 BGB), dass der Arbeitnehmer die vorgeschlagene Änderung des Arbeitsverhältnisses nicht annimmt, erklären. Eine solche Bedingung ist ausnahmsweise zulässig, obwohl die Kündigungserklärung als Gestaltungserklärung grundsätzlich bedingungsfeindlich ist. Denn der Bedingungseintritt hängt ausschließlich vom Willen des Arbeitnehmers ab (Potestativbedingung).
3. Könnte A eine Versetzung der M auf die Pförtnerstelle auch mithilfe seines Direktionsrechts (§ 106 GewO) erreichen?
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Nein, das ist nicht der Fall!
Grundsätzlich steht dem Arbeitgeber ein Direktionsrecht zu, mittels dessen er dem Arbeitnehmer Arbeitsbedingungen zuweisen kann, denen der Arbeitnehmer dann aufgrund seiner Weisungsgebundenheit Folge zu leisten hat. Dieses Weisungsrecht unterliegt jedoch Einschränkungen. Nach § 106 S. 1 GewO darf das Direktionsrecht nur im Rahmen billigen Ermessens ausgeübt werden. Der Vertragsinhalt bildet die Grundlage für das Direktionsrecht. Er kann selbst nicht verändert werden. Durch das Direktionsrecht darf daher nicht in den Kernbereich des Arbeitsrechts eingegriffen werden. A will M ein völlig neues Tätigkeitsfeld mit geringerer Entlohnung zuweisen. Dadurch werden die Hauptleistungspflichten des Vertrages betroffen, die aber nicht im Rahmen des Direktionsrechts einseitig geändert werden können.
4. Die Änderungskündigung ist vorliegend nur rechtmäßig, wenn sie durch personen-, verhaltens- oder betriebsbedingte Gründe bedingt ist.
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Ja, in der Tat!
Im Anwendungsbereich des KSchG gilt, dass die Änderungskündigung nur dann rechtmäßig ist, wenn sie sozial gerechtfertigt ist, also wenn für sie ein personen-, verhaltens- oder betriebsbedingter Grund besteht (§ 1 Abs. 2 KSchG). Dabei gilt allerdings, dass nicht die Beendigung des Arbeitsverhältnisses sozial gerechtfertigt sein muss, sondern es ist zu prüfen, ob der geltend gemachte Kündigungsgrund geeignet ist, die angestrebte Änderung der Arbeitsbedingungen zu rechtfertigen. Da „nur“ die Vertragsänderung und nicht die Vertragsbeendigung gerechtfertigt sein muss, sind die Rechtsfertigungsanforderungen geringer als bei der Beendigungskündigung.
5. Die von A erklärte Änderungskündigung ist sozial gerechtfertigt und damit rechtmäßig.
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Nein!
Sozial gerechtfertigt ist die Änderungskündigung, wenn (1) die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu den bisherigen Arbeitsbedingungen aufgrund personen-, verhaltens- oder betriebsbedingten Grundes nicht mehr möglich ist und (2) der Arbeitgeber die am wenigsten beeinträchtigende Änderung gewählt hat (Verhältnismäßigkeit, ultima ratio, Interessenabwägung). Hier liegt zwar ein pflichtwidriges Verhalten der M infolge unsorgfältiger Arbeit vor. Allerdings muss A die M auch vor Ausspruch einer verhaltensbedingten Änderungskündigung ordnungsgemäß abmahnen. Nur wenn A trotz Abmahnung weiter unsorgfältig arbeitet, kann eine negative Zukunftsprognose abgegeben werden. Da die Abmahnung nicht erfolgt ist, ist die Änderungskündigung sozial ungerechtfertigt und damit unwirksam.