Strafrecht

Examensrelevante Rechtsprechung SR

Entscheidungen von 2017

Abgrenzung von Eventualvorsatz und bewusster Fahrlässigkeit

Abgrenzung von Eventualvorsatz und bewusster Fahrlässigkeit

26. Juli 2023

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs Illustration: E steht verwundert vor einem explodierten Haus.

E will sein Haus sanieren. Dazu müssen seine Mieter ausziehen. E öffnet im Keller eine Gasleitung, um eine Verpuffung auszulösen, damit die „Wände wackeln“. E weiß, dass im Falle einer Explosion, Personen durch herabstürzende Gebäudeteile zu Tode kommen könnten. Wenig später stürzt aufgrund der Explosion das gesamte Haus ein. Sechs Mieter sterben.

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Einordnung des Falls

Der BGH beschäftigt sich hier mit der Abgrenzung von Eventualvorsatz und der bewussten Fahrlässigkeit. Maßgeblich sei nach h.M. das voluntative Element, also das billigende in Kauf nehmen des tatbestandlichen Erfolgs im Gegensatz zum Vertrauen darauf, dass dieser ausbleibe. Dies sei unabhängig davon, ob der Erfolg auch erwünscht ist.

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Hat bedingten Tötungsvorsatz, wer den Tod als mögliche Folge seines Handelns erkennt und dies billigt oder sich zumindest um des erstrebten Ziels willen damit abfindet?

Genau, so ist das!

Die hM nimmt die Abgrenzung Vorsatz und Fahrlässigkeit anhand des voluntativen Elements vor. Billigen kann der Täter auch einen ihm an sich unerwünschten Erfolg („Billigen im Rechtssinne“). Bewusst fahrlässig handelt dagegen, wer mit der als möglich erkannten Tatbestandsverwirklichung nicht einverstanden ist und ernsthaft und nicht nur vage darauf vertraut, der Erfolg werde nicht eintreten.
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2. Hatte E bedingten Tötungsvorsatz (§ 212 Abs. 1 StGB), auch wenn ihm der Tod der Mieter unerwünscht war?

Ja, in der Tat!

BGH: E habe erkannt, dass die Explosion, die er verursachen wollte, durch herabstürzende Gebäudeteile oder umfallendes Mobiliar zum Tod von Mietern führen konnte. Dennoch habe er gehandelt. Dass es sich bei dem Einsturz und dem Tod um einen für E unerwünschten Taterfolg gehandelt habe, stehe der Annahme bedingten Tötungsvorsatzes nicht entgegen. Nur ein von E aufgrund besonderer, außergewöhnlicher Umstände gehegtes Vertrauen, der von ihm für möglich gehaltene Tod werde nicht eintreten, würde einen bedingten Tötungsvorsatz ausschließen. Solche Umstände seien hier indes kaum vorstellbar. E habe den Tod gebilligt.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

LAW

Lawofmylife

23.8.2020, 19:04:50

Hi liebes Jurafuchs Team Ich frage mich, warum der bgh hier nicht auch

Habgier

anprüft bzw. annimmt. 1.

habgier

ig kann ja auch der „nur“ mit dolus eventualis Handelnde sein 2. ich könnte mir nur vorstellen, dass die Unmittelbarkeit fehlt. Immerhin erfordert das Gewinnstreben um jeden Preis eine durch den Tod herbeizuführende, unmittelbare Vermögensmehrung oder Aussicht auf Vermögensmehrung (so Lackner/Kühl). Dazu könnte man hier beides vertreten, wie ich finde: immerhin sind die Mieter ja, wenn das Haus wie vorgestellt einstürzt, weg und die Baumaßnahmen könnten beginnen. Allerdings würde ja die Vermögensmehrung eigentlich auch erst dem neu renovierten Haus bestehen. Übersehe ich hier etwas? Mich hat es zumindest gewundert, dass das im BGH Urteil überhaupt nicht thematisiert wurde.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

21.7.2021, 10:47:19

Hallo Lawofmylife, das ist ein sehr guter und durchaus naheliegender Gedanke! Der Grund, warum der BGH die

Habgier

nicht angeprüft hat, liegt schlicht und ergreifend darin, dass ihm hierfür Feststellungen der Vorinstanz zum subjektiven Vorstellungsbild des Täters gefehlt haben. Der BGH prüft indes reine Rechtsfragen und nimmt keine eigene Tatsachenfeststellungen vor. Aus diesem Grund hat der BGH die Entscheidung auch wieder zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Auch die Mordmerkmale

Gemeingefährlich

keit, Heimtücke bzw. sonstige niedrige Beweggründe hat der BGH für naheliegend erachtet, aber auch hier Feststellungen im Hinblick auf das subjektive Vorstellungsbild des Täters verlangt. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team


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