Abgrenzung Tun/Unterlassen + Garantenpflicht


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Jurafuchs

M ist mit ihrer 5-jährigen Tochter T in einem Lokal. Dabei bemerkt M nicht, wie T sich davonschleicht und auf dem Gehsteig zu spielen beginnt. Als M dies bemerkt, geht sie davon aus, dass für T keine Gefahr droht. Kurz darauf wird T angefahren.

Einordnung des Falls

Abgrenzung Tun/Unterlassen + Garantenpflicht

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. M hat den Körper und die Gesundheit der T durch Unterlassen verletzt.

Genau, so ist das!

Eine Verletzungshandlung kann jedes Tun, Dulden oder Unterlassen sein, das durch beherrschbares menschliches Verhalten gesteuert werden kann. Aktives Tun liegt vor, wenn jemand eine Gefahr für ein fremdes Rechtsgut begründet oder erhöht. Ein Unterlassen liegt vor, wenn eine bestehende Gefahr, ohne sie durch ein Tun zu erhöhen, nicht abgewendet wird. Die Abgrenzung erfolgt - wie im Strafrecht - nach dem Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit. M hat die T nicht aktiv in die Gefahr gebracht, angefahren zu werden. Sie hätte jedoch T wieder von der Straße wegholen und damit die Gefahr verringern können. Damit liegt ein Unterlassen vor.

2. Ein Unterlassen ist nur rechtlich relevant, wenn eine Pflicht bestand, tätig zu werden.

Ja, in der Tat!

Es besteht keine allgemeine Rechtspflicht, Dritte vor Gefahren zu schützen. Die Schädigung durch Unterlassen bildet damit eine Ausnahme. Notwendig ist, dass den Schädiger die Pflicht zum Handeln traf. Diese kann sich aus Verkehrssicherungspflichten oder einer Garantenstellung ergeben.

3. M ist Garant für Ts Wohlergehen.

Ja!

Eine Garantenstellung kann sich ergeben aus (1) vorangegangenem gefahrerhöhendem Tun (Ingerenz), (2) Gesetz, (3) Vertrag, (4) Lebens- oder Gefahrgemeinschaft, (5) Ehe und Familie sowie (6) §§ 138, 323c StGB. M ist als Mutter der T zur Personensorge verpflichtet (§ 1626 Abs. 1 BGB). Sie ist daher Garant für die körperliche Unversehrtheit der T.

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SCH

Schwanzanwaltschaft

8.2.2024, 12:35:09

Wäre hier die Haftungspriviligierung des §1664 I BGB einschlägig.

LELEE

Leo Lee

10.2.2024, 13:24:16

Hallo Schwanzanwaltschaft, vielen Dank für deine sehr gute Frage! Du hast völlig Recht: Hier wäre der § 1664 I BGB zu beachten. Ob diese Privilegierung greift, ist allerdings zweifelhaft, da die M trotz Bemerkens die T einfach weiter spielen lässt auf dem Gehsteig; dies dürfte dann wohl eine grobe Fahrlässigkeit darstellen i.S.d. § 277 BGB (was dann nicht mehr von der Privilegierung gedeckt ist!). Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre von MüKo-BGB 9. Auflage, Grundmann § 277 Rn. 1 sehr empfehlen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

SCH

Schwanzanwaltschaft

20.2.2024, 18:08:28

Top, Danke für die schnelle Antwort 👍🏽


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