Öffentliches Recht

VwGO

Normenkontrollverfahren

Rechtsfolge eines erfolgreichen Normenkontrollantrags

Rechtsfolge eines erfolgreichen Normenkontrollantrags

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Trotz eines sehr schwachen Infektionsgeschehens erlässt die niedersächsische Regierung eine neue - formell rechtmäßige - Corona-Verordnung, nach der sämtliche Treffen außerhalb des eigenen Haushalts untersagt sind. L hält die Verordnung für unverhältnismäßig und stellt einen zulässigen Antrag nach § 47 VwGO.

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Einordnung des Falls

Rechtsfolge eines erfolgreichen Normenkontrollantrags

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Ls Normenkontrollantrag (§ 47 VwGO) ist begründet, wenn die niedersächsische Verordnung zum Infektionsschutz gegen höherrangiges Recht verstößt.

Ja!

Im Rahmen der Begründetheit prüft das OVG die Vereinbarkeit der angegriffenen Norm mit dem gesamten höherrangigen Recht. Die Rechtmäßigkeit einer untergesetzlichen Norm setzt voraus, dass sie (1) auf der Grundlage einer (formell und materiell) rechtmäßigen Rechtsgrundlage ergangen ist und die Verordnung selbst (2) formell sowie (3) materiell rechtmäßig ergangen ist.
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2. Die Verordnung beruht auf der Verordnungsermächtigung des § 32 IfSG i.V.m. §§ 28, 28a IfSG.

Genau, so ist das!

Jede rechtmäßige Rechtsverordnung setzt voraus, dass sie auf Grundlage einer - wiederum rechtmäßigen Rechtsgrundlage zum Erlass der Verordnung (= Verordnungsermächtigung) beruht. Die Verordnungsermächtigung muss insbesondere die besonderen Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 GG einhalten. Die Rechtsgrundlage zum Erlass der Verordnung findet sich in § 32 IfSG i.V.m. § 28 IfSG i.V.m. § 28a Abs. 1 Nr. 3 IfSG. Angesichts intensiver öffentlicher Diskussionen um Rechtsverordnungen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie solltest Du von den §§ 32, 28, 28a IfSG zumindest schon mal gehört haben.

3. Die Rechtsverordnung ist formell rechtswidrig ergangen.

Nein, das trifft nicht zu!

Eine Verordnung ist formell rechtmäßig, wenn sie vom zum Erlass kompetenten Hoheitsträger sowie unter Einhaltung der anwendbaren Form- und Verfahrensvorschriften erlassen wurde. Diese richten sich nach der Rechtsgrundlage zum Erlass der Verordnung (= Verordnungsermächtigung). Die Rechtsgrundlage zum Erlass der Verordnung findet sich in § 32 IfSG i.V.m. § 28 IfSG i.V.m. § 28a Abs. 1 Nr. 3 IfSG. Nach § 32 IfSG ist die Landesregierung zuständig zum Erlass der Verordnung. Weitere Form- oder Verfahrensfehler sind nicht ersichtlich.

4. Der Eingriff in das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG durch die Verordnung ist gerechtfertigt. Die Verordnung ist materiell rechtmäßig.

Nein!

Die Verordnung ist materiell rechtmäßig, wenn sie mit höherrangigem Recht vereinbar ist. Die Verordnung schränkt die allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG besonders weitreichend und ohne Ausnahmen ein. Dieser Eingriff müsste gerechtfertigt sein. Der legitime Zweck der Verordnung liegt im Schutz der Gesundheit der Bevölkerung. Die Kontaktbeschränkung bewirkt weniger Ansteckung und ist somit grundsätzlich geeignet, den Zweck zu fördern. Allerdings ist die Verordnung nicht das mildeste Mittel, um das Ziel zu erreichen (= Erforderlichkeit). Angesichts des sehr schwachen Infektionsgeschehens kann die Gesundheit der Bevölkerung auch durch weniger schwere Maßnahmen ausreichend sichergestellt werden.

5. Als Folge des erfolgreichen Antrags entfaltet die Verordnung nur für L keine Anwendung.

Nein, das ist nicht der Fall!

Mit dem Normenkontrollantrag nach § 47 Abs. 1 VwGO wird die Gültigkeit untergesetzlicher Normen überprüft. Diese sind ungültig, wenn sie mit höherrangigem Recht unvereinbar - also rechtswidrig - sind. Kommt das OVG zu der Entscheidung, die angegriffene Rechtsnorm sei ungültig, so erklärt es diese für unwirksam (§ 47 Abs. 5 S. 2 VwGO). Die Entscheidung des OVG über einen Normenkontrollantrag gemäß § 47 VwGO hat - anders als alle anderen verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen nach der VwGO - nicht bloß inter partes Wirkung, sondern wirkt erga omnes. Der Antrag des L hatte Erfolg. Die Verordnung ist (materiell) rechtswidrig. Das OVG wird die Verordnung für unwirksam erklären (§ 47 Abs. 5 S. 2 VwGO). Damit entfaltet sie gegenüber niemandem mehr eine Rechtswirkung.Bei Teilrechtswidrigkeit der Norm wird die Teilunwirksamkeit festgestellt (Rechtsgedanke des § 139 BGB).
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